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AGGRESSION – AUSGRENZUNG - KOMMUNIKATION

mit
Carsten Stahl, Julia Reinhardt, Maya Müller und Alexander Löher
Aufgezeichnet am 29.04.2021

Die Talkshow "Auf Augenhöhe", moderiert von Jens Lehrich, trägt den Titel "Aggression, Ausgrenzung, Kommunikation" und setzt sich mit der Situation der Jugend und der Durchbrechung von gewaltverankernden Prozessen in der Gesellschaft auseinander. Die Gäste sind:

  1. Julia Reinhardt: Kriminologin, die sich mit der Entstehung von Aggression und den Unterschied zwischen Aggression und Aggressivität befasst, sowie mit der Arbeit mit Gewalttätern.
  2. Maya Müller: Moderatorin und Redakteurin bei Weltvision, die über die Bedeutung von Kommunikation und Medien spricht und wie diese zu einer hoffnungsvolleren Gesellschaft beitragen können.
  3. Alexander Löher: Bezirksschülersprecher und Vorstand der Stadtschülervertretung München, der die steigende Verzweiflung und Aggression bei Jugendlichen infolge der Pandemie thematisiert.
  4. Carsten Stahl: Präventionscoach und Gründer von Bündnis Kinderschutz und Stop Mobbing in Deutschland, der über die Zunahme von Mobbing und Gewalt während der Krise und die Verantwortung von Medien und Politik spricht.

Die Diskussion behandelt, wie die Pandemie die Probleme wie Gewalt, Mobbing und psychische Belastungen verschärft hat und wie diese Themen in der Gesellschaft, den Medien und der Politik angegangen werden sollten. Es wird betont, dass jeder Einzelne eine Rolle bei der Lösung dieser Probleme spielt, indem er Verantwortung übernimmt und Empathie zeigt. Die Gäste diskutieren die Notwendigkeit, dass Schulen, Eltern und die Politik gemeinsam handeln müssen, um die Jugend und damit die Zukunft der Gesellschaft zu sch

ützen. Die Sendung beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Aggression unter Jugendlichen und wie diese durch die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, insbesondere durch die Corona-Pandemie, beeinflusst werden. Es wird die Wichtigkeit von Kommunikation, der Einbeziehung aller betroffenen Parteien und der Förderung von Empathie hervorgehoben. Die Gäste der Show bringen ihre Expertise ein, um zu erörtern, wie diese Probleme auf persönlicher, schulischer und politischer Ebene angegangen werden können, um eine positivere und einbeziehende Zukunft für die heranwachsende Generation zu schaffen.

Read Episode Transcript

JENS LEHRICH: Liebe Community, herzlichwillkommen zu einer weiteren Ausgabe Auf Augenhöhe aus der BundeshauptstadtBerlin. Ich freue mich heute sehr auf die Sendung Aggression, Ausgrenzung,Kommunikation. Wir wollen heute darüber sprechen, wie geht es der Jugend undwie durchbrechen wir gesellschaftlich verankerte Gewaltprozesse. Ich möchtemeine heutigen Gäste vorstellen: Ich begrüße ganz herzlich Julia Reinhardt,hallo Frau Reinhardt. Sie sind Kriminologin?

JULIA REINHARDT: Jawohl.

JENS LEHRICH: Und hatten Sie eine guteAnreise?

JULIA REINHARDT: Ja, sehr gut, bin mit demZug gekommen.

JENS LEHRICH: Wunderbar, schön, dass Sieda sind.

JULIA REINHARDT: Danke.

JENS LEHRICH: Ich begrüße ganz herzlichMaya Müller, hallo Frau Müller. Sie sind Moderatorin und Redakteurin bei Weltvision.(Maya Müller nickt) Herzlich willkommen in der Runde.

MAYA MÜLLER: Vielen Dank.

JENS LEHRICH: Ich begrüße AlexanderLöher. Da muss ich schon ein bisschen länger ausholen, Sie sindBezirksschülersprecher und im Vorstand der Stadtschülervertretung München. Alsoaus München angereist, hat alles gut geklappt?

ALEXANDER LÖHER: Alles wunderbar, pünktlich,wie es sein soll.

JENS LEHRICH: Und ich begrüße ganzherzlich Carsten Stahl, hallo Herr Stahl.

CARSTEN STAHL: Hallo.

JENS LEHRICH: Herzlich willkommen in derRunde. Sie sind Präventionscoach und Gründer von Bündnis Kinderschutz und StopMobbing in Deutschland. (CARSTEN STAHL: Genau.) Außerdem haben Sie eine Reihebei RTL2, Stahlhart.

CARSTEN STAHL: Gegen Mobbing.

JENS LEHRICH: Gegen Mobbing. Herzlichwillkommen hier in der Runde.

CARSTEN STAHL: Danke.

JENS LEHRICH: Es ist ein spannendesThema. Die vergangenen zwölf Monate, wir sind alle in einer Situation, wo wir manchmalnicht ein und aus wissen. Wir sind aber auch oft in der Situation, dass wirChancen erkennen, Chancen in dieser Krise. Und wie gesagt, das Thema, wie gehtes der Jugend, das ist unser Oberthema heute. Darüber wollen wir sprechen. Aberbevor wir so richtig einstarten, würde ich erstmal gerne von Frau Reinhardtwissen: Wie kommt es überhaupt zu Aggression?

JULIA REINHARDT: Naja, also es ist jetzt dieFrage: Meinen Sie damit Aggression oder Aggressivität? Also wir unterscheidenzwischen diesen beiden Begriffen und ich finde das auch sehr wichtig, das zuunterscheiden.

JENS LEHRICH: Erklären Sie mal, was derUnterschied ist.

JULIA REINHARDT: Also Aggression isterstmal gar nichts Negatives. In unserer Gesellschaft ist dieser Begriff sichereher negativ besetzt und wird, ja, eher mit Gewalt in Verbindung gebracht. Wirunterscheiden aber zwischen Aggression und Aggressivität. Aggressivität ist dasVerhalten, was vielleicht aus einer Aggression heraus resultiert. AberAggression bedeutet erstmal im eigentlichen Sinne ja, ich sage mal so perDefinition auf etwas zugehen, auf etwas herantreten. Also etwas in Angriffnehmen. Da wird Energie freigesetzt und Aggression treibt uns an. Und das isterstmal gar nichts Negatives. Das Problem ist natürlich, wenn darausAggressivität wird und das ist dann, ja, vielleicht aus einer Frustration, auseinem negativen Erleben heraus.

JENS LEHRICH: Herr Löher, bleiben wirmal bei dem Begriff der Aggressivität. Haben Sie den Eindruck, dassAggressivität und Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen stärker wird?

ALEXANDER LÖHER: Ich glaube, dieAggressivität wird infolge der Verzweiflung stärker. Dadurch, dass Jugendliche teilweisegar nicht wissen, was sie jetzt dürfen, was sie nicht dürfen, wie es für sieweitergeht, perspektivisch gesehen, glaube ich, steigt die Aggression aufgrundder Verzweiflung, aufgrund der aussichtslosen Situation. Mit Sicherheit.

JENS LEHRICH: Frau Müller: Kommunikation,das ist Ihr Kerngebiet. Wie kann uns die Kommunikation helfen?

MAYA MÜLLER: Ja. Ich glaube, dass beiKommunikation so eine sehr relevante Frage ist, auf welcher Ebene mankommuniziert und ich finde da besonders so auch das Thema von unseren Gedankenrelevant. Weil die ja so vor Kommunikation passieren. Und da sind wir natürlichauch schnell so bei dem Thema Medien und was wollen wir eigentlich raussenden?Es ist eine große Frage von Resonanz auch, also wie kommuniziert man und wasfür eine Antwort bekomme ich da. Und da kann ich auch ganz viel schauen, wasbegegnet mir da im Außen, wo ich auch schnell bei dem Thema Aggression zumBeispiel bin. Und ich halte das für einen sehr relevanten Ansatzpunkt, wo manhinschauen kann.

JENS LEHRICH: Herr Stahl, was bedeutetAusgrenzung für einen Mensch?

CARSTEN STAHL: Im Aus stehen. Alleinesein. Isoliert sein, verzweifelt sein. Und es war noch nie so schlimm wie jetztwährend dieser Krise, für uns alle in unserem Land. So viele Menschen, diessich jetzt ausgegrenzt, ausgeschlossen, allein und isoliert fühlen. Auf allenEbenen und vor allem in allen Altersklassen. In einer Krise steckt auch immereine Chance. Im Moment sehe ich sehr viele aggressive, verzweifelte Menschen.Und das ist ein gefährlicher Mix und wenn wir nicht aufpassen, verlieren wirunsere Gesellschaft und unsere Werte.

JENS LEHRICH: Sie stehen ja auch mit derPolitik in enger Verbindung. Wie reagieren die darauf, nehmen die das wahr? Manhat ja so das Gefühl, es gibt irgendwie da so zwei Wahrnehmungs-Ebenen. Alsowir, die wir an der Basis das jeden Tag mitbekommen und die, die da obenirgendwie Entscheidungen treffen. Ich meine, dass das nicht immerzusammenpasst, das wissen wir nicht erst seit Corona. Aber jetzt wird das ja ganzbesonders deutlich, oder?

CARSTEN STAHL: Also erstmal ist es haltso. Klar, es ist immer die da oben oder die Politiker. Die da oben gibt esnicht und es gibt auch nicht die Politiker. Es gibt einige mit sehr viel Macht,in meinen Augen mit zu viel Macht, und mit zu vielen persönlichen Ansichten.Und wenn man zu viel Macht hat oder auch zu viel Macht will, dann kann dasgefährlich sein und auch in eine falsche Richtung gehen. Das Thema ist halteinfach, wenn man in Deutschland Tabus anspricht oder hinterfragt oderWahrheiten fordert. Damit hat die Politik oft ein Problem. Seit acht Jahrenkämpfe ich in Deutschland gegen Mobbing, Gewalt, Hass, Rassismus undsexualisierte Gewalt und Missbrauch von Kindern. Das sind so ziemlich allesziemliche Tabuthemen, außer Rassismus, weil das ist halt schon einMainstream-Thema. Was ja wichtig ist, aber die anderen sind genauso schlimm,weil sie nämlich durch unsere ganze Gesellschaft gehen, auch Missbrauch undsexualisierte Gewalt an Kindern. Und die Politik da zu sensibilisieren und siesagten, ich stehe mit der Politik in Verbindung: Ich würde sagen, ich stehevielen von denen auf den Füßen. Denn Politik reagiert nur auf zwei Mechanismen:Dass es ihnen nutzt oder dass es ihnen schaden kann. Ich bin jemand, der es indie Öffentlichkeit bringt. Laut ist, direkt ist, unbequem. Man nennt mich auchMister Unbequem. Wieso? Weil es Themen sind? Was ist denn unbequem? DieWahrheit? Ist es unbequem, weil es vielleicht dem einen oder anderen Angstmacht, weil man versagt, weil es Missstände gibt? Missstände sind dafür da,dass man sie aufdeckt und behebt. Und das bedeutet aber als Allererstes, dassman über die Wahrheit spricht und sich auch eingesteht, dass Fehler gemachtwurden. In dieser Krise sind extrem viele Fehler gemacht worden. Trotzdem höreich immer wieder Verantwortliche, die sagen: „Nein, läuft eigentlich ganz gutund ist alles ganz schön.” Und am besten auf die Schulter klopfen. Da frage ichmich, ob der eine oder andere nicht wirklich hinguckt oder ein Brett vor demKopf hat. Es war noch nie so schlimm.

JENS LEHRICH: Frau Reinhardt, wieerleben Sie das in ihrer täglichen Arbeit? Kontra häusliche Gewalt ist eineInitiative. Sagen Sie auch, in den vergangenen zwölf Monaten ist das exponentiellgewachsen oder war es schon immer schlimm?

JULIA REINHARDT: Also wir stellen natürlicheinen großen Unterschied fest, in den letzten zwölf Monaten. Wobei mir es aberimmer wichtig ist, gerade jetzt so in den letzten Monaten auch immer wieder zubetonen: Das Thema häusliche Gewalt, also Gewalt in der Partnerschaft ist meinThema, ist gerade sehr, naja, ich sage mal, populär durch die Coronakrise,beziehungsweise die Maßnahmen, die getroffen wurden. Ich sehe aber da dieGefahr, dass es da vielleicht auch im Vergleich zu vorher, das was vorher waroder die Situation, die wir hatten, dass das da ein bisschen runtergespieltwird. Gewalt im sozialen Nahbereich ist schon immer ein Riesenthema, es isteinfach nur ein Tabu, wie du das vorhin auch gesagt hast. Das ist halt nichtpopulär und das ist nicht sehr angenehm, darüber zu sprechen. Aber wenn wir unsdie Statistiken angucken: Jede dritte Frau in Europa, auch in Deutschland, wirdim Laufe ihres Lebens mindestens einmal Opfer von Gewalt in der Partnerschaft.Wenn wir das weltweit betrachten, ist das Thema, und ich kann jetzt leider nurhier im Bereich von Gewalt gegen Frauen sprechen, das schließt nicht das Themaaus, dass Männer genauso auch betroffen sein können von Gewalt in derPartnerschaft. Das ist leider nur noch unterbeforscht, deswegen haben wir dazukeine sauberen Daten, noch nicht. Bei Gewalt gegen Frauen sehr wohl und da wissenwir, weltweit betrachtet ist das die häufigste Todesursache, wenn Frauen einesnichtnatürlichen Todes sterben. Damit rangiert die Gewalt durch den Partneroder Expartner oder der Tod durch diese Gewalt noch vor Verkehrsunfällen undKrebs, zum Beispiel. Wenn Frauen eines nichtnatürlichen Todes sterben. Also wasich damit sagen möchte, ist: Das ist nicht erst jetzt ein Thema, das ist schonimmer ein Thema. Und es ist ein Riesenthema. Nur kommt es jetzt gerade sehr andie Oberfläche, würde ich mal sagen, und wir verzeichnen aber natürlich auchabsolute Fallanstiege.

JENS LEHRICH: Und können Sie allen helfenim Moment? Oder ist es, man hört ja zum Beispiel Österreich, Schweiz, auch teilweise,dass es jetzt, also ich beziehe es immer wieder auf die Jugendlichen inJugendpsychiatrien zu Triagen kommt. Man kann gar nicht mehr so vielebehandeln, wie man behandeln möchte. Beziehungsweise, man muss die Behandlungensogar teilweise verkürzen, um mehr junge Menschen, um mehr jungen Menschen zuhelfen.

JULIA REINHARDT: Ja. Also bei uns meldensich die Erwachsenen, also sozusagen die Elternteile der jungen Menschen, umdie es ja heute hier geht. Und es ist nicht so, dass wir die jetzt abweisenmüssen, so dramatisch ist es nicht, bei uns in der sogenannten Täterarbeit. Wirarbeiten ja mit denen, die die Gewalt ausüben oder ausgeübt haben. Nur war eseben so, dass wir vorher schon sehr gut ausgelastet waren, würde ich mal sagenund jetzt aber noch mehr. Und das ist irgendwie händelbar, sage ich mal, aberwir müssen einfach aufgrund dieser ganzen Situation natürlich unser Programm,alles, was wir mit unseren Klienten erarbeiten, durchführen. Methodisch, vomSetting her, wir müssen alles umstellen oder können gewisse Dinge einfach garnicht machen. Stichwort Gruppensetting und so weiter und so weiter. Wir müssenneue Räume suchen, das erschwert das einfach enorm.

JENS LEHRICH: Herr Löher: In IhrerFunktion als Schülersprecher, wie, also wieviel mehr an Problemen nehmen Siewahr? Also in Ihrer Altersgruppe.

ALEXANDER LÖHER: Deutlich, also es steigtschon an. In jeglicher Hinsicht, das geht auch beim Psychischen los, wenn michNachrichten erreichen von Schülern, die sagen, sie haben seit 36 Stunden nichtgeschlafen, weil sie das Gefühl haben, sie können sich nicht mehr auspowern.Sie haben zuhause das Problem, dass sie mit drei Geschwistern in einem Zimmersitzen und alle versuchen, Homeschooling zu machen. Das kriegt man schon mitund die Probleme, das Schulsystem, die sind auch nicht neu. Die fallen jetztnur deutlich mehr auf. Durch unsere Pandemie werden gesellschaftliche Problemeoder Probleme in allen Bereichen aufgedeckt und das macht sich deutlichbemerkbar. Ja. Und dadurch dann halt auch dann die Verzweiflung, geradedadurch, dass wir so viele Probleme haben im schulischen Bereich. Das ist schonnicht ganz so leicht auch teilweise damit selber dann, sich das anzuhören istschon teilweise hart. Aber früher war es so, dass man ein, zwei Nachrichtenbekommen hat. Mittlerweile sind es wirklich teilweise am Tag schon fünfzig,wenn es ganz böse läuft, an einem Tag. Ja.

JENS LEHRICH: Fünfzig Nachrichten?

