Unsere Affiliate Links:

KINDHEIT - ERZIEHUNG - LIEBE

mit
Ursula Wesseler, Hans-Joachim Maaz, Felix Lösch und Michael Hüter
Aufgezeichnet am 02.09.2020

In der Talkshow "Auf Augenhöhe" mit Jens Lehrich wird das Thema Kindheit, Erziehung und Liebe behandelt. Jens Lehrich und seine vier Gäste diskutieren über die Frage, wie es sein kann, dass sich die Gesellschaft so stark spalten lässt. Die Gäste kommen aus verschiedenen beruflichen Hintergründen:

  1. Ursula Wesseler, eine Kindergärtnerin aus Paderborn, die die Meinung vertritt, dass Kindheit Freiheit bedeutet – die Freiheit, wild zu sein, zu experimentieren, das eigene Potenzial zu entdecken und verrückte Erfahrungen zu machen.
  2. Dr. Hans-Joachim Maaz, Psychoanalytiker und Bestseller-Autor, erläutert, dass Kinder von Erwachsenen abhängig sind, die sich lieben lassen und führt aus, was Liebe aus seiner professionellen Sicht bedeutet.
  3. Felix Lösch, Sozialpädagoge aus der Schweiz, der darauf hinweist, dass es notwendig ist, andere Wege mit unseren Kindern zu gehen, um ihnen wahre Geborgenheit und Freiheit zu vermitteln.
  4. Michael Hüter, ein Kindheitsforscher aus Österreich, kritisiert das Bildungs- und Betreuungssystem und behauptet, dass wir die wenigen Kinder, die wir noch haben, in einem System verbrennen, das zum Scheitern verurteilt ist.

Die Sendung zielt darauf ab, über die Bedeutung von Kindheit und die Rolle von Erziehung und Liebe zu sprechen und wie diese Faktoren durch die aktuellen gesellschaftlichen Trends und politischen Entscheidungen beeinflusst werden.

Read Episode Transcript

JENS LEHRICH: LiebeCommunity, herzlich Willkommen zu einer weiteren Folge Auf Augenhöhe. Wir sindderzeit mit unserem Team in Köln. Wir freuen uns alle sehr auf diese Sendung,es ist ein sehr spannendes Thema, Kindheit, Erziehung, Liebe. Und es geht heutein dieser Talkrunde um die Ursachen, wie kann es sein, dass wir uns alsGesellschaft derart spalten lassen. Ich möchte an dieser Stelle meine vierGäste heute vorstellen. Ich begrüße ganz herzlich Ursula Wesseler. FrauWesseler Sie sind Kindergärtnerin aus Paderborn, herzlich Willkommen in derRunde.

URSULA WESSELER: Schöndass ich hier sein kann.

JENS LEHRICH: UndSie sagen Kindheit ist keine Insel. Schön dass Sie da sind. Ich begrüße ganzherzlich Doktor Hans-Joachim Maaz, Psychoanalytiker und Bestseller Autor aus Hallean der Saale. Schön dass Sie die Reise hierher auf sich genommen haben (HANS-JOACHIMMAAZ: Danke ja.) Herr Maaz. Ich habe gehört, es war nicht so ganz einfach mitdem Zug hierher zu kommen.

HANS-JOACHIM MAAZ: Nafünf Stunden mit Mundschutz oder Mundschutz Verweigerung, das ist schon eineStress reiche Zeit ja.

JENS LEHRICH: UndSie sagen unser Nachwuchs wird auf dem Altar der Ökonomie geopfert.

HANS-JOACHIM MAAZ:Leider ja.

JENS LEHRICH:Herzlich Willkommen in der Runde. Dann begrüße ich ganz herzlich Felix Lösch.Herr Lösch hallo, schön dass Sie da sind. Sie sind Sozialpädagoge aus derSchweiz, und Sie sagen gerade in der heutigen Zeit ist es dringend nötig,andere Wege mit unseren Kindern zu gehen, um ihnen wahre Geborgenheit undFreiheit mitzugeben, die Voraussetzung für ein glückliches Leben.

FELIX LÖSCH: Ganzgenau.

JENS LEHRICH: AuchIhnen ein herzliches Willkommen.

FELIX LÖSCH:Vielen Dank.

JENS LEHRICH: Undich begrüße zum zweiten Mal in dieser Sendung Michael Hüter, Kindheitsforscheraus Österreich. Hallo Herr Hüter, schön dass Sie da sind.

MICHAEL HÜTER: HalloHerr Lehrich.

JENS LEHRICH: HerrHüter, bei diesem wichtigen Thema sagen Sie, wir verheizen die wenigen Kinderdie wir noch haben in ein defizitäres Bildungs- und Betreuungssystem, damit dieEltern für wenig Geld viel arbeiten können, nur um ein Wirtschaftssystemaufrecht zu erhalten, das zum Scheitern verurteilt ist. Willkommen in derRunde.

MICHAEL HÜTER:Dankeschön.

JENS LEHRICH:Unsere Sendung Kindheit, Erziehung, Liebe. Kindheit Frau Wesseler, wasverbinden Sie mit diesem Begriff?

URSULA WESSELER: ImPositiven würde ich damit verbinden die Freiheit die man später nicht mehr hatim Leben, die Freiheit wild zu sein, die Freiheit zu experimentieren, dieFreiheit auszuschlafen, weil man das später 50 Jahre lang nicht kann. DieFreiheit sein eigenes Potenzial zu entdecken, indem man sich ausprobiert, dieFreiheit auch verrückte Erfahrungen zu machen, die Freiheit zu denken, zufühlen wonach einem ist. Einfach Freiheit, ganz viel Freiheit. Im positivenSinn.