ALEXANDER LÖHER: Ja, ja. Also ungelogenfünfzig Nachrichten, wenn eine neue Verordnung kommt, wenn man mal eine Umfragestartet, (CARSTEN STAHL: … #00:12:15#)und sich mal umhört, konkret: Wie geht es dir? Und man auch ein Feedbackbekommt, dann sind das teilweise auch mehr als fünfzig. Wenn man aktiv suchtund die Leute ehrlich zu einem sind, sind es mehr als fünfzig und auch mehr,zusätzlich, die sich öffnen. Das sind dann solche Texte teilweise, wo ich mirdenke: Respekt, dass du so ehrlich bist und es auch offenlegst. Und-.

JENS LEHRICH: Können Sie da allen helfen?Das ist ja-.

ALEXANDER LÖHER: Also natürlich nicht. Wennich da jedem helfen könnte, dann hätte ich wirklich eine tolle Gabe. Ich alsSchülervertreter kann auch nicht wahnsinnig tun. Ich kann das mitnehmen an diePolitik beispielsweise herantragen und versuchen, zu vermitteln. Aber, wieschon gesagt wurde, diese Stellen (?sind) teilweise auch sehr in Limits, wo manhin vermitteln kann, Beratungsstellen, Ähnlichem. Und das ist halt der Pandemiegeschuldet, das muss man ehrlich sagen, weil halt durch dieses auf den eigenenvier Quadratmetern eingeengt zu sein, das Gefühl haben, die Wand kommt näher.Das geht ja nicht nur einer Person so, das geht Tausenden Personen so.

JENS LEHRICH: Und wenn Sie da mit der-,ich möchte einmal kurz dabei bleiben, wenn Sie da mit der Politik, wenn sie sagen,in Kontakt sind oder mit Lehrerinnen und Lehrern, Schulleitungen vielleicht.Wie reagieren die? Also bügeln die das weg oder nehmen die das schon ernst?

ALEXANDER LÖHER: Man muss ein bisschendifferenzieren. Ich glaube, desto näher man an der Basis sitzt-. Wenn ich mitSchulleitern darüber spreche, sagen die ja, das fällt ihnen auch auf. Wenn siemal die Schüler in Präsenz sehen, zum Beispiel und man wirklich mit den Leutenin einem Einzelgespräch in den Dialog kommt. Da heißt es meistens, wenn mangefragt hat, wie geht es dir denn. Wird kaum einer sagen: Es geht mir gut, esgeht mir prächtig. Das wird kaum jemand sagen. Dass die Problematik, glaubeich, da ist, das wissen wir alle. Es ist nur die Frage, wie man damit umgeht.Schulleiter können aktiv an ihrer Schule versuchen, das Problem zu lösen, aberteilweise haben sie halt nur einen gewissen Rahmen, in dem sie handeln können.Und wie gesagt, viele sagen, das Problem ist da. Wir wissen es. Aber tun,Aktionen passieren da sehr, sehr wenig momentan. Muss man leider sagen. Das istmein Eindruck, den ich auch mit vielen anderen Schülervertretern teile, weilwir uns ja sehr oft über diese Problematik austauschen, sage ich mal.

JENS LEHRICH: Bevor wir gleich zu FrauMüller kommen. Herr Stahl, dass eben gerade 200 Mails am Tag-. Das ist ja-.

CARSTEN STAHL: An einem ruhigen Tag.

JENS LEHRICH: An einem ruhigen Tag.

CARSTEN STAHL: Ich kriege es jaungefiltert von Schülern und Eltern bundesweit. Ich habe in den letzten achtJahren, seitdem ich das mache, und da ging es ja zuerst um Mobbing, jetzt gehtes ja auch viel um Kindesmissbrauch, über 80 000 E-Mails bekommen. Vonverzweifelten Eltern, das kannst du gar nicht alleine schaffen. Aber da seheich halt einen Querschnitt und ganz besonders jetzt bei Corona. Es ist halteinfach so, ich nutze natürlich meine Reichweiten, ja. Ob es bei Facebook ist,bei Instagram ist, und versuche ja über meine Botschaften auch Menschen schonzu helfen oder Mut zu machen, Hoffnung zu geben. Und dadurch bist du natürlichschon Hoffnungsträger, jetzt auch politisch. Und die wenden sich auch an michund schreiben mir Geschichten. Die schicken mir ihre Briefe. Also auch das, wassie als Missstände haben, wo ich mir was-. Manchmal, wo ich mich frage: Wasgeht da ab?

JENS LEHRICH: Die zeigen sichverletzlich.

CARSTEN STAHL: Die sind alle verletzt, diehaben Verzweiflung, da sind Suizidgedanken dabei. Das, was ich da lese. Hier wurdeüber häusliche Gewalt gegenüber Frauen gesprochen. Ja. Das ist ja schon einjahrelanges Thema, was da ist, was halt nicht angesprochen wird. Es sei denn,es ist wieder Wahlen, dann nimmst du halt-, nimmt es halt irgendeineFamilienministerin und die thematisiert das wieder. Corona zeigt bloß dieMissstände noch viel direkter. Es ist alles gestiegen: Häusliche Gewalt anFrauen, häusliche Gewalt an Kindern. Ich habe das auch letztens gesagt, in demgroßen Weltbericht, dreifach mehr Cyber-Mobbing, warum? Die Kinder erleben denDruck, die Verzweiflung, die Nöte der Eltern. Sie selber können nicht raus, mannimmt ihnen ein Teil ihrer Kindheit. Die sind so dermaßen unter Druck unddepressiv, der Druck muss irgendwo hin und das Einzige, was sie haben in derKommunikation, ist ihr Handy. Und wen nehmen sie sich dann vor? Wen, den siesowieso in der Schule oder sonst wo nicht mögen. Sie suchen im Netz jemandenund hacken auf den ein. Das hat so extrem zugenommen und das ist das, was michso, sorry, so verdammt wütend macht. Wenn ich das Wort Kollateralschaden oder-Schäden höre, möchte ich mich im Strahl übergeben. Das sind Menschen, das sindSeelen, das sind Existenzen, die sind genauso zu beziffern und zu benennen, wiealle Opfer der Pandemie. Denn es sind alle gemeinsam dabei und die hat mannicht zu verharmlosen oder in einem Wort zu nennen. Es ist extrem. Und da istes an einer Schule, ich erlebe es ja an so vielen Schulen, weil es kommt ja dasFeedback. Ich war ja auch an der Schule, wo er darauf war. Ich habe da mit 800Schülern damals gearbeitet, eben noch kurz vor der Pandemie.

JENS LEHRICH: Ah, ja, ja.

CARSTEN STAHL: Ja, er kennt mein Projekt,er weiß, was ich mit 800 Schülern verändern kann. Aber jetzt kann ich ja nichtmal mehr helfen. Aber es gibt ja die Schüler, die mich anschreiben, wir habenzwar-. Wir können zwar viral versuchen, dagegenzuwirken, ja. Und den Kinderneinfach Hoffnung zu schenken und an sich zu glauben. Denn das ist es ja: DieKinder, wir verlieren die Kinder. Aber noch viel extremer ist, wir verlierenuns als Gesellschaft. Unsere Gesellschaft spaltet sich.

ALEXANDER LÖHER: Das Problem ist ja, dassMobbing, ich kriege es ja aus der ganzen Hauptstadt München meine Ämter mit.Das verlagert sich (CARSTEN STAHL: Ja.) von dem Pausenhof, richtig, ins Handy.Das Mobbing ist ja nicht weg. (CARSTEN STAHL: Nein.) Es ist nur woanders (CARSTENSTAHL: Woanders.).

JULIA REINHARDT: Und damit ist es ja auchnicht mehr greifbar, oder schwieriger greifbar.

CARSTEN STAHL: Es ist anonymer. Weil,also gut, wenn manche das in WhatsApp-Gruppen machen, natürlich nicht, aber-.Und das ist genau der gleiche Mechanismus und er kennt ja meine Arbeit: Diemeisten Opfer von Mobbing, oder denen es schlecht geht, die vertrauen sichnicht an. Sie schämen sich, sie hoffen, dass es wieder aufhört, dass es wegist. (JULIA REINHARDT: Genau.) Und dort die Kinder aufzuklären, sich auch dazuzu bekennen, als Opfer, Mittäter und Täter, ist halt unheimlich schwierig. Undsie denken es geht wieder weg. Aber jetzt muss man sich halt vorstellen, esnehmen sich in Deutschland vor der Pandemie jeden Tag ein Kind in Deutschlandwegen Mobbing das Leben. Und fünf bis sechs Kinder versuchen es und landen mitschwersten Behinderungen oder Depressionen in Kinderpsychiatrien.

JENS LEHRICH: Das sind die Zahlen vor (CARSTENSTAHL: Vor-.) Corona.

CARSTEN STAHL: Und jetzt kommt noch derDruck durch die Pandemie dazu. Die Ängste, die Nöte, et cetera. Wir hatten nochnie so viele Suizide von Kindern und Erwachsenen. Und da will ich verdammt nochmal, dass sich die Bundesregierung das auch eingesteht und darüber redet. Weilirgendwann-. Wir wollen hier keine Waage anlegen, aber es kann nicht sein, dassman die einfach vergisst. Und das werden noch viele, viele Menschen sterben undsich das Leben nehmen oder zumindest Depressionen haben und Selbstmordgedanken,wenn erst mal die Insolvenzwelle kommen. Wenn man nämlich Insolvenz anmeldenmuss und alles verliert. Was macht das, was geschieht hier? Und das ist jaweltweit. Da ist ja eine solche Dynamik an Kettenreaktionen dahinter, in soeiner Krise-. Also nur noch Krieg kann schlimmer sein. Aber es ist eine Form.

JULIA REINHARDT: Also ich würde es auch,wenn ich da mal kurz einhaken darf? (JENS LEHRICH: Ja, ja. Natürlich.) Ichwürde es auch nicht nur so auf der materiellen Ebene sehen, was natürlich einganz wichtiges Thema ist. Weil das sind Stressfaktoren, das sind totaleStressfaktoren, Insolvenz, Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und so weiter.

JENS LEHRICH: Das erhöht ja auch danndie Aggressivität.

JULIA REINHARDT: Absolut.

CARSTEN STAHL: Verzweiflung.

JULIA REINHARDT: Absolut. Genau,Verzweiflung, Frustration und so weiter. Was ich berichten kann, ist, also vonmeiner Arbeit, von meinen Klienten-. Das ist sicher kein breites Spektrum, weilbei uns ja wirklich nur ein ganz kleiner Ausschnitt landet, von Menschen, dievielleicht bereit sind, an sich zu arbeiten. Und selbst die berichten, dass sieAngst- und Panikattacken, dass die in die Höhe steigen. Dass es auch Menschensind, die vorher schon vielleicht in einer psychotherapeutischen Behandlungwaren, die Medikation gebraucht haben, die aus Sorge vor Ansteckung nicht mehrzum Arzt gehen, ihre Therapie schleifen lassen. Angst- und Panikattacken, wasich gerade angesprochen habe, die verstärken sich, das sind Trigger, diegesetzt werden. Also das ist schon eine sehr, sehr schwierige Situation.

JENS LEHRICH: Frau Müller, war Ihnen das bewusst so? Also Sie sind ja quasi mitWeltvision, sind Sie ja schon fast ein Gruß aus der Zukunft. Also Sie wolleneine bessere Welt bauen, aber war Ihnen das klar? Also bekommen Sie das auchmit?

MAYA MÜLLER: Also auf jeden Fall. Ichkomme ja jetzt auch nicht nur aus so einer Medienebene, sondern ich bin aus demHintergrund noch zusätzlich Sozialarbeiterin und habe in den letzten Jahren mitschwer erziehbaren Jugendlichen gearbeitet. Deswegen bin ich da schon sehr nahedran, auf jeden Fall. Ja, ich spüre wahnsinnig viel Betroffenheit und dieseBetroffenheit ist natürlich was, was uns auch alle sehr viel begleitet, nebender täglichen Begegnung. Und gleichzeitig merke ich aber, ich bringe eben auchdiese Perspektive davon, dass ich es wahnsinnig als Chance sehe. Also ichglaube, dass wir gerade an so einem Punkt sind, wo wirklich sich genau diesesaufgedeckt hat. Themen, die davor schon sehr prägnant waren und sich jetzt sozeigen und man jetzt sagen kann: Jetzt sind wir alle dran. Und das richtet sichan alle und können jetzt was neu machen.

JENS LEHRICH: Also sie meinen so, soCorona als so ein Brennglas, also das-?

MAYA MÜLLER: Auf jeden Fall, ja. Und dafinde ich es gleichzeitig auch sehr inspirierend, jetzt hier zusammenzusitzenoder das auch nach draußen zu senden. Das, was da jeder reingeben kann, ja.Also weil ich bin höchstpersönlich eher mit Themen von tiefer Betroffenheit,Traurigkeit, Aggression, konfrontiert und wir alle sind davon übergeben. Und esist für mich auch immer die Frage, was will ich da reingeben? Und da komme ichjetzt aus einer Perspektive mit Medien, also was müssen Medien eigentlichsenden, mit was müssen sie sich beschäftigen, dass wir in eine hoffnungsvollePosition kommen? Ja, und das ist jetzt zum Beispiel was, womit wir uns beiWeltvision auch beschäftigen oder weswegen ich hier so eine Runde wertvollfinde, wo ein Austausch stattfinden kann. Und ja, ich denke, dass wir da wasganz neu denken könne, also auf tiefere Ebenen kommen. Und die Veränderungfindet gerade bei Emotionalität statt. Und ich glaube, dass wir da auch, jederganz persönlich, dazu aufgerufen ist: Was mache ich in jeder Begegnung? Alsomir ist es zum Beispiel passiert, ich war am Bahnhof und hatte meine Maske,wegen Atmen habe ich die ein bisschen runtergenommen. Und dann kam eine Frauund die ist total in Rage geraten und die hat mich wirklich körperlich bedroht.Und also sie hat gesagt, wenn ich jetzt nicht die Maske hochziehe, dann trittsie mich. So in die Richtung ging das. Und das wäre (JULIA REINHARDT: … #00:22:31#.) natürlich so einMoment, wo man voll zum Beispiel in Gegenaggression geht, auch oft. Und da habeich dann das natürlich auch aus meiner Erfahrung oder so meinem Beruf, habe ichdann ihr also eine Resonanz gegeben, habe gesagt: „Boa, das finde ich jetzt ganzschön schockierend.” Und das Ergebnis davon war, dass dann ganz vielEmotionalität aus ihr rauskam und die Situation gut geklärt werden konnte. Unddamit meine ich quasi, dass-, Veränderung findet auf allen Ebenen statt, ja.Also da können wir in der direkten Begegnung was tun und im Großen und, dassjeder so da seinen Punkt findet: Wo kann ich eigentlich ansetzen?

JENS LEHRICH: Die Medien, Herr Stahl. Siearbeiten selbst für einen großen Sender, RTL Zwei.

CARSTEN STAHL: Als Experte bin ich füralle Sender grundsätzlich tätig, weil du kannst keine Exklusivität bei einemThema, wenn du jemand bist, der für den Kinderausschuss arbeitet, ja. Und ja,die Medien-.

JENS LEHRICH: Ich wollte nur daraufhinaus, weil das ja so auch so-. Also welche Rolle spielen die Medien und dieVerantwortung.

CARSTEN STAHL: Die Verantwortung derMedien ist ein sehr, sehr zentrales Thema. Weil die Medien natürlichBeeinflussung, beeinflussen können. Sie können sowohl Aufklärer sein, diekönnen aber auch Brandstifter sein. Und diese Verantwortung tragen noch ineinem viel größeren Maße Vorbilder. Vorbilder für die Jugend und für dieGesellschaft, denn ein Vorbild kann genau das gleiche. Und das noch in einerviel höheren Glaubwürdigkeit. Wenn ein Vorbild sich hinstellt, sagen wir malzum Beispiel, und selber extrem mobbt im Internet, dann ist es unheimlichschwer, gegen Mobbing zu kämpfen. Wenn es Menschen gibt, der damit einemmillionenfachen Publikum beheitern und eigentlich im Endeffekt suggestieren:Das kannst du mit allen machen. Gibt es ja nur ein paar prominente Beispiele,die könnte ich jetzt sagen. Aber jeder, der da draußen jetzt zuhört, weiß, vonwem ich rede, ist nur einer von vielen TV-Sendungen. Nehmen wir TV-Sendungen,die ich letztes Jahr sogar angezeigt habe. Einfach, warum? Damit mal allen klarwird, das ist nämlich das, was sie da meinte, was machen wir hier eigentlich?Wo geraten wir hin? In jeder Krise ist eine Chance, das ist das, was Siemeinen. In jeder Krise ist eine Chance. Die Frage ist aber, dass wir, wenn wirin einer Krise sind, uns der Fehler auch bewusstwerden und sie auch annehmenund sie verbessern wollen. Und nicht sagen, wir überwinden jetzt irgendwie dieKrise und dann machen wir mal schön den Deckel des Schweigens darauf und daswar es. Nehmen wir ein prominentes Beispiel: Kasia Lenhardt. Ich betreue dieFamilie, ich war mit auf der Beerdigung und vor zwei Tagen hatte sieGeburtstag. Und das habe ich viral begleitet, um einfach in Gedenken an sie inAufmerksamkeit zu bringen, wohin wir geschehen-. Wenn eine prominentePersönlichkeit aus Wut, Verzweiflung, Ignoranz, Dummheit, einen Ball lostrittoder einen Schneeball, der durch die Medien, die es dann aufgreifen, zu einerLawine wird, unterstützt durch Millionen in einem Netz, die eine Frau so an denAbgrund bringt, dass sie sich das Leben nimmt. Und darüber wurde dannberichtet, was sie angeblich gemacht hat und was nicht. Aber als sie zu Todekam durch diese Welle, haben sich alle abgewandt, die ja mitschuldig waren(pfeift eine Melodie): Ich habe nichts gemacht. Hat keiner darüber berichtet.