JENS LEHRICH: HerrLösch, Sie sind Sozialpädagoge, was sagen Sie zu dem Begriff Erziehung derzeit?

FELIX LÖSCH: Dassich Sozialpädagoge bin verrate ich normalerweise niemandem, weil das ist fürmich nicht so, ich identifiziere mich jetzt nicht so sehr als Sozialpädagoge.Ich glaube ich bin heute aus einem anderen Grund hier. Mir geht es wirklichdarum, diese ganz frühen Ursachen der Sachen, die wir unseren Kindern in derganz frühen Kindheit antun, darüber zu reden. Das finde ich ist ein ganzinteressantes Thema. Wiederholen Sie nochmal bitte Ihre Frage, was haben Siegesagt?

JENS LEHRICH: MeineFrage war Erziehung, wie sehen Sie heute Erziehung, was ist eine guteErziehung?

FELIX LÖSCH:Grundsätzlich tue ich persönlich mich schwer mit dem Wort Erziehung, weil dashat für mich so viel mit ziehen zu tun, an den Kindern irgendwie herumziehen.Und ich denke wenn es uns gelingt den Kindern wirklich zu vertrauen, zuvertrauen, in ihre Potenziale zu vertrauen, Vertrauen in ihre im Kernangelegten Wachstumschancen, ich weiß gar nicht wie viel Erziehung dann nötigist. Ich formuliere es eigentlich lieber so, dass ich die Kinder gernebegleite, und zwar in einer Subjekt/Subjekt Beziehung, nicht in so einerObjekt/Subjekt Beziehung, wo ich der Erzieher bin und sage das wäre wichtig,dass du das lernst und das bringe ich dir jetzt bei. Sondern ich würde eherversuchen, mit den Kindern auf Augenhöhe Sachen zu besprechen, Sachen zuverhandeln.

JENS LEHRICH: Dawerden wir später noch viel darüber erfahren. Herr Doktor Maaz alsPsychoanalytiker, was ist Liebe für Sie?

HANS-JOACHIM MAAZ: Alsovielleicht das wichtigste Grundbedürfnis des Menschen, ein komplexesGrundbedürfnis. Also psychosozial, körperlich, sogar spirituell. Und es teiltsich in zwei Unterschiede, aktive und passive. Jeder Mensch möchte natürlichgeliebt werden, aber auch lieben können. Das ist zum Beispiel ein großesProblem für Kinder, die brauchen Erwachsene, Eltern die sich lieben lassen. Undwenn ich Liebe auf eine Formel bringe, dann ist es den Menschen frei lassen,weil ich ihn liebe. Oder dafür sorgen, dass es dem anderen, dem Geliebten gutgeht. Das ist nämlich der große Unterschied zu dem was wir Verliebtheit nennen,also ver ist schon eine Formel, da ist was falsch, da ist eine Störung. Und manverliebt sich eigentlich in jemanden von dem man hofft, dass er einem jetzt dasGute tut was man bisher nicht erfahren hat, das heißt der andere wirdmissbraucht und deshalb ist man verliebt in ihn. Und dann ist der Absturz groß,wenn das natürlich nicht in Erfüllung geht, was man sich vom anderen erhofft.Also für Liebe sich einzusetzen, in dem Sinne dafür zu sorgen dass es demanderen, den anderen gut geht, dass man sie versteht, dass man sich einfühlenkann, was brauchen die, kann man das befriedigen und muss es manchmal auchbegrenzen, das gehört auch zur Liebe dazu. Also das ist ein ganz großes Thema.

JENS LEHRICH: DasThema Kindheit Herr Hüter, das ist ja Ihr Thema. Hatten Sie eine schöne Kindheit?

MICHAEL HÜTER: Ja.Ich denke mir vor allem in den letzten Monaten wieder, so stark eigentlich wienoch nie in meinem Leben, dass ich über eines vor allem glücklich bin, in derZeit in die ich hineingeboren wurde. Also ich bin 1968 geboren und einfachglücklich darüber. Einmal vom sage ich jetzt mal familiären Rahmen unabhängigin diesen gesellschaftlichen in diese Zeit hineingeboren worden zu sein. Weiles ist ja auch ein Thema meines Buches, ich davon überzeugt bin, auch wenn dassehr viele vermutlich auf den ersten Blick nicht so sehen werden, dassaußerhalb von Kriegszeiten derzeit wahrscheinlich unsere Kinder unter dendenkbar schlechtesten Bedingungen aufwachsen seit zumindest dem Ende deszweiten Weltkriegs. Und aber zu meiner Kindheit noch, ja ich hatte eine sehrglückliche Kindheit. Die vor allem darin bestand, was damals nochselbstverständlich war, also ich bin sagen wir mal aus relativ einfachenVerhältnissen komme ich ursprünglich. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, alsoim kleinstädtischen Bereich die ersten zehn Lebensjahre. Und ich habe vor allemeines noch erlebt, was lange Zeit selbstverständlich war, dass Kindheit sehrviel einfach auch mit erleben im Freien zu tun hat, zu tun gehabt hat mitEigenständigkeit, mit Abenteuer, eben nicht mit Erziehung, sondern mit anderenKindern zusammen sein, die Welt sich selbst erarbeiten, erforschen, selbstbegreifen. Also wir sind, damals gab es also in der Stadt in der ichaufgewachsen bin, da gab es so was wie Nachmittagsbetreuung überhaupt nicht. MeineFrau hat das gleiche Alter wie ich, die kam überhaupt zum Beispiel gar nicht inden Kindergarten, weil die kam auch aus dem kleinstädtischen Bereich inÖsterreich, weil es dort überhaupt noch keine Kita gab. Und wir sind, also ichhabe das Schulsystem normal durchlaufen und ich bin in die Grundschulegekommen, da war jeden Tag um zwölf oder ein Uhr Schluss. Und dann ging esjeden Tag bis acht Uhr abends, da muss es wirklich geschüttet haben, ging esins Freie. Heute oder schon seit zehn Jahren verbringen nur noch zehn Prozentaller Kinder in Europa ihre Zeit noch im Freien. 1991 waren es noch dreiviertelder Kinder, die täglich ihre Zeit im Freien verbracht haben, in welchem Ausmaßwie auch immer. Also wir steuern derzeit auf die größte Ghettoisierung vonKindheit hin, die es jemals in der Menschheitsgeschichte gegeben hat. Und dashat verheerende, wirklich verheerende Auswirkungen. Alle gesellschaftlichenSymptome oben können Sie letztendlich darauf zurückführen wie wir mit Kindernumgehen, beziehungsweise wie wir sie aufwachsen lassen.

JENS LEHRICH: Ichmöchte an dieser Stelle ganz kurz nochmal für all diejenigen, die jetzt neudabei sind, das Konzept dieser Sendung erklären. Es ist ganz einfach, es gibtfünf Thesen, über diese Thesen werden wir jetzt in den nächsten zwei Stundenetwa mit den Gästen hier am Tisch reden. Und die erste These des heutigenAbends lautet so: In der Schule lernen wir für das Leben. Frau Wesseler, wieviel haben Sie in der Schule für das Leben gelernt?

URSULA WESSELER:  In Bezug auf meine Schulzeit würde ich sagen,ich habe ein vollkommen falsches Bild vom Leben bekommen durch die Schulzeit,denn ich war der Meinung, nur wenn man sehr viel Angst hat und nur wenn mansehr sehr viel Leistung bringt, und nur wenn man versucht immer der Beste zusein, hat man überhaupt eine Chance. Das hat mir Schule vermittelt. Und das istverheerend, weil es ist zerstörerisch, es ist falsch, weil ein volles Lebendamit überhaupt nicht möglich ist. Also wenn ich keine Angst hatte habe ichgedacht es stimmt irgendetwas nicht. Und der Prozess sich da wiederherauszulösen bis zu dem Punkt wo eine eigene Wahrheit entsteht oder ein vollesLeben entstehen kann, ist ein unglaublich langer Weg, vor allen Dingen weil soviel Angst damit verbunden ist. In Bezug auf Corona jetzt auch wieder sehrverheerend. Das ist meine Schulzeit gewesen, ich war eine der bestenSchülerinnen und ich hatte so unfassbar viele Ängste, dass ich Jahre,Jahrzehnte davon noch geträumt habe, ich muss mein Abitur nochmal machen. Ich meineden Traum kennt glaube ich jeder, der in Deutschland zu dem Zeitpunkt in derSchule war.

JENS LEHRICH: Denhabe ich auch schon das ein oder andere Mal geträumt.

URSULA WESSELER: Daschwitzt man Blut und Wasser, weil man da nochmal durch muss. Das war dieBotschaft der Schule für mein Leben. Ich habe nichts gelernt. Buchhaltung habeich behalten, ich kann immer noch ziemlich gut Englisch, aber der Rest warwirklich nicht relevant für das was ich später getan habe, in keinster Weise.

JENS LEHRICH: HerrDoktor Maaz, welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Schulzeit?

HANS-JOACHIM MAAZ:Schrecklich, ich bin in der DDR aufgewachsen. Aber zu dieser Formel in derSchule lernt man für das Leben, die kann ich nur ertragen wenn ich sage in derSchule lernt man für das falsche Leben, für das entfremdete Leben. Und das wasder Mensch wirklich für das Leben braucht, also wie er Beziehungen gestaltet,wie er liebt, wie er Konflikte löst, wie er mit seinen Gefühlen umgeht, davonwird überhaupt nichts gelehrt und vermittelt. Also es wird das was wir zumLeben brauchen wird in der Schule nahezu verdorben oder überhaupt gar nichtvermittelt. Und das was wir für die Anpassung an ein falsches Leben brauchen,das wird vermittelt. Also die Schule rekrutiert im Grunde genommen gestörteMenschen, die dann in die gestörte Gesellschaft passen, und dort im Grundegenommen das vollziehen sollen, was sie aus ihrer Entfremdung gelernt haben undin die entfremdete Gesellschaft tragen sollen.

JENS LEHRICH: Wannist Ihnen das klar geworden?

HANS-JOACHIM MAAZ: Na zuDDR Zeiten die Schule war autoritär, war repressiv, war ideologisiert. Wirwussten immer was die da vorne erzählen das stimmt nicht, die spinnen, das istLüge, das ist Heuchelei, aber damit musste man nun fertig werden. Ich erinnereZeiten, wo man dann einen Aufsatz schreiben musste zu irgendeinem ideologischenThema, das war eine Tortur, das war wie eine Folter. Und einen schmalen Grad zufinden sich nicht absolut zu verbiegen und irgendwie doch noch mit der Zensurdurchzukommen. Da würde ich mal sagen, da ist meine Seele gestählt worden indieser Auseinandersetzung mit der Lüge, mit der Heuchelei, also das abzuspürenund so. Also ich muss mal sagen ich musste vieles was ich in der Schule danngelernt habe, was mir aufgenötigt wurde, regelrecht verlernen, regelrechtwieder vergessen, damit ich nach meinem Gefühl halbwegs in Würde bleiben undkommen konnte.