JENS LEHRICH: Also keiner wollte an derHetzjagd beteiligt haben.

CARSTEN STAHL: Nein, eben nein, natürlichnicht. Weil dann müsste man ja zugeben, man hätte Fehler gemacht. Und genau,man kann nur etwas ändern, wenn man nämlich auch zugibt, dass man Fehlergemacht hat. Ich war an deiner Schule (wendet sich an B3). Was war das erste, wasich gemacht habe?

ALEXANDER LÖHER: Gute Frage. Erstmalziemlich offensiv da reingegangen, mit Schimpfwörtern, mit allem Möglichen, zuBeginn. Was es denn alles gibt für Möglichkeiten und auch die Jugendlichen maldie Schimpfwörter zu nennen. Ich erinnere mich, wie Sie da (?gesagt haben): „Sagedoch einmal ein Schimpfwort.” Das war ein Fünftklässler, Sechstklässler, derwusste Wörter, die weiß ich als Zwölftklässler auch.

CARSTEN STAHL: Es ging um dasSichtbarmachen.

ALEXANDER LÖHER: Genau.

CARSTEN STAHL: Und das Entscheidende ist,wo war die Jugend auf Augenhöhe abgeholt? Das Allererste, was ich nämlichgemacht habe, um sie dazu zu bringen, zu erkennen, ist, dass ich mich selberhingestellt habe und gesagt habe: „Ich selber habe Mobbing erlebt. Habe Mobbingbetrieben und habe mitgemacht.” Und wenn du dich mit den Jugendlichen oderüberhaupt mit der Gesellschaft auch auf Augenhöhe begibst und nicht von obenherab, dann erreichst du nämlich eine ganz andere Glaubwürdigkeit. Weil dasThema ist einfach das Entscheidende. Du kannst, wenn du etwas verändern willstin dieser Gesellschaft, das kam da auch gut, brauchst du das Wort Empathie.Wenn du in der Gesellschaft-.

JENS LEHRICH: Den anderen verstehen.

ALEXANDER LÖHER: Na klar.

CARSTEN STAHL: Überhaupt verstehenwollen. Veränderungen in unserer Gesellschaft funktionieren nicht in ersterLinie über den Kopf. Du musst im Herzen berühren, dass der Kopf versteht, dassdas, was wir da tun und was andere tun, falsch ist und wir es ändern wollen.Und die Politik denkt meistens nur mit dem Kopf und mit Interessen, die überdem Herzen stehen. Kinder sind keine Sachen. Kinder haben in Deutschland keineLobby. Meine, kann doch nicht sein, dass man über Kinderschutz diskutieren undverhandeln muss.

JENS LEHRICH: Ja, vor allem, wo ist derKinderschutzbund, wenn es um Themen wie Masken, Testen und alles-.

CARSTEN STAHL: Ja, soll ich Ihnen wassagen, ich habe E-Mails bekommen, wo mir Eltern gesagt haben, wenden Sie sich-.Die sind an bestimmte große Organisationen gegangen, die haben gesagt: „WendenSie sich mal bitte an Herrn Stahl, der ist da anders.” Warum? Weil ichvielleicht null Förderung aus Bund und Land bekomme, aber andereKinderschutzorganisationen bekommen die Förderung und wollen vielleicht nichtden beißen, der fördert. Ich finde das sehr traurig, weil eigentlich geht es jaum die Zukunft unseres Landes. (JENS LEHRICH: Also-.) Und die Zukunft unseresLandes, die sitzt da. Und die noch darunter sind, die Kinder, und die werden sogut wie gar nicht geschützt. Wobei da auch andere Kräfte, Frauen, Behinderte-.Wieviel Menschen sind an Vereinsamung gestorben?

JENS LEHRICH: Das sagt ja auch ManfredSpitzer immer, der Hirnforscher, der sagt, das ist die Todesursache überhaupt.

CARSTEN STAHL: Deswegen sage ich, es isteine Chance darin, gebe ich dir vollkommen Recht. Aber, die Chance zu nutzenbedeutet, sich selbst einzugestehen: Es wurden Fehler gemacht und zwar schon inder Vergangenheit. Und wir müssen diese Fehler erkennen und beheben und neuanfangen.

JULIA REINHARDT: Und dafür braucht es aberMut und vor allem das so wichtige Stichwort Eigenverantwortung undSelbstverantwortung. Wenn ich-.

JENS LEHRICH: Das ist ein wichtigerPunkt.

CARSTEN STAHL: Ja.

JULIA REINHARDT: Genau. Und-.

JENS LEHRICH: Die Bereitschaft dazu. (JULIAREINHARDT: Einmal die Bereitschaft-.) Und das Erkennen.

JULIA REINHARDT: Genau. Und ich denke, dasgeht-. Da fängt es wirklich an. Und wirklich diesem Schritt zu machen und daszuzulassen, dass ich mir an die eigene Nase greifen muss. Und ob das in derArbeit mit meinen Klienten ist oder wie du das jetzt sagst, ob es vielleichteine gesamtgesellschaftliche Geschichte auch ist. Es braucht immer wieder dasThema der Eigenverantwortung.

JENS LEHRICH: Also welchen Anteil habeich daran auch.

JULIA REINHARDT: Was ist mein Anteil andieser ganzen Kiste hier? Ja, genau. Und im Grunde, die Antwort auf diese Fragebringt mich persönlich, und jetzt bleiben wir wirklich mal bei uns im Kleinen,im Mikrokosmos, bringt mich relativ schnell wieder ins Gleichgewicht. Und dannkönnen wir das übertragen auf die nächste Ebene. Und das Thema ist, sich dasselbst einzugestehen und dafür die Verantwortung zu übernehmen. Und StichwortEmpathie: Empathie ist ja so viel mehr als Verstehen. Das ist ja eben (JENSLEHRICH: Fühlen.) genau dieses sich einfühlen und dieses, stelle dich mal indie Schuhe des anderen. Und gucke, versuche mal nachzuempfinden, wie es ihmgeht.

JENS LEHRICH: Ja, vor allem auch da, dassage ich immer, Empathie da, wo es auch wehtut. Also Empathie mit Menschen, dieman mag, ist einfach, aber jemanden zu verstehen, den man nicht mag, das istdie Empathie, die also eigentlich-. Die echte Empathie, oder die, die uns auchweiterbringt.

JULIA REINHARDT: Genau. Oder es zumindestzu versuchen, zu verstehen. Also ob es einem gelingt, das weiß man ja vorhernicht.

CARSTEN STAHL: Die Bereitschaft dafür, esüberhaupt zu versuchen.

JULIA REINHARDT: Genau. Wir versuchen esund ob es gelingt, das werden wir dann sehen. Aber zumindest diese Bereitschaftund das öffnet ja schon wieder was beim Gegenüber.

JENS LEHRICH: Hier wurde jetzt geradeschon ein paar Mal geduzt untereinander. Ich kann das übrigens gerne anbieten,wollen wir uns lieber duzen? Ist das okay?

JULIA REINHARDT: Ja, ja.

CARSTEN STAHL: Macht die Sache einfacher.

JENS LEHRICH: Macht die Sache vielleichteinfacher. Gut, dann sind wir jetzt alle per Du. (reihum wird gelacht) Ohne,dass wir miteinander anstoßen. Ich glaube, das dürfen wir auch im Moment garnicht. Obwohl, mit Wasser ist erlaubt, oder? Aber Alexander, ich würde gernenoch mal hören, wie das Projekt jetzt weitergegangen ist dann an deiner Schule.Also welche Erkenntnisse habt ihr daraus gewonnen, was Carsten euch beibringenkonnte und vor allem, wie nachhaltig war das Ganze? Also was ist da passiert?

ALEXANDER LÖHER: Ich glaube ich meine nichtdas-, gleich, beantworte ich gerne die Frage. Ich glaube, man muss für Empathiesorgen, für Verständnis. Ich glaube, du kamst in unsere Schule und dieSchülerinnen und Schüler abgeholt hast, an einem Punkt X, sie mitgenommen hastin deine Geschichte, die du uns ja erzählt hast, hast du ein Verständnisinnerhalb der Schule, wie es nicht gehen soll, ohne dir zu nahe treten zuwollen. Aber es ist ja ein Fakt eigentlich, wie es nicht gehen soll. Durchdieses Verständnis, dass du die Leute abgeholt hast, am Punkt X, kannst du wasbewirken. Weil jeder eigenverantwortlich sich da überlegt: Jemanden zu mobbenist nicht zielführend. Und da sind wir jetzt bei dem Ergebnis, was durch unser Anti-Mobbing-Seminarbewirkt wurde. Das war nun mal, dass die Rate an Mobbing bei uns an der Schulenachhaltig gesunken ist. Ich stehe ja regelmäßig in dem Austausch mit denSchulleitern und sie ist deutlich gesunken. Mobbing ist nicht mehr so präsent,weil halt viele, auch gerad die unteren Jahrgangsstufen, denen ist natürlichpräsent, dieses mal Anti-Mobbing-Coaching zu haben. Darüber gesprochen zuhaben. Und man spricht auch in den oberen Jahrgangsstufen schon darüber und esbewirkt was. Weil man für Transparenz gesorgt hat, man hat für Verständnis inder breiten Masse der Schule gesorgt und darüber mal angefangen, über diesesThema zu reden.

CARSTEN STAHL: Ganz interessant, das habeich ja damals da auch gesagt, ich gebe ja den-. Es hat ja einen bestimmtenAblauf, den wir machen, ich arbeite ja nicht nur mit den Schülern. Sondern, ichfange an, mit den Schülern zu arbeiten, da sind die Lehrer anwesend. Die müssenja auch sehen, was passiert. Weil manche Lehrer sagen: „Ich glaube eigentlich,in meiner Klasse ist das nicht so präsent.” Aber die meisten öffnen sich nichtund sagen es nicht. Deswegen ist es wichtig, dass die Lehrer mit anwesend, wenndie Schüler sich öffnen. Das heißt, der erste Teil ist so. Und dann mache ichimmer noch zum Schluss: Wer möchte denn was sagen? Und das habe ich da extremerlebt, weil es auch da, genau wie bei Mobbing, eine Gruppendynamik entsteht.Dann kommt einer nach oben, allein, steht dort und erzählt. Ich habeangefangen. Meine Geschichte ist sehr emotional und sehr traurig, meine eigene.

JENS LEHRICH: Da kommen wir noch späterdarauf.

CARSTEN STAHL: Also durch meinen Mutöffnen sich andere. Dann kam der Erste, erzählte. Alle waren in sich gekehrt,schockiert, klatschen für den Mut. Der Nächste, der Nächste. Ich mache es malkurz. Nach 50Leuten-. (ALEXANDER LÖHER: Mussten wir aufhören.) 50Leuten mussteich sagen, wir können jetzt ewig weitermachen. Es waren 800. 50, die Schlangestanden und alle ihre Geschichte erzählt haben. Warum? Weil ich mich geöffnethabe und alle abgeholt habe und die Schule bereit war, zu erkennen, alle, mitden Lehrern, mit der Schulleiterin: Wir müssen mit dem Thema umgehen, wirmüssen uns verändern. Dann sind die Schüler nach Hause gegangen und dann sitzeich im Nachgang mit den Lehrern da und mache einen Workshop. Das Gesehene zuverarbeiten, nachhaltige Tipps zu geben. Weil ich immer mit der ganzen Schulearbeite, da waren es 800 Schüler, in der größten Veranstaltung waren es 2800.Waren sechs Schulen. Aber es in die Klassen zu tragen-. Ich sage immer wiederzu den Lehrern: „Jetzt wisst ihr es, ihr könnt damit arbeiten. Ihr dürft jetztnicht sagen, das war eine Veranstaltung, das war es. Nein, ihr müsst esnachhaltig in die Klassen tragen.” Prävention ist wie Mathe, Physik undDeutsch. Es sitzt nicht beim ersten Mal. Es muss nachhaltig immer wieder zusagen-. Und der Vorteil ist, wenn jemand wie ich da war, dass man sagen kann: „Sagtmal, ihr habt gehört, was Carsten erzählt hat oder?” Dann gibt es noch ein Riesen-Mobbingplakat,darauf kann man hinweisen. Das hängt in jeder Klasse. Und es macht was mit denKindern, und zwar nachhaltig und zielgerichtet. Und jetzt, das habe ich dajetzt nicht gemacht, weil zeitmäßig war es da nicht-. Jetzt kommt die drittewichtige Komponente. Abends den Elternabend. Ich hole-. Die Eltern, die kommenund die kommen ja bei einer prominenten Persönlichkeit meistens doch mehr. 60bis 80 Prozent. Dann habe ich die Eltern dort und erkläre den Eltern, was heutegeschehen ist und rede über Verantwortung. Und sage: „Ich weiß, liebe Eltern.Uns Eltern fällt es manchmal sehr einfach, zu sagen, das muss ja der Lehrermachen. Aber ich zeige euch jetzt mal was: Das hier (hält Smartphone hoch) hatnicht der Lehrer gekauft. Das haben wir unseren Kindern in die Hand gedrücktund das hier ist eine Waffe. Und wenn wir unseren Kindern nicht gezielt erklären,dass damit auch sehr schlimme Dinge passieren können, dann verlieren wir unsereKinder. Und jetzt Regel Nummer eins für alle Eltern der Welt: Respekt undToleranz beginnt im Elternhaus. Es wird vorgelebt, die Eltern sind dieVorbilder der Kinder. Wir müssen es vormachen und dann können wir darauf auchaufbauen. Ihr könnt nicht verlangen, dass die Lehrer das tun, wenn sie es nochnebenbei tun. Es ist gut, aber wir müssen es vorgeben. Wir haben sie in dieWelt gesetzt, wir tragen die Verantwortung für Sie. Und deswegen ist es sowichtig, zu helfen. Lehrern, Schülern und den Kindern, also den Eltern. Weilalle sind Teil des Problems, aber sie sind alle Teil der Lösung.

MAYA MÜLLER: Ich finde, dass wir-.

JENS LEHRICH: Maya, bitte.

MAYA MÜLLER: Ich finde, dass wir daauch gerade wieder bei so einem ganz wichtigen Thema von gesellschaftlicherVerantwortung sind. Also das ist-, im Kern geht es sehr darum, dass wir geradefür junge Menschen, beziehungsweise auch für Menschen, die verletzlicher sindund das betrifft tatsächlich auch alte Menschen, … #00:36:18#. Und an deinem Beispiel finde ich sehr schönzu sehen, dass du alle ins Boot geholt hast, ja. Also du hast mit allenParteien gesprochen und ich glaube, dass das was extrem Relevantes ist, weil esist nicht so, dass wir jetzt hier gerade über Jugend sprechen. Ja. Sondern, dasgeht, im Endeffekt richtet sich das auch an den Jugendlichen oder an den jungenMensch in uns allen, der wir mal waren oder sind, eigentlich. Und das istunsere Zukunft und da müssen wir uns die Frage stellen, auch auf der Ebene vonSchule: Was für Räume brauchen wir? Eigentlich brauchen wir Räume, die Empathiefördern, die sich mit sowas beschäftigen, ja. Nicht die Konzepte vorgeben undjedes Kind rechnet jetzt das und das und muss das so gelernt haben, sondern imEndeffekt brauchen wir ganz neue Ebenen, die tiefer gehen, um daraus eineselbstermächtigte Gesellschaft zu bekommen. Und das ist die Jugend und da kannich auch so aus meiner Erfahrung, jetzt als Sozialarbeiterin, sagen, ich führemit schwer erziehbaren Jugendlichen, führe ich Gespräche, wo ich von den Sockenbin, was die an Konfliktlösungskompetenzen einbringen. Wenn sie denentsprechenden Raum dafür bekommen. Und, also so meine Botschaft ist, wir habenda jetzt eine heranwachsende Generation oder Generationen, die bringenunglaublich viele Kompetenzen mit. Die sind wunderbar. Wir haben ältereGenerationen, die schon sehr viele Kompetenzen haben. Die Frage ist, wie wollenwir das nutzen und was für Räume wollen wir da eigentlich gestalten?

ALEXANDER LÖHER: Ich glaube, das-. (JENS LEHRICH:Alexander.) Das geht ja schon an der Schule los. Wenn man sich überlegt, dubist Sozialarbeiter, hast Soziologie wahrscheinlich auch studiert in dieRichtung.

MAYA MÜLLER: Soziale Arbeit.

ALEXANDER LÖHER: Danke schön. Wenn wir das schon manan jeder Schule hätten, dann wären wir ja schon mal einen Schritt weiter. Dasgeht ja schon mal da los, dass wirklich meistens, es gibt Ausnahmen, meistenswirklich nur Brennpunktschulen Sozialarbeiter haben. Was selten gesehen wird,da kann man auf-, bundesweit sehen, auch an Schulen-. In normalen, bürgerlichenWohngebieten, was weiß ich, da ist das ja nicht immer besser.