JENS LEHRICH: HerrHüter, Sie sagten Sie hatten eine schöne Kindheit, gehört die Schule auch dazu?

MICHAEL HÜTER: Nein.Ich habe nicht wirklich gelitten, das muss ich gestehen in der Schulzeit, siewar weder besonders gut noch besonders schlecht. Sie war für mich nichtwirklich bedeutend. Ich hatte das Glück aber auch nicht in der DDR in dieSchule gegangen zu sein. Und eben in einer Epoche in die Schule gegangen zusein in Österreich wo die Schule für eine ganz kurze Phase in der Geschichteder Menschheit eben nicht eine ideologische Erziehungsstätte war. Darf ich beider Gelegenheit gleich einmal als Historiker mal dazu sagen, in der Schulelernen wir für das Leben, wir lernen für das falsche Leben. Oder andersformuliert, die Schule seitdem es sie gibt, sie ist ja ein Produkt desAbendlandes sozusagen ja, also wir verdanken ja die Schule, unserBildungssystem heute, so wie es ist, verdanken wir der katholischen Kirche mitden Kolleg Gründungen. Und ich kann jetzt, es gibt in meinem Buch ein Kapitelzur Geschichte der Schulzeit. Aber ich möchte jetzt nur mal das Wichtigsteeinmal sagen, dass das einmal wieder in Erinnerung gerufen wird, in den ganzen400 Jahren, es ging in Wahrheit nie um Bildung in dem System Schule, sonderndie Schule war immer ein ideologischer Ort. Als erstes war die Schule dazu dadass wir gute Christen werden vereinfacht gesagt, dann war die Schule in Europawandelte sie sich im 19. Jahrhundert immer stärker zu Militärschulen, wirwurden mindestens 150 Jahre im Wesentlichen auf den Krieg immer wiedervorbereitet in der Schule. Und die Schule war dazu da, um aus uns gute Arbeiterund Angestellte zu machen, billige Arbeiter zu machen. Die Schule war vor allemdann springen wir nach 1945, um aus uns gute Konsumenten zu machen, dann GenderMainstream, Sexualpädagogik, jetzt Corona et cetera. In der Schule ging es niein Wahrheit, das ist ein Mythos der immer wieder im Westen erzählt wird, dassdie Schule etwas mit Bildung zu tun hat. Es war eine Phase in Europa, in vielenTeilen Europas ja, Ende 60er, 70er Jahre, rauf bis sagen wir mal zurJahrtausendwende, wo sich das wirklich mal verbessert hat, wo zum Beispiel dieGewalt aus der Schule verschwunden ist. Die Schule war vor allem immer ein Ortder Gewalt.

URSULA WESSELER: Jadas war es bei mir auch noch.

MICHAEL HÜTER: Diewenigsten. Und nur weil jetzt sozusagen die physische Gewalt verboten ist inder Schule ja. Aber die letzten Schulen, die in Deutschland und Österreichaufgehört haben mit der Züchtigung mit der körperlichen, das ging ja teilweisenoch in die 60er Jahre hinein, das ist ja noch nicht einmal so lange her. Essind erst 20 Nationen in Europa, äh auf der Welt, erst über 20 Nationen, die inder Grundverfassung des Staates die Gewalt Freiheit am Kind, also die Gewalt amKind verboten haben. Das muss man sich vorstellen. Bei über 200 Nationen aufdieser Welt haben diesen Passus bisher glaube ich erst 23 oder 24unterschrieben, das ist schon lange her und da kommt auch niemand mehr weiterdazu. Und das ist nicht einmal in Stein gemeißelt, es kann durchaus sein, dasbefürchte ich, die Gewalt auch wieder in den Schulen einzieht. Und lassen wirjetzt mal den Lehrkörper weg, ist die Gewalt in der Schule sowieso immergeblieben bis zum heutigen Tag, nämlich zum Beispiel das Thema Mobbing. (URSULAWESSELER: Ganz heftig ja.) Das ist immer noch existent. Das ist seit 400Jahren, das ist nichts was jetzt völlig neu wäre oder so. Die Schule war immerin irgendeiner Form auch Ort der Gewalt, weil sie falsch ist, weil sie einabsurdes Konstrukt ist. Aber da können wir ein anderes Mal-.

HANS-JOACHIM MAAZ: Mirfällt noch dazu ein wenn Sie sagen nie ein Ort der Bildung, aber immer ein Ortder Anpassung (URSULA WESSELER: Anpassung ist das Stichwort.) an die Mächtigen,also Lehrer, Eltern, Gesellschaft. Und da fällt mir nochmal ein wie sehr wir zuDDR Zeiten darunter gelitten hatten dass es immer ein Kollektiv sein sollte, alsoman sollte sich anpassen und einordnen, unterordnen in einen Kollektivsinn unddas Individuelle war grundsätzlich verpönt. Und mit der Wende haben wir spürbaraufgeatmet dass das jetzt vorbei sei, aber das ist ein Irrtum gewesen. Also mitEntsetzen habe ich immer wieder festgestellt dass es im Westen eine andere Artder Anpassung oder Unterwerfung gibt, also zum Beispiel stark sein, sichdurchsetzen, mit heucheln immer, Schein, mehr Schein als Sein und solcheSachen. Und wenn ich jetzt die Kinder sehe die alle mit einer Maskeherumlaufen, also da wird mir speiübel, ich halte das für kriminell, was manden Kindern antut. Und dass es da kein kollektives Aufbegehren gibt wie man imMoment sichtbar die Kinder misshandelt, also das ist für mich schwer. (MICHAELHÜTER: ...#00:19:49#)

JENS LEHRICH: Darfich ganz kurz, weil darüber wollen wir auf jeden Fall später auch nochsprechen. Ich würde gerne einmal von Herrn Lösch erfahren in der Schweiz IhreSchulzeit, welche Erinnerungen haben Sie daran?

FELIX LÖSCH: Ichbin ja kein gebürtiger Schweizer, sondern ich bin eigentlich wie Herr Maaz einehemaliger DDR Bürger und ich habe skurriler Weise relativ schöne Erinnerungenan meine Schulzeit, obwohl ich Ihre Meinung vollkommen teile. Warum die schönsind? Weil ich genau in einer Zeit zur Schule gegangen bin, als dieses Systemzu einem Ende gekommen ist, und ich bin in dieser Aufbruchstimmung gewesen undkonnte mich da entfalten. Die Schule war also für mich ein Ort wo icheinerseits Leidensgenossen gefunden habe, mit denen ich mich zusammentun konnteund wir waren recht rebeliös, wir haben gegen die Lehrer agiert, wir habenunsere eigenen Aktivitäten gemacht, wir haben ja. Und in diesem Zusammenhangist das für mich ein Ort wo ich mich auch entfalten konnte, was schön war, woich das Gefühl hatte ah hier kann ich aktiv werden, hier kann ich auch kreativwirken. Und insofern ist diese Schulzeit für mich, neben dem was Sie erlebthaben Frau Wesseler, was ich durchaus auch natürlich in mir habe, diese Ängste,diese Prüfungsängste und so weiter, ist es doch gerade weil es zum Ende meinerSchulzeit war sind die Erinnerungen so, dass ich das Gefühl hatte wow hier gingwas, hier konnten wir doch was bewirken. Und das sind schöne Erinnerungen.

JENS LEHRICH: Istdenn die Kritik vielleicht grundsätzlich zu pauschal Herr Hüter an der Schule?

MICHAEL HÜTER:Natürlich gibt es immer individuelle Lebensläufe und individuelle Erfahrungenja. Man weiß ja zum Beispiel, es gibt ja eine unendlich lange Schulkritik jaaus allen Wissenschaftsbereichen. Und ganz wichtig, die Schule ab dem Momentwie sie gegründet wurde, wo das Schulwesen entstanden ist im 16., 15.Jahrhundert in Europa, bis zum heutigen Tage hatte die Schule nie 100prozentige Zustimmung. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen, inder Anfangsphase 17., 18. Jahrhundert, England teilweise bis zum 19.Jahrhundert gab es in Europa so was wie Schüleraufstände. Das weiß heute keinermehr. Die Schule durchzusetzen flächendeckend das hat Jahrhunderte gebrauchtbis diese Akzeptanz war. Nur laufen jetzt eben schon so viele Generationendurch dass wir so tun als ob es gar nicht anders ginge, als wäre es einKulturgut. Während auf der gleichen Seite es seit Jahrzehnten immer noch biszum heutigen Tag eben eine wissenschaftliche Schulkritik gibt ausNeurobiologie, aus Pädagogik, aus Psychologie et cetera. Und der Output inWahrheit ja immer schlechter wird. Und man weiß zumindest was das-. Und Schuleist ja nicht Schule, es gibt ja verschiedene Schulen auch, dann hängt dasnatürlich auch mit der Art der Schule zusammen. Ganz stark auch mit dem Lehrer(URSULA WESSELER: Einzelne Lehrer, sehr wichtig.) genau, mit dem Lehrer ja. Undman weiß zumindest unsere alte Regelschule, wie wir sie ja noch immer inEuropa, vor allem Deutschland hat ja immer noch ein Schulsystem aus dem 19.Jahrhundert im Wesentlichen, da weiß man ja auch, da gibt es ja genugwissenschaftliche Untersuchungen, dass diese Art der Schule für 20 Prozent derSchüler passt. Die kommen damit klar. Aber 80 Prozent fallen im Prinzip durchden Rast. Und das ist im Prinzip eine riesen Ressourcen Verschwendung. Und aberalles entscheidend ist auch, es wurde immer wieder überprüft, da gibt es einenDeutschen, nicht der Gerald Hüter, sondern einen anderen Neurobiologen, GerhardRot glaube ich, der in dem Bereich-. Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher ob derName stimmt, aber ein deutscher Neurobiologe. Man hat auch zum Beispielherausgefunden, das wurde immer wieder bestätigt, dass das was wir anlernen imLaufe unserer Schulzeit ja, dieses Wissen, dass das zwei bis drei Jahre nachSchulaustritt, also nach dem Abitur, ist das mehr oder weniger bis zu zehnProzent weg. Es ist eigentlich im Prinzip Beschäftigungstherapie. (URSULAWESSELER: Buchrechnen.) Aber diese Beschäftigungstherapie richtet, und darichtet sich ja die Schulkritik vor allem der letzten Jahre ja dran,unglaublich viel Schaden ja auch an. Weil Sie angesprochen haben mit denKindern mit den Masken, ja das ist ein Menschheitsverbrechen. Aber warumfunktioniert es, warum machen es alle? Weil in der Schule lernen wir vor allemeines, zu gehorchen. (HANS-JOACHIM MAAZ: Anpassen ja.) Uns anzupassen und zugehorchen. Jeden Befehl von oben auszuführen ja. Und seitdem wir diesesSchulsystem haben, die Massenbeschulung, seit 100 Jahren, Deutschland ist dasbeste Beispiel, können Sie jede Ideologie ohne Probleme binnen einer Generationdurchsetzen. Und die Menschen wechseln das, ob vom Kommunisten zumNationalsozialisten, zum (HANS-JOACHIM MAAZ: Narzissten.) Narzissten, zu jetztim Moment Corona gläubigen oder ablehnen, wie auch immer, oder GenderMainstreaming, Sie können jede noch so krankhafte Ideologie können Sie dank,unter Anführungszeichen dank unseres sogenannten Bildungssystems, vollständigin eine Gesellschaft binnen-.