CARSTEN STAHL: Mobbing ist überall.

ALEXANDER LÖHER: Mobbing ist überall. Um noch malauf dich kurz da einzugehen: Wir hatten-, um nochmal einen Themenaspekt mitreinzubringen. Wir hatten ja geplant, das Ganze nochmal für den Bezirküberregional aufleben zu lassen. (CARSTEN STAHL: Danach, nach derVeranstaltung.) Genau. Danach. Nach dem Vortrag, weil ich das als sehr sinnvollerachtet habe. Wir haben auch miteinander telefoniert gehabt und dann kam diePandemie. Und diese Thematik, warum ich teilweise, bin ich auch ehrlich, dannnicht mehr mich zurückgemeldet habe, aus dieser, aufgrund der Tatsache, dassich nur noch mit der Corona-Situation-. Ich habe nur noch mit dieser Situationgearbeitet. Wie geht es den Schülern? Was braucht es jetzt? Es ist wirklich aufPlatz eins gerutscht, seit einem Jahr. (I oder CARSTEN STAHL: Überall.) Die andereThematik-. Ich hätte ja gerne dieses Projekt weitergeführt, erstmal. Das heißtja nicht, dass wir es nicht machen werden. Aber diese Thematik Mobbing isteinfach erstmal so weit in den Hintergrund gerutscht und wenn ich überlege: Wiegeht es den Jugendlichen? Dann muss ich erstmal versuchen, die Schüler zuvertreten. Wie läuft der Unterricht, wie geht es dir psychisch? Was kann ichtun? Und diese Thematik Mobbing ist erstmal sehr weit in den Hintergrundgerutscht.

CARSTEN STAHL: Aber das krasse dabei ist ja: Sieist zwar durch Corona in einem Nebel, aber hat sich gleichzeitig verdreifachtin das Handy tapeziert.

ALEXANDER LÖHER: Hat, wie gesagt, sich verlagert.

CARSTEN STAHL: Und dort ist die Gewalt, also dieGewalt, die verbale Gewalt und der Psychoterror noch viel extremer, gezielterund schneller. Und es strahlt sich aus. Das heißt, das Problem ist exponentiellnoch viel höher und abgelenkt durch ein Thema, was natürlich verarbeitet werdenmuss. Und das hat er gerade gut gesagt, wir sind hier in Berlin gutaufgestellt. Das muss ich mal für unsere Stadt sagen, wir haben eigentlichnahezu an fast jeder Schule einen Sozialarbeiter. Aber bundesweit gesehenvollkommen richtig, es sind oft nur an Brennpunktschulen solche Themen. Undjetzt komme ich mal zu den Zahlen: Wir haben jede Woche in Deutschland 500 000bis eine Million Fälle, ohne Cyber-Mobbing und ohne-, vor der Pandemie. 500 000bis eine Million Fälle, jede Woche. (JENS LEHRICH: Pro Woche?) Pro Woche an Schulen,bundesweit. Das heißt, wir haben zwischen 30 und 50 Millionen Fälle. Und da istCyber-Mobbing noch nicht mal drin. So. Und die Zahlen sind vor 2006 schon gewesen,da gab es nämlich diese Smartphones noch gar nicht. Ja, die kamen erst 2010.Also das heißt, wir reden hier von extrem hohen Zahlen. Das große Problem ist,dass die Hälfte aller Schulleiter, du erinnerst dich? Die Hälfte allerSchulleiter die Angst um den Ruf der Schule und ihre eigene Position haben,sagt: „An meiner Schule gibt es kein Mobbing.” Ich saß in so einer Talkshow malmit einem Schulleiter und da sagte der zu mir: „Also wissen Sie, Mobbing istnatürlich ein Thema, das kenne ich. Aber wir haben das nicht an der Schule.”Ich sage: „Wieviel Schüler haben Sie denn an der Schule? Wie viele Schülerhaben Sie?” – „450.” – „Gut. Dann tun Sie mir doch mal einen Gefallen.Schreiben Sie mir mal jetzt alle 450 Namen Ihrer Schüler auf, Vorname undNachname.” – „Ja, wie soll ich das den machen?” Sage ich: „Weiß ich nicht, wieSie das nicht können. Sie können mir doch auch sagen, was Ihre Schüler 365Tage, 24 Stunden am Tag machen. Können Sie nicht mal das aufschreiben, was inIhrem Computer steht? Was Sie wissen, was Sie jeden Tag sehen können. Nein.Jeder Schulleiter, der in Deutschland sagt, an meiner Schule gibt es keinMobbing, der lügt.” Aus Angst, als Problemschule da zu stehen und aus Angst umseine eigene Reputation. Und das krasse ist, ich kann ihn ja auchnachempfinden, warum. Weil er von oben im Stich gelassen wird. Ich war amDonnerstag im Landtag in Sachsen, habe das Thema Mobbing letztes Jahr imOktober in Brandenburg auf den Tisch gebracht. Die wollten das nicht, ich habees hingebracht. Jetzt war es in Sachsen: Sie wollten es nicht, ich habe eshingebracht. Und dadurch bin ich ja wie so ein Nestbeschmutzer. Nehmen wir malBrandenburg letztes Jahr: Wir bringen das Thema ein, über eine Partei. Wirschreiben den Gesetzesentwurf, um nicht zu beschreiben, ich. Und wir bringenden rein. Was man verändern muss, wo es wichtig ist. Schulung der Lehrer und,und, und, und, und. Was wichtig ist. Sieben Sachverständige sitzen da und sagenzu der zuständigen Ministerin und allen, die für Bildung zuständig sind inBrandenburg, wo es hapert und, dass es wirklich ein extremes Thema ist. Oh. Ah.Oh. Ah. Ein Monat später lehnen sie sang- und klanglos den Gesetzesentwurf undden Antrag ab. Obwohl sie alle gehört haben, Suizide, Gefahr, Gefahr, Gefahr.Ich rede jetzt von Brandenburg, das ist woanders nicht anders. Jetzt kommt dasWahljahr, es sind zehn Monate vergangen. Ich habe wieder Druck gemacht, bin dagewesen. Jetzt bringen die führenden Parteien …#00:42:43#, die führendenParteien letzte Woche fast eins zu eins den gleichen Antrag ein und verkaufenden als ihren mit ihren Parteilogos. Um was geht es hier? Geht es hier um denSchutz der Kinder oder um politische (JENS LEHRICH: Machtspiele.)Machtspielchen? Kinderschutz darf keine Parteibuchfarbe haben, darf keinepolitische Partei kennen. Kinderschutz und auch Lehrerschutz, denn es werden janicht nur die Kinder Opfer von Mobbing, sondern es werden auch Lehrer extremOpfer von Mobbing. Wir hatten ja über 40 000 Gewalttaten gegen Lehrer, im Jahrvor der Pandemie. Es gibt aber auch Mobbing von Lehrern gegenüber Schülern. Unddas ist ein gewaltiges Thema, das es, übrigens immer wieder, um eine Breschefür alle Schulleiter Deutschlands zu schlagen, die davor Angst haben. Mobbingist kein Problem der Schule, sondern der Gesellschaft. Es gibt in allengesellschaftlichen Schichten, auf jeden Ebenen, in der Politik, in den Firmen:Überall ist eine Gewalt ein Problem. Aber es beginnt natürlich teilweise schonin der Kita klein, in den Grundschulen stärker und unaufhaltsam, ungreifbar inden Oberschulen.

JENS LEHRICH: Ich würde einmal hier kurz gerneeine kleine Zäsur setzen. Weil ich würde euch gerne auch noch ein bisschenpersönlicher kennenlernen und ich würde gerne mit Julia anfangen. Wie kommt manals Kriminologin dazu, quasi bei häuslicher Gewalt zu helfen?

JULIA REINHARDT: Naja. Kriminologie ist ja die Lehrevom Verbrechen, im wörtlichen Sinne. Und ich betreibe ja Täterarbeit, also icharbeite mit denen, die die Gewalt ausüben. Und in der Regel sind dasStraftäten, die verübt werden, auch in meinem Bereich. Aber nicht nur, unserVerständnis von Gewalt orientiert sich nicht nur am Strafgesetz. Aber da, sageich mal, ist das abweichendes Verhalten im weitesten Sinne und da kommt derBogen wieder zur Kriminologie. Wir fragen nach dem Warum, um vielleichtVeränderungsprozesse in Gang setzen zu können und das passt wieder zu demThema, was wir vorhin sagten. Ich versuche, zu verstehen, und ich versuche auch,zu verstehen und nachzuvollziehen bei meinen Klienten: Warum tun sie das, wassie tun oder haben sie getan, was sie getan haben?

JENS LEHRICH: Ohne zu verurteilen?

JULIA REINHARDT: Verstehen, nicht, Verständnishaben. Das ist ein himmelweiter Unterschied und den möchte ich bitte auch immerwieder betont haben. Ich versuche, zu verstehen, ohne Verständnis zu haben. Ichhabe Null Verständnis für Gewalt. Zero. Zero tolerance. Aber wenn ich etwasverändern möchte, muss ich ja verstehen, warum findet das so und so statt. Wennich mir dieses Warum nicht beantworten kann, dann habe ich keineArbeitsgrundlage. Weil, woran soll ich denn arbeiten dann, mit meinem Klienten?

ALEXANDER LÖHER: Da sind wir wieder bei Transparenz.

CARSTEN STAHL: Und das Interessante ist ja, dasswir genau diese Konstellation hier haben. Hier sitzt der Täter, der Extremtäter,Gewalttäter. Nicht gegen Frauen nicht gegen Kinder, aber (JULIA REINHARDT:Genau.) genau.

JULIA REINHARDT: Du hast Gewalt ausgeübt und es gehtum wieso-.

CARSTEN STAHL: Und warum? Man muss ja nach demUrsprung gucken. (JULIA REINHARDT: Ja.) Keiner wird als Krimineller, also als Gewalttäter-.

JENS LEHRICH: Keiner (JULIA REINHARDT: Genau.) kommtals Gewalttäter auf die Welt.

CARSTEN STAHL: Niemand.

JULIA REINHARDT: Ja.

JENS LEHRICH: Er wird dazu gemacht.

CARSTEN STAHL: Auch nicht als Rassist.

JULIA REINHARDT: Nein. Nein. Ganz wichtig. (JENSLEHRICH: Okay.) Muss ich sofort ich sofort reinquetschen.

JENS LEHRICH: Ja, bitte, gut, also ich-.

JULIA REINHARDT: Nein. Es ist auch, also das hat wasmit der Haltung zu tun. Und wieder, Stichwort: Eigenverantwortung, sich an dieeigene Nase zu fassen. So wie ich zum Beispiel niemals frage, in einemErstgespräch: „Was ist Ihnen denn passiert?” Das würde ich ein Opfer fragen.Aber das frage ich niemanden, der gewalttätig ist oder war. Sondern: „Was habenSie getan?” Niemand wird dazu gemacht, weil damit begebe ich ihn oder er sichselbst in die passive Situation und da kommt der nicht mehr raus. Und er gibtseine ganze Verantwortung ab und das ist die sogenannte Täterstrategie. AlsoSchuldumkehr-.

JENS LEHRICH: Verantwortung abzugeben. (JULIAREINHARDT: Verantwortung, Abwehr.) Nach dem Motto in meinem Fall: Vater warAlkoholiker oder also.

JULIA REINHARDT: Ja, genau. Genau. Das ist sichereine Erklärung und auch vielleicht eine sehr, sehr wichtige Erklärung, aber esist keine Rechtfertigung. Und niemand wird dazu gemacht, es ist immer eineEntscheidung, Gewalt auszuüben, die vielleicht (Fingerschnipsen) so getroffenwird oder noch schneller. Aber es ist eine Entscheidung. Mein Satz ist immer: Würdekitzeln wehtun, hätten Sie gekitzelt? Sie haben aber nicht gekitzelt und dafürgibt es einen Grund. Weil Sie genau wissen, was Sie mit Ihrer Gewalt, obverbal, strukturell oder körperlich, was Sie damit bewirken beim Gegenüber.

CARSTEN STAHL: Und dafür muss man zurückgehen, woer das erste Mal erlebt hat. Weil da liegen die Strukturen (JULIA REINHARDT:Genau.) wieso er es nämlich erlernt hat und wieso er es durchzieht.

JULIA REINHARDT: Ja.

JENS LEHRICH: Wie war das bei dir? Warum hast duGewalt ausgeübt?

CARSTEN STAHL: Also natürlich bin ich nicht als-,also das-. Ich habe ein wunderschönes Elternhaus gehabt, wir waren nur-, kommezwar aus Berlin-Neukölln-. Aber ich habe keinen Missbrauch erfahren und auchkeine Gewalt, ja klar, wir sind in den Siebzigern großgeworden, natürlich habe,wie wir alle wahrscheinlich-. Du vielleicht nicht (B3 lacht), aber einfach,auch mal ein paar auf den Hintern gekriegt, ja. Aber-.

JENS LEHRICH: Eine sogenannte Arschvoll, hieß dasbei mir.

CARSTEN STAHL: Der Arschvoll, ja. Oder denNackenklatscher. Aber keine Gewalt in dem Sinne, dass ich nicht wüsste, warum,und auch schon nicht im Übermaß. Aber das Entscheidende ist, ich bin einextremes Opfer von Mobbing gewesen. Von Mobbing in verschiedenster Variantenund Mobbing hat fünf Grundsäulen. Du weißt, habe ich damals erklärt. Da habenwir das Beleidigen, das schnelle Wort. In der heutigen Zeit sind Hurensohn undSchlampe die meistbenutzten Schimpfwörter. Sagen die mehr als Guten Tag, GutenAbend und Ich habe Hunger. Ja. Dazu kommt dann die körperliche Gewalt, dasSchlagen und Treten. Dazu kommt dann das Lästern, was mehr von der weiblichenSeite passiert, das ist nun mal so. Jungs sind deswegen ein bisschen schnellermit den Fäusten. Dann haben wir, was gar nicht bewusst ist, das Sachen kaputtmachen, Sachen wegnehmen, das Entwenden. Das ist ja irgendwas, wo jemand hängt,ja. Und dann das Erniedrigen, das Demütigen durch Auslachen. Nicht über einenWitz lachen, sondern das Auslachen, was extrem bloßstellt. Und ich habe allediese Formen als ganz junger Mensch erlebt. Als Zehnjähriger über Monate hinwegdrangsaliert worden, dort habe ich sehr, natürlich sehr intensiv erzählt, ohnezu erzählen, dass ich jetzt (?debil), den habe ich erzählt. Was einZehnjähriger mit rötlichen Haaren und vielen Sommersprossen, dickerer Junge,erlebt hat. Ich war etwas dicker, etwas kleiner, und man hat mich über einenwirklich sehr langen Zeitraum extrem gemobbt, beleidigt, geschlagen, abgezogen,also bestohlen. Mich genötigt, dass ich meinen Eltern Geld stehlen soll, sonstwürden sie mich viel mehr verprügeln. Wenn ich geklaut habe, haben sie mich inRuhe gelassen, wenn ich nicht geklaut habe, also es war extrem. Sachen kaputtgemacht, in eine Mülltonne kopfüber gesteckt, also extrem. Über Monate hinweg, binmit Angst zur Schule gegangen, ich hatte Bauchschmerzen, ich wollte immerzuhause bleiben, habe immer was erfunden. Ich bin Umwege gegangen, um nichtgleichzeitig zu mit den anderen zur Schule kam, was dann zur Folge hatte, dassich immer zu spät kam, viele Einträge bekommen. Keiner hat die Signale erkannt,keiner hat hinterfragt, warum die Noten fallen. Es war halt, wusste man nicht.Man hat so gedacht, ich bin faul, bin dumm oder was auch immer oder was manschnell abtut. Unabhängig davon, dass wir vier Kinder waren, das heißt, meineMutter hat natürlich auch nicht jedes, so ein Augenmerk bei manchen daraufhaben kann. Aber man hat mich so dermaßen fertiggemacht, das hat mal daringemündet, dass man mich mal in eine Grube geschmissen hat. Also besser gesagtgestoßen, rückwärts, drei Meter tief. Ohne zu überlegen, haben sie mich dareingestoßen. Ich bin aufgeschlagen, habe mir die Rippen gebrochen und bin so extremaufgeschlagen, du erinnerst dich, (ALEXANDER LÖHER: Ja.) dass mein Kopfaufgeplatzt ist. Und aus meinem Kopf kam Blut, das habe ich natürlich nichtgespürt, weil ich war ja in einem Dämmerzustand. Dann hat, das habe ich aber,das hätte ich nie vergessen-. Dann hat derjenige der, es waren im Durchschnitt,ich war zehn, viel kleiner, etwas dicker und die anderen waren zwischen 13 und15. Viel größer und kräftiger. Dann hat der, der das Sagen hat, das ist immereiner, der anfängt, zu allen gesagt: „Stellt euch mal in die Grube.” Das habendie dann getan, die haben immer getan, was er wollte, weil sie wollten jadazugehören. Er war ja der Anführer, sie wollten nicht ausgegrenzt werden odervon ihm vielleicht verprügelt werden. Jedenfalls hat er das gemacht und dannhat erst er und dann alle fünf, so zumindest in meiner Wahrnehmung, haben allefünf auf mich heruntergepinkelt. Auf diesen kleinen, weinenden, zehnjährigenJungen, der da unten erniedrigend, mit gebrochenen Rippen und Blut-. Also eskam ja Blut raus, das haben die ja gesehen. Und dann haben sie mich beleidigtund beschimpft und sind weggegangen. Jetzt hätte ich ja-. Da lag ich, jetzthätte ich, das war im Spätherbst, es wurde schon kühler, es wurde dunkler-. Ichhätte jetzt rufen können, hätte schreien können. Aber ich bin über Monatehinweg drangsaliert worden, ich wurde bedroht. Mir hat keiner geholfen, allehaben sie weggesehen und keiner hat es bemerkt oder bemerken wollen. Ich habenicht mehr geschrien, ich wollte nur noch schlafen. Ich wollte sterben. Ichwollte nicht mehr leben. Mit zehn Jahren. Und ich wäre da drin gestorben, wennich nicht mit dem Kopf auf dem Lehmboden gelegt hätte und der Lehmboden, durchdiesen starken Lehm die Wunde (JULIA REINHARDT: Verklebt hätte.) verklebt hättezum Teil und diesen Blutfluss unterbrochen hätte. Jedenfalls habe ich michzusammengezogen, habe keinen, habe nicht gerufen. Ich bin dann dort weggesacktund laut den Aussagen, was ich halt weiß, ist so gegen zehn ein alter Mann mitseinem Hund da langgelaufen und hat halt gesehen, dass dort diese Absperrungkaputt war und guckte da rein und der Hund hat irgendwie reagiert. Der hat eineTaschenlampe genommen, hat reinleuchtet und hat mich gesehen. Jedenfalls hatder den Krankenwagen, die Polizei gerufen, die mich rausgeholt haben. Ich habedas alles nicht mitbekommen und bin nach vier Tagen aus dem Koma erwacht, habeeine Bluttransfusion bekommen. Und dann fragte mich der Arzt, den kleinenzehnjährigen Jungen, was passiert ist. Und selbst im Krankenhaus habe ich ausScham und Angst, dass es noch schlimmer wird, gesagt: „Ich habe gespielt, bin dareingefallen.” Das habe ich erlebt. Und wie bin ich da rausgekommen? Mobbingging ja noch weiter und irgendwann, aus der Verzweiflung und dem Druck und ausmeinem ganzen Hass, der ja natürlich auch war, habe ich irgendwann, weil ich inder Ecke war, nicht mehr konnte, zurückgeschlagen, mit voller Wucht. Und sah,wie der andere ängstlich reagiert hat und diese Angst habe ich gesehen und dannbin ich nochmal ran. Und dann habe ich den da windelweich geprügelt. Und dashaben alle gesehen und von dem Tag an bin ich nie wieder angegriffen worden.Ich habe also gelernt: Wehre dich, benutze Gewalt. Das Schlimmste und Dümmste,was man machen kann, um zu überleben. Und von dem Tag an war Gewalt einlegitimes Mittel, ich habe es gerechtfertigt. Es wurde mir angetan, ich habe esanderen angetan. Gewalt wurde zu meiner Lösung und ich habe meine Konflikte,die ich hatte, immer mit Gewalt gelöst. Obwohl ich wusste. Wusste, dass esfalsch war. Ich habe bewusst Gewalt angewendet, um nie wieder Schwäche zuzeigen.