JENS LEHRICH: Darfich da mal ganz kurz.

URSULA WESSELER: Michkribbelt es schon.

JENS LEHRICH: Jadie Frau Wesseler, Ladys First.

URSULA WESSELER: Alleswas Sie über Schule gesagt haben passt für Kitas, alles. Und dieser Zugriff aufdie Kitas kam relativ spät, die Schulen hatten ja sehr lange Vorlauf. Aber dassdie Kitas wie die Schulen geworden sind, mit all diesen negativen Aspekten, dasist relativ neu.

MICHAEL HÜTER: DieIdeologisierung der Kita?.

URSULA WESSELER: Ja unddieser extreme Anpassungsdruck auf die Kinder auch in den Kitas. Früher war jaeine Kita, jedenfalls bei uns, da ging man morgens zwei, drei Stunden hin, datraf man andere Kinder, und wer keine Lust hatte, der ging da auch nicht hin.Das war so ein Spieltreff im Dorf oder so. Und zum Mittagessen ging mannachhause. Und Nachmittags konnte man dann nochmal gehen, aber da hatte auchkeiner mehr Lust zu, da sind die lieber auf die Bäume geklettert die Kinder.Das war auch nicht so von Belang, da gab man die Kinder halt hin und wenn esnicht klappte war auch gut. Aber das ist halt eine völlig andere Geschichtegeworden mittlerweile, weil dieser Begriff Bildung heruntergezogen worden ist.Alles was wir jetzt besprochen haben über Schule ist genauso für Kindergärtenzutreffend. Anpassung, Anpassung.

HANS-JOACHIM MAAZ: Mirfällt dazu auch nochmal ein, mit der Verbindung jetzt wo wir auf die Kinder mitden Masken gekommen sind, also dieser ganze Corona Wahn basiert doch daraufdass man den Menschen hat Angst machen können. Und dann wenn man solche Ängstehat dann, dass man also erkranken kann, sterben kann und so weiter, dannpariert man auch leichter. Und dasselbe Prinzip ist in den Schulen, also dieAngst zu versagen, die Angst vor Zensuren, die Angst vor Beurteilung. Also daswird mir jetzt nochmal deutlich, dass die Schulen so wie wir sie kennen, wieSie sie kritisieren, im Wesentlichen auf Ängstigung, Angstmache resultieren.Und das ist im Grunde genommen die Quelle des Gehorsams.

MICHAEL HÜTER: Inden letzten Jahrzehnten ist es nur subtiler geworden. (URSULA WESSELER: Nocheher, Kindergärten.) Es ist halt nicht nur der Lehrer mit dem Rohrstock, derden Kindern beim falschen Ergebnis auf die Finger schlägt oder sonst irgendwas,wie das lange Zeit der Fall war, die Gewalt ist sozusagen subtiler geworden.Aber im Prinzip ist die Schule ein Unterwerfungssystem. (URSULA WESSELER: UndFrüher.)

FELIX LÖSCH: FrauWesseler, ich möchte ganz kurz, jetzt kribbelt es bei mir. Sie haben gesagtnoch früher, ich gehe nochmal, nein noch früher. Es beginnt sogar noch vor derKita. Es beginnt nämlich eigentlich wie wir mit dem ungeborenen Leben umgehen.Und darüber können wir dann auch nochmal reden, das finde ich auch noch-. Aberes beginnt meiner Meinung nach eben nicht bei der Kita oder bei der Schule,sondern es beginnt eigentlich mit dem Kind im Mutterleib. (URSULA WESSELER: Dasist die Norm.) Und was da an Ängsten geschürt wird und was da gemacht wird. Ichglaube, da möchte ich gerne nachher noch ein bisschen darauf eingehen. Aber ichfinde es beginnt, das möchte ich einfach gesagt haben, es beginnt (URSULAWESSELER: Ja Sie haben recht, auf jeden Fall.) noch früher.

JENS LEHRICH: Ichwürde dennoch gerne mal, wir haben ja nun keinen Lehrer am Tisch sitzen. Ichglaube jetzt 90 Prozent der Lehrer die zuschauen würden sagen, also was redendie da. Haben Sie den Eindruck den Lehrern ist das schon bewusst, aber siekommen aus diesem System auch nicht heraus?