JULIA REINHARDT: Und genau darum geht es in derArbeit. Das nachzuvollziehen.

CARSTEN STAHL: Genau. Sich selbst einzugestehen,dass man so ist. (JULIA REINHARDT: Genau.) So, ich drehe dich auch auf. (JULIAREINHARDT: Genau.) Ich war schuld.

JULIA REINHARDT: Ja. So das auch als derjenige, derdann vielleicht mit einem solchen Kind oder Jugendlichen arbeitet oder miteinem Erwachsenen, ist ja egal. (CARSTEN STAHL: Wie wir bei den Schulen-.) DieFrage nach dem Warum. Und das hat nichts damit zu tun, dass wir sagen: „Ja,dann, also du bist ja auch ein Armer und das ging ja auch nicht anders.”Sondern zu gucken, wo können wir ansetzen?

CARSTEN STAHL: Dass die anderen das nicht tun.

JULIA REINHARDT: Ja, ganz genau. Ganz genau. Undpräventiv eben tätig sind. Und kriminologisch betrachtet unterscheiden wir verschiedeneArten von Prävention. Also nicht nur das im Vorfeld, sondern auch imNachhinein, um vielleicht dann zukünftige Taten zu verhindern. Oder eben (CARSTENSTAHL: Hat man bei mir auch nicht.) die Kinder von den Eltern, die zu mirkommen, dass die nicht wiederum gewalttätig werden.

CARSTEN STAHL: Ich bin ja dadurch, um das nur soabzuschließen-. (JENS LEHRICH: Ja, natürlich.) Ich bin dann praktisch im-. Dasgroße Problem ist, dass, wenn man dann halt damit durchkommt, es hat ja dannauch keiner großartig eingegriffen, außer natürlich, dass irgendwann mal immermehr Probleme mit der Polizei hatte. Wer mit Gewalt löst, kommt immer diePolizei. Und wenn du in Berlin-Neukölln aufwächst und das soll jetzt auch keineEntschuldigung sein-. Aber es ist nun mal ein Verstärker auch, für vieleSituationen, wenn man da aufwächst und du mit Gewalt deine Lösungen schaffst, schaffstdu dir irgendwann einen Namen. Und dann kommen welche, die fahren große Autos,Protz, die haben etwas und die kommen zu dir. Und jetzt kommt dann die Gefahr. „Ichmeine, ein Typ wie du. Was willst du denn mal lernen, willst du lernen? Du bistvielleicht 15.” Und dann kommen die und verführen dich. Die verführen dich unddie geben dir Respekt. So denkst du: Die geben dir Respekt. (JENS LEHRICH:Zugehörigkeit.) Zugehörigkeit, Anerkennung, Respekt und das ist soverführerisch und gefährlich. Und wenn du dann da eintrittst, weil du denkst,du bist dann wer, dann hast du eine Grenze überschritten. Ohne es zu wissenoder zu bemerken. Und dann sind eben die Verführer, dann wirst du angelockt undmachst das, das, das, das. Und bist Teil dieser Dynamik und machst Dinge-. Ichwar 18 Jahre kriminell. 18 Jahre. Ich habe mich von bestimmten ferngehalten, woich genau wusste, also das, das konnte ich mit mir selbst nicht-. AlsoProstitution nicht, Drogen so, all so ein Ding nicht. Aber ich habe Dingegetan, für die ich mich abgrundtief schäme, die falsch waren. Aber ich binselber dadurch zu einem Buch geworden, zu einem wissenden. Und was habe ich dirgesagt, das habe ich damals gesagt: Wer trägt die Schuld dafür, dass meinerFamilie, meinem Kind, Leid angetan wurde? Wer ist derjenige, wer hat sich entschieden,gewalttätig zu werden? Wer ist derjenige, der sich entschieden hat, auf diefalsche Bahn zu gehen? Ihr könnt nicht die Schuld zu anderen geben, wenn dieSchuld im Spiel ist. Ihr seid diejenigen, die entscheiden, was richtig und wasfalsch ist. Und wenn ihr euch für den falschen Weg entscheidet, seid ihr die Einzigen,die das ändern können. Ich kann meine Vergangenheit nicht ändern. Ich mussdamit leben und ich muss sie anerkennen. Aber es ist meine Pflicht und meineVorbildfunktion und meine Verantwortung.

JENS LEHRICH: Aber vielleicht brauchtest du sieauch, um an den Punkt zu kommen, heute Kindern helfen zu können.

CARSTEN STAHL: Darauf will ich ja hinaus. Heutenehme ich genau das, um ihn und andere zu unterstützen, seinen 800 Schülern, fürdie er mit zuständig ist, Hoffnung zu schenken. Hat Mobbing, nachdem ich dawar, abgenommen?

ALEXANDER LÖHER: Ja.

CARSTEN STAHL: Habe ich euch geholfen?

ALEXANDER LÖHER: Ja, sicher, klar.

CARSTEN STAHL: Habe ich alles richtig gemacht. Aberdafür musste ich das erleben. Ich will, dass er es, und andere, nicht erleben.Ich will, dass keine Frau diese Gewalt erlebt. Meine Freundin, die ich damalshatte, war im vierten Monat schwanger. Ich war ein Draufgänger, ich konnte michwehren. Aber ich konnte nicht verhindern, dass die, die mir schaden wollten,sich an denen vergriffen haben, die ich liebe. Und die sind zu mir nach Hausegekommen, als ich nicht da war. Und sie wollten ihr nur Angst machen und wasist daraus entstanden? Dass sie sie zu dritt geschlagen, getreten, vergewaltigthaben. Und mit dieser Schuld muss ich leben, denn sie hat dabei unser Kindverloren. Sie haben der Frau, die ich geliebt habe, unendlichen Schmerzzugefügt und ich muss damit leben. Dass ich heute einen Sohn hätte, der 24 istund der tot ist. Und damit zu leben, ist sehr schwer. Und deswegen mache ichder Politik auf meine Art und Weise und allen Schülern auf meine Art und Weiseklar, wie wichtig es ist, sich gegen Gewalt, gegen Mobbing und für denrichtigen Weg zu entscheiden. Weil das Leid, was ich erfahren habe, ich keinemanderen zumuten möchte.

JENS LEHRICH: Deswegen die Prävention.

CARSTEN STAHL: Das Wichtigste, der Schlüssel, istimmer Aufklärung. Du kannst mit Verboten nichts erreichen. Und jeder Mann, dereine Frau schlägt, hat irgendwann mal sich entschieden, selbst zum Schläger zuwerden. Und dieser Entscheidung, der hätte man entgegenwirken müssen, in demMoment. Was auch immer passiert ist oder warum immer er zum Täter geworden ist.Und deswegen ist wahrscheinlich dort jetzt bestätigt: Wer einmal eine Frau und einKind schlägt, der zweite Schlag ist viel kürzere Distanz.

JULIA REINHARDT: Na klar, die Hemmschwelle istüberwunden.

CARSTEN STAHL: Einmal. Wenn ich Frauen sehe, diealleine, wenn sie die Hand hier-, ausholst-, nach hinten weichen, weiß ich,dass sie geschlagen wurde. Das reicht mir schon. Die Bewegung reicht mir schon.

JULIA REINHARDT: Hektische Bewegungen.

CARSTEN STAHL: Ist das ganz klar.

JENS LEHRICH: Alexander, du wolltest was sagen.Passt das noch, oder-?

ALEXANDER LÖHER: Ja, ja. Das passt absolut. Ichglaube, du weißt wahrscheinlich gar nicht mehr, ich war ja selber Opfer von Mobbing.Das hat-.

CARSTEN STAHL: Darfst es auch erzählen, ich weiß, (ALEXANDERLÖHER: Ja, genau, entschuldige.) da hast du vor mir gestanden. Ja, es waren 50und du warst einer. (B3 und B4)

ALEXANDER LÖHER: Nein und der Punkt ist der. Es gibtvon dem Punkt, vom gemobbt werden zwei Ausgänge. Der eine ist, du machst es wieCarsten, das kann man ja glaube ich so sagen, das ist ja ein Fakt, das sagst duselber.

CARSTEN STAHL: Du wirst zum Täter.

ALEXANDER LÖHER: Und ich habe selber, ich bin jaOpfer geworden und ich habe auch Morddrohungen bekommen und Diverses. Dir habeich es ja erzählt, es war heftig. Ich habe die Schule gewechselt und damiteinen Cut gemacht und habe mir überlegt: Was kannst du für dich tun, damitandere das nicht erleben müssen? Und das ist natürlich auch der Punkt, wo ich gedachthabe: Ja, ich möchte selber Mitverantwortung übernehmen, Mitgestalter, damitsowas nicht passiert. Habe gedacht, nein, natürlich hätte ich das Mobben anfangenkönnen und sagen, ich bin jetzt hier neu und ich mache mir jetzt einen Namen.Nein. Und ich habe auch damals klipp und klar meiner neuen Klasse gesagt, wasmir widerfahren ist in meiner alten Schule. Und als ich dann nach einem halbenJahr Schülersprecher wurde, habe ich das auch den anderen Klassen gesagt, umüber diese Thematik, ähnlich wie Carsten, in einem ganz kleinen Rahmen zwarnur, zu sprechen. Und entweder fängst du an, selber zu mobben, oder gehst aktivdagegen vor, was leider von den Mobbingopfern die wenigsten tun.

CARSTEN STAHL: Die werden entweder zum Mittäteroder zum Täter.

ALEXANDER LÖHER: Richtig. In den seltensten Fällenentscheiden sie sich dann irgendwie, eine Aufgabe oder ein Amt zu übernehmenund das nicht zu tun. Obwohl man sagen muss, die Verführung, das klingtvielleicht jetzt böse, war groß natürlich, das selber dann zu machen. Ich habemich aber dagegen entschieden, weil einfach das-. Wenn man nämlich logischdarüber nachdenkt, das tut man meistens in dem Fall nicht, weil es ja nichtsbringt. Was ich sagen möchte, es gibt diese zwei Optionen dann und die meistennehmen halt leider die falsche Option. Aber das ist natürlich dann einfachaus-, vor der Angst-. Die hatte ich natürlich dann auch, nach dem Schulwechsel.Das, was mir an meiner alten Schule widerfahren ist, wieder zu erleben,natürlich hatte ich den Gedanken und denke mir: Okay, du kommst auf eine neueSchule, sind die da genauso drauf? Und natürlich hat sich das von meiner altenSchule in meine neue Schule herumgesprochen. Warum wechsle ich denn mitten imJahr Schule? Und warum kriegen die Eltern meiner Mitschüler eine Mail, dass ichals Notfall auf diese Schule komme? Natürlich wussten die das dann, aber offen damitumzugehen, zu sagen, das und das ist passiert. Das, oder zu sagen, mir geht-, oderich möchte hier einen Neustart machen, das zollt viel mehr Respekt, alsweiterzumachen.

JENS LEHRICH: Weil es den Mut zeigt, sichverletzlich zu zeigen. (ALEXANDER LÖHER: Das ist stark wahrscheinlich.) Undalso ich kann nur-, mich berührt das sehr, aus dem Grund, weil auch ich Opfervon Mobbing war. Weil bei uns in der Schule gab es immer das Spiel Safari, dawar ich in der achten Klasse. Und Safari bedeutete, dass also die gesamteKlassengemeinschaft die schweren Vorhänge heruntergerissen hat. Ich war nunauch leider in der Pöbelklasse drin, war selber irgendwie total zurückgenommen,eher das liebe Kind. Ich war total überfordert mit dieser, ich sage mal, Gewaltdieser Klasse grundsätzlich. Und die haben mich dann unter diesen Vorhanggejagt und haben mich darunter verprügelt. Und das ist etwas, wenn ich da heutedarüber spreche, also so jetzt in der Öffentlichkeit habe ich es noch niegetan, aber weil es einfach so gut passt, ist es etwas-.

CARSTEN STAHL: Nein, also das ist genau das, wasausgelöst wird, wenn man offen ist.

JENS LEHRICH: Genau. Wenn man sich verletzlichzeigt.

CARSTEN STAHL: Es ist nichts anderes, was an einerSchule mit Schülern passiert, (JENS LEHRICH: Genau.) oder wenn ich in großenFirmen spreche. Weil es ist ein Raum da. (JENS LEHRICH: Genau.) Wir öffneneinen Raum, in dem es okay ist.

JULIA REINHARDT: Und du nimmst die Scham. Du nimmstdie Scham.

JENS LEHRICH: Und darauf wollte ich hinaus, wiewichtig es ist, Räume zu öffnen, Maya.

MAYA MÜLLER: Ja, absolut. Ich kann mich geradeso der Berührung sehr anschließen. Und das ist auch immer so ein bisschenSchmunzeln zum Thema Fügung. Weil ich tatsächlich auch mal die Schule wegenMobbing gewechselt habe. Plus auch die Opferperspektive von Gewalt kenne,also-. Und ich da gerne noch so was ergänzen oder auch mit reingeben. Jetzt aufder Ebene von der weiblichen Perspektive, aber-. Also mir hat einmal ein Mannins Gesicht geschlagen, ziemlich krass und ich habe mich dann auch sehr intensivmit dem Thema Verantwortung beschäftigt. Schuld und vor allem auch Vergebung.Und das sehr Interessante für mich daran war, dass ich gemerkt habe, es gabdavor einen Punkt in mir, der das erlaubt hat. Und das heißt jetzt nicht, dassich, dass man sagt: „Ja, der Täter kann nichts dafür.” Sondern der hat seinenTeil und der hat auch seine Verantwortung. Und ich habe aber auch einen Teil,den ich reintrage und wo ich mitentscheide. Und das ist für mich ein ganz klarerAufruf an Frauen auch, für eine Kraft und Selbstermächtigung. Weil das sindgenau diese Momente, wenn man zurückzuckt, dass man in so eine Position kommt.Und ich finde das ganz wichtig, so mit reinzugeben. Also, und vor allem auchdann mit der Schuld umzugehen und ich glaube-.