MICHAEL HÜTER: Nadie Lehrer-. (JENS LEHRICH: Oder wann sie austreten-.) Ja zu den Lehrern, esgibt-. Ich glaube gar nicht, dass 90 Prozent der Lehrer jetzt so verwundertwären über das was wir da jetzt sagen, sie wissen es ja alle. Es gibt ein ganzwunderbares Buch von, es gibt eine ganze Menge ja, aber das fällt mir spontanein, von dem amerikanischen sehr renommierten Psychologen und SchulkritikerPeter Grey, Lernen in Freiheit glaube ich heißt es, ich weiß den Titel jetztnicht ganz genau. Und der weist ja darauf hin, dass ja jeder das System Schulekritisiert, die Lehrer fordern ja auch Schulreformen, es fordert ja jeder. Esfordern Eltern, die Kinder wollen es so nicht wie es ist, die Lehrer wollen esnicht so wie es ist ja, nur jeder fordert andere Reformen. Jeder will wasändern. Aber gemeinhin, also das Verbindende ist ja durch diese Kritik oderdurch die Forderung dass jeder eine Reform fordert, gestehen ja im Prinzip alleSeiten ein dass das System so wie es läuft nicht funktioniert. Das Problem istnur, jeder hat eine andere Form, eine andere Vorstellung von dem wie es richtigsein soll.

HANS-JOACHIM MAAZ: Inder Psychotherapie gibt es ein Wort, Lehrer ist kein Beruf sondern eineDiagnose. Das ist nicht böse gemeint, also nicht abwertend in dem Sinne,sondern die Lehrer die zur Behandlung kommen, und da kommen also aus meinerPraxis sind viele gekommen, aus diese Konflikthaftigkeit zwischen dem was sielehren sollen und dem was sie selbst für richtig finden oder notwendig finden.Also der Lehrer wird automatisch in diesen Konflikt gestellt, also höhere Wertedie verordnet sind, ideologisiert sind, vertreten zu sollen gegen sein eigenesGewissen.

JENS LEHRICH: Dasgeht ja ganz vielen Berufsgruppen so, also ist ja bei Ärzten so, ist beiJuristen so. Gerade weil Sie auch Corona und die Masken angesprochen haben.

HANS-JOACHIM MAAZ: Aberdort wo eben dann die Lehre stark ideologisiert ist, ist das besondersschwierig, weil da am ehesten auch das ethische Prinzip verletzt wird, wie kannich mich da durch mogeln ja. Und ich habe manchmal im Ergebnis solcherKonfliktanalysen habe ich immer gesagt na ja, was Sie dann vor den Kindernsagen oder mit den Kindern umgehen kann doch was ganz anderes sein als das wasSie vertreten sollen. Und ich weiß dass es Lehrer gibt, die deshalb hochverehrt wurden weil die Kinder erlebt haben, dass die anders sind als das wasso öffentlich verlautbart ist.

JENS LEHRICH:Dennoch zeigt es im Moment auch, um jetzt nochmal auf das aktuelle Thema Maskeneinzugehen, dass wenn Lehrer eigene Entscheidungen treffen, also ich habe hiereinen Artikel aus der Zeit, Schulleiter wegen Widerstands gegen Maskenpflichtsuspendiert. Gut das ist jetzt das Thema Corona, aber grundsätzlich zeigt esauch, dass Lehrer die eben nicht angepasst mitmachen dementsprechend, jetztgerade bei dem Thema, auch sofort mit Konsequenzen zu rechnen haben. FrauWesseler, Kindergarten auch?

URSULA WESSELER: Beiuns im Kindergarten auch.

HANS-JOACHIM MAAZ: KeinLehrer dürfte das mitmachen, keiner, das ist eine Misshandlung von Kindern, (URSULAWESSELER: Keine Erzieherin.) keine Erzieherin.

MICHAEL HÜTER: Aberwarum spielen so viele mit? Weil das ist ja schon so tief in unserer Kulturdrin, weil da schon Generationen einfach unterworfen worden, ich nenne es jetzteinfach mal so. Die Schule ist ja ein Herrschaftsinstrument. Es findet ja aufpolitischer Seite im Grunde genommen kaum mehr noch auf dieser Welt einewirkliche Schulreform statt beziehungsweise eine Diskussion. Bestenfalls solldigitalisiert werden oder solche Nebenschauplätze. Warum? Der Historiker YuvalNoah Harari hat einmal gesagt, in seinem Weltbestseller die Geschichte derMenschheit, dass die meisten Menschen vergessen, dass das was wissenschaftlicheErgebnisse sehr wohl auch den Machthabenden bekannt sind. Es gibt ja eineunendlich lange fundierte begründete Schulkritik. Ich habe sie malzusammengefasst, aus allen Bereichen, Neurobiologe, Psychologie et cetera. Esfordert ja nicht einmal mehr der Staat wirkliche Schulreformen. Auch wenn Sieunterhalb der einzelnen Parteien schauen ja, fordert niemand mehr wirklichgrundlegende Veränderungen oder eine vollständige Schulautonomie, weil jederdie Hoffnung hat, wenn er an die Macht kommt, dass er dann seine Ideologie dadurchdrücken kann.

JENS LEHRICH: Eswird eher als modern verkauft eben möglichst früh in die Kita und möglichstlange in der Schule bleiben.

URSULA WESSELER: Nichtnur modern, es ist absolut notwendig. Die Bundesbildungsministerin, Schulministerinauf Bundesebene hat vor zwei Jahren gesagt, ich weiß gar nicht wer das war vorzwei Jahren, hat gesagt Eltern können das nicht leisten was Erzieherinnenleisten können, die sind fachlicher. Da ist mir das Herz in die Hose gerutschtehrlich.