JENS LEHRICH: Kannst du das nochmal ein bisschennäher erläutern? Weil ich glaube, das ist jetzt für viele erstmal schwierig,nachzuvollziehen. (MAYA MÜLLER: Ja. Also-.) Ich finde aber, Vergebung ist (MAYAMÜLLER: Ja.) ein unglaublich wichtiges Thema.

MAYA MÜLLER: Ja, absolut. Also für mich ist, dasist ja auch aus meinem persönlichen Weg ein sehr wichtiges Thema, glaube ich.Ich glaube, das ist auch ein Ergebnis von, wie man sich mit Traumatabeschäftigt hat, ist, dass man irgendwann-. Es gibt diesen Punkt, wo ichglaube, dass man oder es ist meine Erfahrung, dass man aus dem Täter-Opfer-Themaaussteigen muss und das loslassen muss. Weil-. Und das heißt nicht so: Ja, ja,alles gut oder so. Aber es bedeutet auch für Opfer, dass ich weiterschreite undmir dann die Frage stelle: Und was kann ich tun? Und für mich war das Ergebnis,sowas passiert mir nie wieder. Und es ist mir nie wieder passiert. Also es istein Aufruf und ich glaube und ich glaube, dass dieses Thema Schuld, das habenwir auf ganz vielen Ebenen. Das haben wir jetzt auch mit Corona, das haben wirauf gesellschaftlichen Ebenen. Dass am Ende, es geht um das Benennen. Es gehtda darum, sich so zu zeigen und verletzlich zu sein und dann herauszutreten undin Handlungsfähigkeit zu kommen. Wenn wir an dem Punkt von Schuld stehenbleiben, dann geht es nicht, dann geht es wenig weiter. Dann können wir unsdarin verheddern, dann sind wir vielleicht auch auf einer Kindergartenebene,einer hat dem anderen die Schaufel auf den Kopf gehauen und wir bleiben jetztdabei, aber du bist schuld. Und da können wir wirklich was bewirken. (?Etwas) verständlicher.

JENS LEHRICH: Das heißt, raus aus dieserPassivität, eben, (MAYA MÜLLER: Ganz genau.) was du ja auch sagtest. (JULIAREINHARDT: Ja.)

MAYA MÜLLER: Ins Handeln kommen. Ja. Würde ichauch gerne deine Perspektive noch hören.

JULIA REINHARDT: Ja. Ich finde das total wichtig, wasdu gerade sagtest. Auch so als Opfer auch. Ja, im Grunde auch zu schauen, wasist auch so mein Part an der Geschichte und so. Du sagtest eben, es gab einenZeitpunkt, da hast du das auch zugelassen, ich weiß nicht, wie du es formulierthast.

MAYA MÜLLER: Also ich habe es in der Reflexiongemerkt, dass ich-. Man muss auch dazu sagen, dass ich in einer geschwächtenLebenssituation war, also, dass so viele Punkte dazukamen. Und, dass ich, ichhabe das aber zugelassen, also in mir. Ich habe tatsächlich davor gedacht: Ja,ist mir egal. Mache das, ich nehme das in Kauf, quasi so. Und das war für michsehr, sehr, sehr krass, mir das einzugestehen, dass ich einen Anteil daranhatte. Also ich hätte diese Situation anders lösen können. Und ich habe späterandere Situationen anders gelöst, dass das nicht mehr passiert ist.

JULIA REINHARDT: Und das Wichtige ist, dass du daserkannt hast.

MAYA MÜLLER: Ganz genau.

JULIA REINHARDT: Und Stichwort Selbstwirksamkeit. Jaund das-.

JENS LEHRICH: Da sind wir wieder beim Bewusstsein.

MAYA MÜLLER: Absolut, ja.

JULIA REINHARDT: Genau. Und das ist das, was wir jaalle brauchen. (MAYA MÜLLER: Ja.) Also dieses Erleben, dass ich für mich selbstwirksam sein kann. (MAYA MÜLLER: Ja.) Und das geht eben über diesen Weg. Undich würde dafür plädieren, dass wir nicht den Begriff Schuld hier so rein, oderso manifestieren. Ich finde es viel, viel konstruktiver, von Verantwortung zusprechen. Weil ich sage mal, Schuld, wenn ich Schuld habe. Na, dann sage ichhalt Entschuldigung oder ich lege drei Millionen auf den Tisch und dann bin ichmeine Schuld los, weil ich irgendein Bußgeld bezahlt habe. Ja, aber dieVerantwortung habe ich immer noch, für das, was ich getan habe. Es ist,verdammt nochmal, meine eigene Verantwortung, wie ich mich verhalte. Was ichvielleicht jemandem antue, ob durch mein aktives Verhalten, oder vielleicht,weil ich es auch unterlasse oder was auch immer. Es ist meine Verantwortung.Und da zu gucken und mir an die eigene Nase zu fassen, immer wieder, und zuschauen: Wo kann ich was verändern? Und ein ganz, ganz wichtiges Thema beidieser Geschichte ist, und wir hören es hier immer wieder, ist das Gefühl derScham. Die Scham ist meiner Erfahrung nach das zentrale Gefühl bei dem Themader Gewalt, sowohl auf Opfer- als auch auf Täterseite.

JENS LEHRICH: Es gibt eine sehr bekannteSchamforscherin, Britney Brown.

JULIA REINHARDT: Ja, genau.

JENS LEHRICH: Sehr zu empfehlen, an dieser Stelle.

JULIA REINHARDT: Genau. Und aus der Scham herauswird so vieles getan, oder eben auch nicht, wo es doch wichtig wäre, zu tun.

CARSTEN STAHL: Das ist aber nichts anderes-. Warumreden wir über bestimmte Dinge wie Missstände oder Versagen nicht? (JULIAREINHARDT: Genau.) Warum ist das Problem mit der Wahrheit so groß? (JULIAREINHARDT: Die Scham ist zu groß, die Scham ist zu groß.) Weil alles hat ja mit derWahrheit zu tun. Weil, nehmen wir mal, wir sind jetzt hier in der BerlinerHauptstadt. Ich kämpfe hier auch, genauso wie überall, gegen Missstände und fürAufklärung. Wir haben den Berliner Senat und den Innensenator aufgefordert, unsdoch bitte die Gewalt-Zahlen an den Berliner Schulen oder auch überhaupt, jedeForm der Gewalt oder Missbrauch, gibt es ja auch an Schulen, offenzulegen. Undzu sagen, an welcher Schule geschieht was? Damit wir es wissen und handelnkönnen. Resultat daraus ist: Der Innensenator und der Berliner Senat haben dieGewalt-Zahlen an den Berliner Schulen für Verschlusssache erklärt. Das heißt,wir, die mündigen Bürger in Berlin, haben nicht das Recht zu erfahren, anwelcher Schule welche Gewaltzahlen sind. Man entmündigt uns, da wo wir unsereKinder zur Schule (?schicken) zu wissen. Aber zur Verschlusssache macht man nureines: (JENS LEHRICH: Das, wo man-.) Nämlich, was dem Ansehen der Stadt unddamit ja den Senat schaffen kann. Also dieser Stadt Berlin, (JULIA REINHARDT:-Und wird ja vielleicht-.) die Kriege überlebt hat, (JULIA REINHARDT: Genau.)Bomber. Die wird auch Mobbing überleben. Aber der Senat, wenn er nämlichzugeben müsste, er versagt an bestimmten Stellen, macht zu wenig Prävention, sogut wie gar nicht. Jedenfalls nicht richtige, zielgerichtete. Nein, da wird,wenn man Fragen stellt, etwas zur Verschlusssache gemacht. Und die Menschen,die die Fragen stellen, wie Fontane schon gesagt hat: Wenn man die Wahrheitnicht bekämpfen kann, bekämpft man den, der die Wahrheit sagt. Macht ihn-,diskreditiert ihn, macht ihn unglaubwürdig. Dann glaubt man nicht das, was ererzählt.

JENS LEHRICH: Verschwörungstheoretiker.

CARSTEN STAHL: Das hat nicht mal mit Verschwörungzu tun, das war ja Fontane nicht. Sondern es geht einfach nur darum, das istnatürlich ein Thema. Seit Jahren kämpfe ich in Deutschland gegen Mobbing, legediese Zahlen offen, sage das. Und es wird ja immer wieder, wenn alleine jemandsagt: „An meiner Schule gibt es kein Mobbing.” Ich sage dann, dann sage ich: „WissenSie was, ich muss mich nur fünf Minuten vor ihre Schule stellen. Dann kommendie Schüler auf mich zu und ich muss nur fragen, erzählt mal, was ist denn hierlos? Da erzählen die mir alles, die erzählen mir alles.” So. Und entscheidenderFakt ist, dem zu-, nicht zu bringen, sondern zu motivieren. Anzuerkennen, esgibt die Probleme. Hier wie draußen, überall. Ich gehe offen damit um, dannkann ich meinen Schülern helfen, es zu erkennen, kann meinen Lehrern helfen, eszu bekämpfen und kann die Eltern mit dazugewinnen, dazu zustehen, ihreVerantwortung zu übernehmen. Mit dem, haben wir nicht, mache ich es nur schlimmer.Weil wenn ein Schulleiter sagt: „An meiner Schule gibt es keine Probleme.” Giltfür Drogenprävention genau das Gleiche. Macht der keine Prävention, weil erbraucht sie ja nicht, er hat keine Probleme. Das größte Problem, was wir inDeutschland haben, ist das Problem mit dem Bewusstsein der Verantwortung undmit der Wahrheit.

JENS LEHRICH: Ja, und mit der-. Also weil derSchulleiter-, weil wir haben auch keine Fehlerkultur.

CARSTEN STAHL: Gehe viel höher. Gehe viel höher,gehe zum Bildungsminister, gehe-.

ALEXANDER LÖHER: Ich wollte gerade sagen, das liegtnicht am Schulleiter.

CARSTEN STAHL: Nein, der Schulleiter ist nur einganz kleines Dings. Wenn er von oben im Stich gelassen wird bei dem Thema,folgt er nur der Dynamik: Besser nichts sagen, sonst kriege ich von oben Druck.Von oben muss kommen: Hey, wir wissen es, dass es an jeder Schule ist, wirgehen offen damit um. Und, und das ist eine meiner Forderungen, in denGesetzesentwürfen Prävention und Aufklärung an den Schulen darf kein Kann,sondern ein Muss sein. Dann kein Schulleiter sagen: „Ich brauche es nicht.”Weil ich muss es ja machen, weil es ist ja eine Präventionsmaßnahme.

ALEXANDER LÖHER: Viele würden diese Thematik auchganz anders handhaben, das muss man mal ehrlich sagen. Weil ein Schulleiter-.Oder wenn es heißt, es muss Präventionsarbeit geleistet werden, wird einSchulleiter damit deutlich offener umgehen und sagen: „Ja, es gibt an meinerSchule Mobbing.” Ja, und es ist ja, ohne es runterzuspielen, kein Drama. Dasist ja leider mit ein Selbstverständnis, dass es das an den Schulen gibt.

CARSTEN STAHL: Das ist die Gesellschaft. Aus derGesellschaft.

ALEXANDER LÖHER: Ja, das ist ja kein Drama, zu sagen,es gibt Mobbing und das zu erkennen. Aber der erste Schritt, diese Einsicht istja der erste Schritt zur Besserung.

JENS LEHRICH: Ja, aber wir dürfen halt keinenFehler machen und wir schämen uns dafür, weil wir es nicht-. Ja.

CARSTEN STAHL: Richtig, es ist ein Schamgefühl. Esist ein Scham-, oder die Angst, als (?Reputation) zu lassen. Und ich muss auchso sagen, das sage ich immer wieder zu den Bildungsministern und jetzt mitNachdruck, auch politisch: Hört auf, den Schulleitern zu suggestieren, wenn esProbleme an eurer Schule gibt, dann habt ihr eure Schule nicht unter Kontrolle.Keiner kann in einer digitalen Welt 400, 500, 600, 800 Schüler unter Kontrollehaben. Das geht gar nicht. Kontrolle ist eine Illusion. Ihr könnt ihnen nurhelfen, indem ihr sie aufklärt und alle und die Eltern auch mit in dieVerantwortung nehmt.

JENS LEHRICH: Funktioniert denn diese Aufklärung,diese Arbeit, die man bisher analog machen konnte und die ja diese Räumeöffnen, das was wir jetzt auch in dieser Sendung oder was ich auch bishergelernt habe, wie wichtig das ist, funktioniert das auch digital? Also imMoment geht es ja nur digital, wir haben ja einen Lockdown. Also kann man imMoment auch da helfen oder ist das-?

JULIA REINHARDT: Ich finde es total schwierig. Alsodas geht sicher, ja. Es ist sicher besser als gar nichts, also du meinst jetzt,ob wir Angebote vorhalten können?

JENS LEHRICH: Ja.

JULIA REINHARDT: Quasi im Online-Setting.

JENS LEHRICH: Genau. Weil das, was ja vorhermöglich war, ist ja gerade nicht möglich. (JULIA REINHARDT: Ja, genau.) Odernur mit bestimmten Maßnahmen, (JULIA REINHARDT: Also es-.) die es auch wiederunmöglich machen.

JULIA REINHARDT: Richtig, es ist halt so, unterbestimmten Voraussetzungen, mit bestimmten Maßnahmen-. Ich kannEinzelberatungen anbieten, das geht schon, biete aber zusätzlich auchBeratungen per Video an oder eben telefonische Beratung. Aber das ist keinVergleich, das ist kein Vergleich. Also man braucht diese Präsenz, diesesFeeling und wenn ich das meinen Klienten freistelle-. Ich habe den Raum und wirhaben die strukturellen Voraussetzungen, dass wir auch wirklichface-to-face-Beratungen anbieten können. Die nehmen das alle an. Die wollenalle da sitzen und kommen.

JENS LEHRICH: Alexander, ja.

ALEXANDER LÖHER: Das stimmt. Und es ist ja auchähnlich, da kannst du ja-. Es geht ja im Unterricht los, digitaler Unterricht,Präsenzunterricht ist ein Unterschied. Aber eines möchte ich reinbringen: Esist nicht so übermittelbar, aber man würde sich ja auch aus der Verantwortungziehen, es nicht anzubieten. (CARSTEN STAHL: Richtig, das ist-.) Das ist dasGleiche im Unterricht, dass, nichts anzubieten wäre auch verantwortungslos.

CARSTEN STAHL: Nehmen wir mal jetzt hier, was wirgerade machen. Der Zuschauer sieht die vier, fünf Personen an einem Tischsitzen und miteinander sprechen. Wir könnten ja auch alle für den Zuschauersicher auf allen fünf Monitoren sind. Da würde der das nicht annähernd sowahrnehmen, weil nämlich die Dynamik fehlt. Aber es ist trotzdem besser, ichsage es mal, als gar nichts und da spielt es natürlich auch die Rolle: Wie gutist der, der es präsentiert? (JULIA REINHARDT: Na klar.) Bei einem Thema. Dubist natürlich ganz nahe an deinem Opfer dran, das ist natürlich noch anders,als wenn du eine präventive Maßnahme machst, wo du generell ansprichst. Dakannst du-, das geht schon-. Also ich sage mal so, wenn ich das mit euch machenwürde, würde es eine bestimmte Wirkung, aber niemals die, als wenn ich imgleichen Raum bin. (ALEXANDER LÖHER: Nein, nein.) Wir können uns eine CDanhören von unserer Musik, die wir mögen. Glasklar, wir sitzen daneben, oh,toll. Du bist auf dem gleichen Konzert, sitzt in der letzten Reihe, du hörstnur Gegröle. Aber du bist dabei. (atmet scharf ein) (JENS LEHRICH: Und es sindandere Menschen dabei.) Die Emotionen, es sind die Emotionen, die in der digitalenVersion fehlen. Diese Emotionen, die Körpersprache, das fehlt. Die Augen, dieMimik, alles fehlt. Die Empathie kannst du nicht so … #01:14:41#

ALEXANDER LÖHER: Du stimmst mir grundsätzlich zu,dass, gar nichts zu machen, wäre auch unverantwortlich?

CARSTEN STAHL: Auf jeden Fall. Auf jeden Fall. Ichwürde sagen, jetzt, in so einer Situation, nehme ich jeden Rettungsring unddas, das Schlimme ist: Sie machen ja noch nicht mal da Prävention. Also nehmeja noch nicht mal digitale Prävention an, sondern alles ist im Corona-Nebel.Das ist Thema Nummer eins und alles andere muss liegenbleiben und das ist einRiesenfehler.

JENS LEHRICH: Maya?

MAYA MÜLLER: Ja. Ja, also für mich, ich kommenatürlich auch noch mal so aus einer-, mit einem anderen Blick auf Medien. Undich merke auch da wieder so voll den starken Impuls von, also dieses Themavon-. Ich gehe immer mehr davon weg: Ja, die anderen da draußen. Also so wiedieses, das gibt es eigentlich nicht. Oder ja, es gibt es, die da, aber es gibtda vielleicht welche oben, die entscheiden-. Aber es gibt auch hier uns und wirzum Beispiel bei Weltvision, machen wir es so, dass wir-. Wir machen eseinfach, also wir machen einfach Medien, die inspirieren sollen, die hoffnungsvolleFormate zeigen, wo wir eigentlich nur auf Herz-zu-Herz-Ebene sprechen. Und wowir vor allem auch mit unterschiedlichen Menschen sprechen. Und das Schöne ist,dass es so entstanden ist, eigentlich aus einer Gruppensituation mit jungenMenschen, wo wir uns getroffen haben, in einem Netzloch. Ja, ohne Medien, mitder Frage so: Ja, hey, was können wir eigentlich anders machen, wie könnten wireigentlich zusammenleben? Und daraus sind ganz viele Projekte entstanden undjetzt sind wir auf so einer Ebene von, dass wir schauen. Dass wir genau indiese Medienbereiche reinkommen, ja, auf Instagram und so weiter. Ja, beijungen Menschen andocken, die wir selber ja auch sind, und da was Neues zeigen.Und eigentlich sollte das Ziel sein, Selbstermächtigung und, hey, du kannst dasmachen. Also jeder von uns kann das tun.

ALEXANDER LÖHER: Aber man muss einen Aspekt sehen:Hoffnung machen ist wichtig, um Gottes Willen. Aber man muss auch-. Das istauch bei den Medien so meine Meinung-. Natürlich muss man sagen, es werdenbessere Zeiten kommen, da stimme ich absolut zu und es ist auch richtig, das zumachen. Aber man darf, so schlimm alles ist, man darf auch niemals die Augenvor der Wahrheit zumachen.

CARSTEN STAHL: Nein, das ist das Schlimmstevielleicht überhaupt.

ALEXANDER LÖHER: Wenn wir nur Hoffnung machenwürden, in den Medien, das wäre auch nicht zielführend. Man muss schon ehrlichsein und so sagen: So ist die Situation.

JENS LEHRICH: Wir wissen es, aber-. Ja, aber ichnehme-. Also für mich ist das immer so, also ich bin ja selber Teil der Medienund ich habe auch ein klassisches Volontariat damals gemacht, vor 30 Jahren.Ich habe das alles gelernt, also Journalist, und auch das ganzeNachrichtengeschäft. Was ich mich dann auch immer frage, ist auch gerade beiNachrichten, also ich nehme das zumindest so wahr: Das Nachrichten immer mitBildung verwechselt wird. Also man glaubt, wenn man die Nachrichten hört, wennman die Tagesschau anschaut oder was auch immer, dass man gut informiert ist.Ich sage aber eher, es ist andersherum. Also die Information, beziehungsweisedie Bildung, die muss ich mir halt selber irgendwie holen. Weil was nützt mireine Nachricht, ich sage es jetzt mal, vom anderen Ende der Welt, die mich nurin Ohnmacht versetzt, die mich aber nicht handeln lässt. Also das ist ja das,die meisten Nachrichten, die wir bekommen, versetzen uns in Ohnmacht. Ja, ohneMacht sein. Also wir hören irgendwie jetzt zum Beispiel, Katastrophe in Indien.Furchtbar, keine Frage. Dann hören wir danach irgendwie die nächste Katastropheund die-, und so gehen wir schlafen, so gehen wir ins Bett. Und dann stehen wirmorgens wieder auf, kommen am Kiosk vorbei, lesen die Bildzeitung, die nächsteKatastrophe. Das lähmt uns doch. Also ich glaube, das ist nicht das, was unswirklich weiterbringt am Ende.

ALEXANDER LÖHER: Man muss hier die Mischung finden.Also ich persönlich, vielleicht habe ich da auch eine andere Ansicht, finde dasschon, man muss schon mal sehen, was läuft am anderen Ende der Welt. Man musssich eine Meinung bilden, wo läuft es woanders, wie soll es denn hier nichtlaufen? Um Gottes Willen. Aber es stimmt schon, man muss auch diesesHoffnungsvolle darin sehen, absolut, man muss negative-. Ist auch nicht immerrichtig.

JENS LEHRICH: Also ich finde, Nachrichten sinddann gut, wenn ich dann auch handeln kann. Also wenn sie in meinenMikro-Makro-Kosmos zum Beispiel stattfinden und ich was tue. Das, was ichnämlich kann. Du zum Beispiel, der sagt, irgendwie: „Ich helfe Kindern,Jugendlichen dabei, dass sie aus dieser Gewaltspirale rauskommen, dass sie ausder Abwärtsspirale rauskommen.” Das ist für mich etwas, das ist Handeln, waswertvoll ist. Aber Nachrichten konsumieren, um mich informiert zu fühlen, diemich dann aber einfach nur runterziehen, die haben für mich nicht diesen Wert.Und ich glaube, davon haben wir zu viel.

JULIA REINHARDT: Naja. Ich denke hier ist dasStichwort einfach die Konstruktivität und wie gehe ich mit solchenInformationen um? Diese sogenannten Nachrichten. Also wo informiere ich michund so weiter, aber das ist vielleicht nochmal ein anderes Thema für eineandere Sendung. (JENS LEHRICH: Ja. Medienkompetenz.) Ja, ja. Genau. Und es istja die Frage, wie gehe ich damit um und was mache ich daraus und welcheMöglichkeiten habe ich auch? Und mit wem umgebe ich eigentlich?

JENS LEHRICH: Aber das ist genau das, was ichmeine: Was mache ich daraus, was mache ich jetzt aus dieser Information? (JULIAREINHARDT: Ja.) Ja, und wenn ich dann was machen kann, dann ist es etwas, wassehr wertvoll auch für die Gesellschaft ist. Wenn ich es nur konsumiere, um dasGefühl zu haben, ich bin dabei, ich bin informiert, um am Ende vielleicht auchMitgefühl zu zeigen-. Das ist alles schön und gut, aber ich behaupte, dass beiden meisten diese Art geistige Hygiene, die sie eben nicht betreiben, dazuführt, dass sie in die Abwärtsspirale kommen. Und ich habe gelernt, man kannentweder nur in der Abwärtsspirale sein oder in der Aufwärtsspirale und-.

JULIA REINHARDT: Und wenn du sagst, dann kommtvielleicht so ein Gefühl der Ohnmacht dazu, (JENS LEHRICH: Genau.) und da sageich dann: Oha, Vorsicht. Jetzt könnte es schon wieder gefährlich werden. Weil,Stichwort Ohnmacht, Hilflosigkeit, ohne Macht, wie du sagst, (JENS LEHRICH:Genau.) dann könnte da auch wieder relativ schnell irgendeine Form von Gewaltdaraus entstehen.

JENS LEHRICH: Und die Manipulation, diedahintersteckt, also ein Freund von mir hat mal gesagt, Nachrichten halt, weilwir sollen uns danach richten. Die deutsche Sprache ist ja immer sehr präzise.Das ist halt einfach auch ganz viel Manipulation. Wir sollen halt irgendwie ineine bestimmte Richtung denken.

MAYA MÜLLER: Ja. Ich wollte auch noch an derStelle ergänzen, für mich ist das Ziel Hoffnung. Also ich glaube, dass es soist, dass wir ganz genau an diese Punkte hingehen müssen. Dass wir sowas machenmüssen, wie, dass wir in Transparenz gehen und hingehen und fragen: „Hey, wasbewegt dich wirklich? Was passiert da eigentlich vor Ort?” Aber, dass wir damitwohin gehen und, dass wir nicht eine Dramaspirale haben, weil Dramafunktioniert an Punkten auch und es gibt Zuschauerzahlen. Aber das geht auchmit einer anderen Ebene und wir müssen diese andere Ebene, die möglich ist,müssen wir zeigen. Ja. Also, dass wir ganz ehrlich sagen, okay, was ist da?Dass ich von dir hören kann, hey, was geht an deiner Schule ab? Boa, krass, wasmacht das mit dir? Das kann ja nicht sein, was können wir da tun? Wir können esmal zeigen und dann wird es sichtbar und dann können wir es nach außen tragen,das was du auch machst.

ALEXANDER LÖHER: Ja, in gewisser Weise stimmt dasschon. Ja, klar. Also ich glaube, aber das, was Nachrichten angeht, ich glaube,das muss-, meine persönliche-. Ich glaube, da ist dann in SachenEigenverantwortung, dass jeder einfach das daraus macht, was er, wenn er dashört, glaube ich, macht jeder das für sich daraus, was er denkt, was richtigist. Jeder bildet sich seine Meinung, ich glaube, das ist einfach ein wichtigesStichwort. Dass der eine sagt, das ist Manipulation, der andere sagt, das istinformationslos und ich bilde mir eine Meinung daraus. Ich glaube, das sindganz verschiedene Aspekte, wo wir wieder beim Thema Medienkompetenz wären.

CARSTEN STAHL: Kommt aber auch immer auf diePersönlichkeit an. Es gibt natürlich immer, das sind schon bestimmte Dinge, diebei uns angelegt sind-. Es gibt welche, die lassen sich schneller manipulierenund verführen, und es gibt welche, die hinterfragen viel mehr. Undnormalerweise sollten wir alle, also was ich immer auch zu euch gesagt habe,auch zu meinen Kindern: Egal, wenn du etwas nicht verstehst, hinterfrage es.Mache es nicht, weil andere es dir sagen, nicht deshalb. Folge nicht einfachblind, sondern hinterfrage. Du willst es verstehen und wenn du es verstandenhast, dann kannst du es auch machen. Denn das ist sehr, sehr wichtig-.

JULIA REINHARDT: Das geht aber nur, wenn du freiaufwachsen kannst. (CARSTEN STAHL: Richtig, klar. Natürlich.) Wenn du dich freifühlst und wenn du dich vor allem sicher fühlst.

CARSTEN STAHL: Richtig, genau. Vollkommen klar.

JENS LEHRICH: Und wenn du Fakten hast. WirklichFakten, nicht Meinungen, sondern Fakten.

JULIA REINHARDT: Ja, aber wie kann ich als Kind, duhast es ja gerade gesagt. Du hast deinen Kindern dieses kritische Denkenversucht, beizubringen.

CARSTEN STAHL: Mehr, als ich manchmal gebrauchenkann. (lacht)

JULIA REINHARDT: Ich teile das mit dir. Das geht mirgenauso. (lacht) Schönen Gruß an die Kinder. Nein, aber das ist ja genau dasThema: Also wie frei kann ich mich als Kind fühlen, wie sehr darf ich mir daserlauben, kritisch zu hinterfragen? Oder werde ich sofort wieder gedeckelt undkriege ich sofort wieder eines von oben, ja, also wohin auch immer. Ob es physischist oder auf der anderen Ebene. (CARSTEN STAHL: Gewalt.) Ja, genau.

CARSTEN STAHL: Du hast sowieso keine Ahnung. (JULIAREINHARDT: Ganz genau.) Das wäre die verbale Härte.

JULIA REINHARDT: Ja. Und du bist ein Kind und duhast still zu sein. (CARSTEN STAHL: Oder du tust, was ich dir sage.) Ja. Unddas ist das Thema der Gewalt.

ALEXANDER LÖHER: Das hat sich teilweise-. Dasstimmt, aber grundsätzlich, das muss man schon sagen, dass sich gerade in derPandemie, durch die Pandemie, was zumindest die Schulvertretung angeht, jetzt.Das ist um Gottes Willen nochmal eine andere Thematik, Mobbing und Co.-. Aber,dass die Schülervertreter oder die Schülervertreter haben eine Stimme, das hatsich tatsächlich verbessert. Also diese Kommunikation, die ist tatsächlichhergestellt worden, ob wir alles verstehen, was die Bildungsministerien machen.Das ist eine ganz andere Sache wieder, wo wir transparent sind und so weiter.Also die Kommunikation, die wurde tatsächlich schon mal besser hergestellt,dass man den austauscht und so weiter-. Ob das nur gemacht wird, um zu sagen:Ja, ihr Schüler, wir müssen euch jetzt mal anhören und dann ist gut. In manchenBereichen klappt das schon ziemlich gut, dass Politiker sagen: „Wir hören dasmal an und wir nehmen das mit und wir versuchen, es auch umzusetzen.” Das mussman sagen, das hat teilweise-, besser geworden durch die Pandemie, wasSchulbetrieb angeht.

MAYA MÜLLER: Und ich finde, da sind wir auch beieinem ganz spannenden Thema, also so diese Generationenbegegnung. Wo auch sowasaus einer Geschichte rauskommt, was ja davor schon davor war, also vor derPandemie, dieses Thema. Davon, dass viele junge Menschen sagen: „Ja, was habtihr uns für eine Welt hinterlassen?” Ja, also so, was wurden da fürEntscheidungen getroffen? Da wurden Entscheidungen getroffen, die nicht mal fürdie eigene Generation tragbar sind. Und auf der anderen Seite, was man jetzt somehr von Eltern auch hört oder den älteren Generationen, ist so was von: Ja,also ihr müsst jetzt mitmachen. Ihr müsst jetzt quasi das System auch halten.Und was ja jetzt auch gerade so ein besonderes Thema ist. Und ich finde dasjetzt richtig schön, zu hören, das glaube ich auch, dass das das Relevante ist.Dass wir mit den Generationen in Begegnung kommen und da das erkennen: Okay,was, wo können wir da ansetzen? Und zwar zusammen, mit den Kompetenzen von denjungen Menschen, die kommen und den älteren, die schon da sind.

ALEXANDER LÖHER: Man muss halt jedem seinen, sagenwir mal, Respekt zollen. Ich meine, auf der einen Seite, die älteren Menschenhaben wahnsinnig viel Lebenserfahrung, die haben viel mitgemacht, die habenauch mit Sicherheit in Vielem, das gebe ich auch zu, mit Sicherheit auch mehrDurchblick als ich. Als Beispiel, aber wenn wir es auch mal so sehen, sagst duja auch gerne: Die Kinder sind die Zukunft. (JENS LEHRICH: Ja.) Und man mussmit der Zukunft arbeiten, nicht gegen sie.

CARSTEN STAHL: Es ist ganz, ganz wichtig, dassman-. Du meinst damit Treffen der Generationen-. Dass man von allen etwasmitnimmt. Es kann nicht sein, dass man halt sagt: Wir sind die mit der Erfahrungund wir wissen schon, was wir tun. Ja. Das ist aber die Zukunft und ihr tragtviele Dinge aus der Vergangenheit. Wir haben übrigens keine Wählscheibe mehr,wir sind mittlerweile bei Smartphones und es geht weiter. Die Zeit wird immerschneller. Wir dürfen auf gar keinen Fall die älteren Menschen vergessen, aberwir dürfen auf gar keinen Fall die jungen Menschen, sagen wir mal, nicht ernstnehmen. Die sind die Zukunft und davon mal abgesehen: Sie sind die, die füruns, die jetzt die Generation sind, die, sagen wir mal, führen, wenn man das sojetzt benutzen will, die später für uns sorgen. Und wenn wir ihnen jetzt nichtsmitgeben, dann sind wir später die Leidtragenden dafür, dass die uns nämlichvergessen. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir alle zusammenkommen undgemeinsam Lösungen finden. Und darin liegt das einzige Positive, was ich sehe:Dass durch dieses Wachrütteln, was wir jetzt durch diesen ganzen, sorry, Scheißhaben, der ja jetzt gerade in der Gesellschaft passiert. Ob durch Corona, mitCorona, um Corona-. Dass durch das ganze Ding vielleicht mal ein Ruck durch unsals Gesellschaft geht und wir alle mal aufwachen, uns an die eigene Nase fassenund uns mal fragen: Was können wir denn zur Verbesserung des Ganzen tun?

JENS LEHRICH: Ich finde, das ist ein schönerGedanke, zum Schluss dieser Runde. Julia, was können wir zur Verbesserung tun?Hast du Ideen, hast du Konzepte? Neben dem, was du ohnehin schon machst?

JULIA REINHARDT: Ich glaube, wenn ich die Konzeptehätte, dann, weiß ich nicht, wäre alles toll und hätten wir Friede, Freude,Eierkuchen. Dann hätte ich sie nämlich schon unter das Volk gebracht. Also ichdenke, so ein ganz wichtiges Thema, was wir doch jetzt so vielleicht auch-.Naja, ich nenne es mal so, als das Gute am Schlechten bezeichnen zu können. Dashat nichts damit zu tun, sich irgendeine Situation schönzureden. Aberzumindest, nur Stichwort Krise als Chance und so. Diese ganzen Geschichten. DieFragen, und das geht so ein bisschen in deine Richtung auch oder was du auchvorhin sagtest-. So die zentrale Frage, die wir jetzt nochmal vielleichterleben dürfen, weil wir es fühlen: Wie will ich leben und wer bin ichwirklich? Wo will ich hin? Wie will ich es haben? Wie erlebe ich gerade diePolitik? Ich finde, wir sind im Moment so politisiert, wie ich das in meinen 45Jahren noch nie erlebt habe. Was davor war, kann ich wenig sagen, nur aus denGeschichtsbüchern.

JENS LEHRICH: Da sind wir halt alle vier Jahre malzur Wahl gegangen und haben ein Kreuz gemacht (JULIA REINHARDT: Ja, also-.) undjetzt fangen wir plötzlich an-.

JULIA REINHARDT: Wählen war für mich immer wichtig,so bin ich auch aufgewachsen und so: Mache dein Kreuz. Ja. Aber viel mehr jetztnicht unbedingt. Aber jetzt, wir sind so politisiert, ich finde das gut. Ichfinde das total gut. Was ich nicht so gut finde, ist so, jetzt so so einPolitiker-Bashing zu betreiben. Also ich bin froh, dass ich kein Politiker bin,gerade, keine Politikerin, will es auch gar nicht sein. Aber, dass wir einBewusstsein entwickeln. Auch die Medien hinterfragen. Auch das haben wir sostark nie getan, wie jetzt. Und wie sehr sind wir miteinander verbunden? Wirwerden gerade alle getrennt, wir erleben Trennung auf allen Ebenen. Und wirleiden wirklich, mehr oder weniger alle, darunter und manchmal geht es ebenwirklich auch in den suizidalen Bereich, was du vorhin ja auch berichtet hast.Aber wir leiden alle mehr oder weniger unter dieser Trennung. Und das sichnochmal bewusst zu machen: So will ich es haben. Und sich an die eigene Nase zufassen und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Was kann ich in meinemkleinen Bereich dazu beitragen? Wie gehe ich mit meinen Kindern um, wie geheich mit meinen Nachbarn um, mit meinen Freunden, mit meinen Kollegen, mitmeinen Klienten? Einfach mit meinem nächsten und weiteren Umfeld. Und, ohne dasjetzt allzu philosophisch zu meinen: Die Liebe ist die stärkste Kraft.

JENS LEHRICH: Alexander, du als Bildungsminister(B3 lacht) demnächst, in Bayern?

ALEXANDER LÖHER: Hoffentlich komme ich aus demBildungssektor raus. (Lachen) Nein. Ich merke diese Politisierung natürlich malschon stark und ich finde es auch wichtig und das fällt mir auf: Seit derPandemie sprech-, das war früher nie der Fall, wir sprechen wirklich überAlltagspolitik in den Schulen. Und das ist nicht nur an meiner Schule so, dasist auch an anderen Schulen. Wir beschäftigen uns wieder damit. Ich, okay, ichmache eine politische Arbeit, ich mache das gerne, ich habe mich wahrscheinlichschon früher damit beschäftigt. Aber auch die Mitschülerinnen und Mitschüler,wir reden wirklich viel über Politik und das ist gut und das ist wichtig. Undauch, Sachen zu hinterfragen, kritisch zu hinterfragen, demokratisch zuhinterfragen: Warum ist das denn eigentlich so? Und da sind wir beim ThemaTransparenz, ich glaube, wenn Sachen transparent dargelegt werden, wirklichkleinteilig dargelegt werden-. Warum ist denn so etwas so? Dann muss man das teilweisegar nicht hinterfragen, (CARSTEN STAHL: Richtig.) weil es verständlich ist.

CARSTEN STAHL: Aber da fehlt es ja halt. (ALEXANDERLÖHER: Ja, ja, genau. Absolut.) Ganz, ganz stark. Und deswegen gibt es diese-.Das gibt doch wieder das Brennmaterial für Menschen, die weit über die Grenzenhinausschießen und sagen: „Hey. Das geht jetzt zu weit.” Aber wenn wir nichtmehr hinterfragen können oder wenn wir-, wenn auch Gerichte jetzt kritisiertwerden und die sind ja unabhängig. Dann mache ich mir schon ein bisschenGedanken. (ALEXANDER LÖHER: Ja, absolut.) Und der ein oder andere Politiker, umjetzt keine Namen zu nennen, hat ja jetzt auch mal gesagt: „Mann, ja, stimmt. Wirsind da nicht transparent genug.” Und nichts weiter haben diese 50 Schauspielerja eigentlich gewollt. Transparenz. Jetzt können wir darüber diskutieren, obdas bei allen nun gut ankam oder nicht gut ankam. Aber es hat eines auf jedenFall gefördert: Dass wir mal wieder darüber, oder, dass wir überhaupt maldarüber reden. Und wenn wir in einer Demokratie nicht mehr hinterfragen können,nicht mehr kritisieren können und nicht über die Wahrheit sprechen, oder überTransparenz-. (JENS LEHRICH: Ohne gleich in irgendeine Ecke gestellt zu werden.)Ohne in eine Ecke zu kommen, gleich den Aluhut oder das Nazischild oder wasweiß ich aufzubekommen. Ich sage mal, wo kommen wir denn da hin, ja? Dass wirleider solche Menschen haben, in einer freiheitsliebenden Demokratie müssen wirdamit leben. Und die Demokratie muss das aushalten, dass es auch Leute gibt,die-. (atmet scharf aus) Ja, weit, weit weg sind von der Realität. Aber auchdie Politik muss wieder zurück zur Realität kommen. Die haben die Bodenhaftungvollkommen verloren, die haben den Bürger verloren.

JULIA REINHARDT: Und das ist aber auch unsereVerantwortung. (CARSTEN STAHL: Ja.) Ich stimme dir total zu. Aber das istwieder die Verantwortung, irgendwie wiederhole ich mich gerade ganz toll, aberes ist-. (JENS LEHRICH: Aber das ist ein wichtiger Aspekt, ja.) Es ist unsereVerantwortung, auch da aufmerksam darauf zu machen und nicht einfach nur zuschweigen, sondern ja, vielleicht auch dieses Video zu kommentieren, weiß ichnicht, zu teilen, von dem du gerade gesprochen hast. Ich fand es übrigensgenial, ich finde es genial. (JENS LEHRICH: Die Aktion der Schauspieler, ja.)Ich finde die super. (JENS LEHRICH: Alles dicht machen.) Super. Über einzelneFilme kann man da vielleicht streiten, aber-. (CARSTEN STAHL: Aber nicht in derMasse.) Nein. Genau. Es ist endlich mal benannt worden und es ist jetzt einDiskurs losgetreten worden, der vielleicht so gar nicht hätte stattgefunden. Ichfinde das total gut. Und da geht es darum, dass wir uns bewusst werden, waswollen wir und was können wir vertreten? Und eben sich nicht einschüchtern zulassen und nur, weil vielleicht irgendwie andere lauter sind oder nicht. Undauch immer wieder mich ganz klar abzugrenzen, zu sagen: Nur weil ich denen dieMeinung habe, bin ich aber nicht rechts und kein Aluhutträger und keineVerschwörungstheoretikerin, sondern ich nehme wahr, erlebe. Sowohl in meinemprivaten als auch in meinem beruflichen Umfeld das und das und das. Und ichbenenne das. Benenne, was ist konfrontieren? Das ist benennen, was ist. Es istnicht provozieren, das ist ein himmelweiter Unterschied.

CARSTEN STAHL: Und zu hinterfragen. (JULIAREINHARDT: Ja.) Ich habe ja auch einen Schritt jetzt weiter gemacht, ich bin jajetzt in der Politik, ja. Wobei ich mich komplett-, ich will dieses WortPolitiker-, ich will nicht als Politiker bezeichnet werden, sondern ich sehemich als freier Bürgervertreter. Ich vertrete die Interessen, die Nöte und dieSorgen der Bürger. Weil ich einer bin, ich bin ein Bürger und ein Vater diesesLandes. Und vielleicht hat der ein oder andere Politiker beim Vorbeilaufen amBundestag mal nicht genau hingesehen. Da steht nämlich was, ganz groß: Demdeutschen Volke. Politiker sind Angestellte der Bürger und nicht umgedreht. DiePolitiker dienen und arbeiten für die Bürger und nicht umgedreht: Die Bürgermachen die Arbeit und schaffen das Geld ran, von dem die Politiker, die dieAngestellten der Bürger sind, bezahlt werden. Und solange ein Politiker imbesten Wissen und Gewissen für die Bürger arbeitet und alles macht-, er machtauch mal Fehler, vollkommen okay. So lange ist auch alles okay, aber wenn daetwas passiert, das als Politiker die Bürger verloren gehen. Warum entstehendenn so eine extreme-, ich sage mal, alles, was extrem ist, ist schlecht. Ja.Wenn es zu extrem wird, weil die Menschen sich nicht mehr abgeholt fühlen. Weilsie sich verloren fühlen. Und das gibt Potenzial für Menschen, die sieverführen können, die sie in die falsche Richtung lenken. Ihr wollt, dass dieMenschen nicht so werden? Dann schenkt ihnen Hoffnung, schenkt ihnen Vertrauen,gebt ihnen Transparenz. Und zeigt ihnen, dass ihr für sie da seid und nicht,dass ihr in eurer Sphäre lebt. Macht, was ihr wollt. Ich fand das sehr anmaßendund der absolut falsche Zeitpunkt, dass sich ein Gesundheitsminister, wo alleden Gürtel enger machen sollen, wo alle Existenzängste haben, sich für übervier Millionen eine Hütte kauft. Und sein einziges Problem ist es, dass niemandherauskriegen soll, wie teuer die Hütte war. Du hättest dir die Hütte jetztnicht kaufen sollen, das ist das Thema. (JENS LEHRICH: Aus der Vorbildfunktionheraus.) Ja, aus der Vorbildfunktion, aber volle Pulle. (JENS LEHRICH: Abernicht wegen Neid, sondern wegen … #01:35:31#.) Nein, du kannst dir doch so eineHütte holen, von mir aus auch fünf. (JENS LEHRICH: Da kannst dir auch zehnHütten holen.) Aber später und nicht dann, wenn alle leiden. Das macht einVorbild nicht, ein Vorbild hebt nicht ab. Ein Vorbild ist auf Augenhöhe und dasollten die sich mal alle wieder hinbewegen.

ALEXANDER LÖHER: Und ich finde auch, dass man mitden Vorbildern, wie auch immer, wenn wir da alle in das Gespräch kommen, dassage ich aber, weil in den meisten oder vielen Talk-, mittlerweile, dass wir nurgemeinsam stark sind. (CARSTEN STAHL: Natürlich.) Genau. Jugend, alt,Mittelstand, was auch immer. (JENS LEHRICH: Alle zusammen.) Wenn wir gemeinsamEntscheidungen treffen, wir jeden miteinbeziehen, das ist ja, wofür auch ichimmer bin. Wir lassen die Jugendvertreter sprechen, wir lassen Bürgervertretersprechen. Im Bundestag sind sie ja eigentlich im Grunde genommenBürgervertreter. Wenn wir gemeinsam in die Diskussion kommen und auch mal indie Diskussion, in Streit. Schön und gut, wir streiten, wir finden eine Lösung.(CARSTEN STAHL: Das ist Streitkultur, das ist ganz normal in einer Demokratie.)Wir diskutieren von mir aus stundenlang, wir finden eine Lösung. Aber dann kannman sagen: Wir haben gemeinsam eine Lösung gefunden und natürlich kannst du esnie, das muss man auch ehrlich sagen, nie allen rechtmachen. Aber wenn dusagst, du hast einen Konsens gefunden, eine gemeinsame Lösung, dann sind zumindestdie meisten damit zufrieden und du kannst sagen, es ist transparent, warum? Werhat welchen Aspekt mir reingebracht? Und wir sind einfach, wir leben in einerzufriedeneren Gesellschaft.

JENS LEHRICH: Und deswegen haben wir auch diesesFormat gegründet, Fair Talk, weil wir gesagt haben, wir müssen wieder in denDiskurs kommen. Wir müssen wieder auch Themen aufmachen können, wir müssen überDinge reden können, über die halt in vielen Medien, und es ist keinMedien-Bashing, das wird auch immer falsch verstanden, überhaupt nicht. Nichtmehr gesprochen wird und deswegen, das ist das Angebot auch von Fair Talk. UndMaya, dir gehört das Schlusswort.

MAYA MÜLLER: Oh, vielen Dank, das ist aberschön. Ja, also ich merke so sehr-. Erstmal finde ich es gerade voll schön auchso, das hier zu erleben. Und mein sehr starker Impuls ist einfach so diesesZusammenkommen und, dass wir, so wie du es auch gerade gesagt hast, dass wirdiese Formate brauchen, in denen das möglich ist und diese Räume gestaltenmüssen. Und da sind wir jetzt zum Beispiel auch daran. Ja, ich denke jetzt auchgerade, wo ich das mit den Millionen gehört habe, da würde ich nicht zustimmen,weil ich glaube, dass auch gerade Corona gezeigt hat, ja, Konsum undKapitalismus: Wenn der Konsum wegfällt, wenn die ganzen Berufe, die imKonsumbereich sind, wegfallen, dann kippt das Ganze. Und deswegen auch hierwieder der Impuls so ins Persönliche rein. Also wo kann ich ansetzen und wastun? Und vor allem gerade auch für die Jugend. Also wir sind gerade dabei, einProgramm zu entwickeln, das heißt Next Pioneers, also die Pioniere der Zukunft,mit genau diesen Inspirationen. Wo junge Leute angesprochen werden können undvon älteren begleitet werden, wo wir jetzt zum Beispiel im Sommer einenJugendkongress planen, wo einfach es um diese Selbstermächtigung geht. Und dadenke ich, dass wir jetzt eine ganz, ganz große Chance haben und es geht anjeden Einzelnen in alle Bereiche rein. Also worauf könnte ich auch verzichten?Und was ist wirklich Freiheit und was kann ich hier beitragen? (JENS LEHRICH:Ich glaube-.) Und ich denke, dass da sehr viel von innen kommt.

JENS LEHRICH: Ich glaube, das ist ein ganzwichtiger Punkt. Auch, dass jeder gerade das tut, was er tun kann, und zwardas, was er von Herzen tun kann. Was er von Herzen der Gesellschaft gerademitgeben kann. Und ich möchte mich wirklich von Herzen für diese offene, fürdiese tolle Runde bedanken. Ich habe viel gelernt, ich hatte relativ häufigGänsehaut, was mir jetzt nicht jedes Mal passiert. Ich danke für die, ja, fürdie Verletzlichkeit, die hier alle am Tisch auch gezeigt haben. Und auch fürdie Perspektiven, für die Zukunft, damit wir es für unsere Kinder und für dieJugend besser machen können als das, was wir gerade erleben. In diesem Sinne:Vielen Dank an Maya Müller, (MAYA MÜLLER: Danke schön.) danke schön, JuliaReinhardt, (JULIA REINHARDT: Danke dir.) danke, Alexander Löher und danke,Carsten Stahl. (CARSTEN STAHL: Gerne.) Ich danke euch für das Zuschauen, wieimmer an dieser Stelle: Wir brauchen eure Unterstützung für dieses Projekt.Auch, wenn das hier alles nach großem Kino aussieht, was es auch ist, mit derProduktion und der ganzen Technik und den Möglichkeiten. Da steckt viel Arbeitdahinter und diese Arbeit ist nur dann in Zukunft leistbar, wenn ihr unsunterstützt. Alle Informationen dazu unter diesem Video. Ich wünsche gute Nachtund ja, passt auf euch auf. Bis ganz bald an dieser Stelle. Tschüss.

 

Links

Link 1 http://www.contra-haeusliche-gewalt.de/

Link 2https://ec.europa.eu/germany/news/20171124-gewalt-an-frauen_de

Link 3https://reitschuster.de/post/ueberlastete-klinik-triage-in-wien-aber-nicht-wegen-covid-19/

Link 4https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=5&ved=2ahUKEwjdya-jqdveAhXGC-wKHSF9CCoQFjAEegQIBhAB&url=https%3A%2F%2Fwww.rtl.de%2Fcms%2Fcybermobbing-jedes-fuenfte-mobbingopfer-denkt-an-selbstmord-2465459.html&usg=AOvVaw1Oi_wbe2eL9DdUANj56rqX

https://www.aerzteblatt.de/archiv/80252/Mobbing-erhoeht-Suizidrisiko-Langzeitwirkungen-von-Mobbing

https://www.experto.de/personal/mitarbeiterfuehrung/selbstmord-nach-mobbing.html

https://www.morgenpost.de/ratgeber/article211846709/Warum-wir-das-Thema-Suizid-nicht-mehr-tabuisieren-sollten.html

Link 5https://www.rnd.de/medien/mobbing-bei-promis-unter-palmen-anzeige-gegen-sat1-durch-schauspieler-carsten-stahl-ASD4FIO4MRH5LEOSKNKHMJXCEI.html

https://www.abendzeitung-muenchen.de/promis/carsten-stahl-stellt-anzeige-und-fordert-sat1-sollte-an-frauenhaeuser-spenden-art-492550

Link 6https://www.abendzeitung-muenchen.de/promis/kasia-lenhardt-ex-freundin-von-jerome-boateng-ist-tot-25-art-705022

Link 7Schulen: Jede Woche 500.000 Mobbing-Fälle - DER SPIEGELwww.spiegel.de › Panorama

Studie - 500.000 Mobbing-Opfer an Deutschlands Schulen ...www.sueddeutsche.de › KarriereMobbing: Pöbeln, schikanieren, ignorieren - Tagesspiegelwww.tagesspiegel.de › Gesellschaft › Panorama

Mobbing unter Schülern - WELTwww.welt.de › Print (WAMS)

Studie: 500.000 Schüler in Deuschland werden gemobbtrp-online.de › ... › Wissen › Bildung und Hochschule

Link 8https://www.tagesschau.de/inland/angriffe-lehrer-befragung-101.html

https://www.vbe.de/themen/gewalt-gegen-lehrkraefte

Link 9https://www.ted.com/talks/brene_brown_the_power_of_vulnerability/transcript?language=dehttps://sz-magazin.sueddeutsche.de/wissen/verletzlichkeit-ist-der-schluessel-zu-allem-86367

Link 10https://www.weltvision.org/

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