JENS LEHRICH: Dakönnen wir, das ist eine wunderbare Überleitung gleich zur zweiten These desheutigen Abends kommen, die heißt nämlich: Keine Mutter kann einem Kind dasbieten, was eine Krippe bietet. Und das Zitat stammt von einer deutschenStaatssekretärin im Bildungsministerium des Bundeslandes Rheinland-Pfalz beieiner öffentlichen Veranstaltung 2014. Herr Lösch, Ihre Kinder werden Bedürfnisorientiert groß. Vielleicht sagen Sie mal, warum haben Sie sich dafürentschieden?

FELIX LÖSCH: Mirdreht sich bei der These natürlich ein bisschen der Magen um. Ich finde es aberauch immer schwierig, solche Sätze aus dem Kontext heraus wirklich bewerten zukönnen. So wie die Aussage jetzt gemacht wird denke ich ist es tragisch,schlimm so einen Satz zu sagen. Wenn ich den Kontext kennen würde, den ichnicht kenne, relativiert es sich vielleicht wieder. Ich denke dem ist ganz undgar nicht so, eine Mutter kann einem Kind, oder ich sollte vielleicht liebersagen Eltern können einem Kind etwas bieten, was eine Kita oder eineKinderkrippe oder was es auch immer ist, in keinster Weise bieten kann. Nämlichdie Liebe, die Fürsorge, die Zuwendung, die ein Kind in diesem Alter braucht.Ich bezweifle, dass eine Kinderkrippen, wie nennt man diese Damen? (URSULAWESSELER: Erzieherin.) Eine Kinderkrippen Erzieherin, vielen Dank. (URSULAWESSELER: Fachkraft für Frühpädagogik bitte ja.) Eine solche Person wirklich esschafft, Frau Wesseler Sie wissen vielleicht auch wie viele Kinder da sind,aber ich gehe jetzt mal aus von 20 Kindern, 20 Kindern das zu geben was eineMutter ihren ein, zwei, drei Kindern geben kann. Das geht für mich einfachnicht auf eine solche Rechnung zu machen, und deshalb finde ich den Satzwirklich recht bedenklich. Ich denke ja-.

JENS LEHRICH: Aberdie Politik zeigt ja letztendlich, dass es genau in die Richtung geht, oderFrau Wesseler?

URSULA WESSELER: Esgeht immer mehr in die Richtung. Es wurde jetzt diese Woche wieder gefordert,dass zum Beispiel die Kitas personell sehr sehr stark aufgestockt werden müssen.Lustigerweise wieder von der Bertelsmann Stiftung, das ist wieder noch einanderes Thema. Und da sagte dann die Frau Giffey nein nein nein, das ist nichtdie Anzahl der Personen, die die Qualität ausmacht, sondern die Fachlichkeit.Also eine gute Erzieherin kann auch alleine mit zwölf Zweijährigen völligentspannt acht Stunden den Tag verbringen. Und das nennt sich dann Bildung.

HANS-JOACHIM MAAZ: Undda ist der Grundirrtum, die Einschätzung liegt ja schon in dem Wortfrühkindliche Bildung. Ich halte das für einen Wahnsinn, für Schwachsinn ja.Also das kleine Kind braucht Bindung und keine Bildung. Und da ist im Grundegenommen auch der Unterschied. Was eine Mutter, selbst eine nicht so guteMutter, ich sage mal keine Mutter kann perfekt sein, ist aber diejenige dieeben Bindung herstellt, die Empathie hat, oder mit dem sich das Kindunmittelbar und persönlich auseinandersetzen kann. Und das geschieht in einerKindereinrichtung wo viele Kinder sind, wo man sich gar nicht so persönlich aufdas Kind einlassen kann. Also für uns Psychoanalytiker ist Bindung das zentraleWort. Und da gibt es auch einen Unterschied zwischen Kinderkrippe oderKindergarten ja. Also die ersten drei Lebensjahre sind im Wesentlichen darauforientiert dass das Kind Bindung erfährt, also empathische Einfühlung,Bestätigung, Begrenzung, Befriedigung erfährt. Und dann in der Entwicklung,etwa ab drittem Lebensjahr, wenn eine Kindergartenzeit beginnt, ist die sozialeReife auch so des Kindes dass es soziale Kontakte braucht, den Austauschbraucht, der auch über die Eltern hinausgehen kann. Also das schöne alte Bilddas Kind braucht für seine Entwicklung ein ganzes Dorf ja, stimmt tatsächlich.Aber eben die Größe des Dorfes oder der sozialen Kontakte entsteht eben erstmit der Entwicklungsreife des Kindes, und da ist so die Zäsur drittesLebensjahr entwicklungspsychologisch ziemlich gesichert, dass es bis dahin ebendie Mutter braucht, die Eltern braucht, oder nahe Beziehungspersonen, diewirklich individuell da sind. Und dann kann der soziale Raum vergrößert werden.

JENS LEHRICH: HerrHüter sofort, ich wollte eine Nachfrage noch an Herrn Doktor Maaz stellen. Waspassiert denn mit kleinen Kindern aus Ihrer Sicht, aus Sicht dessen was Sie mitIhrer Wissenschaft herausgefunden haben, die jetzt zum Beispiel mit einem Jahr?(URSULA WESSELER: Vier Monate.) Vier Monate sogar. (URSULA WESSELER: Mit vierMonaten werden die abgegeben.) Wenn die in die Kita kommen.

HANS-JOACHIM MAAZ: Naja, es ist eine grundlegende Verunsicherung der Strukturbildung auch. Wirwissen ja auch, dass die Gehirnentwicklung abhängig ist von derBindungsqualität, von der Beziehungsqualität die ein Kind erfährt. Und wenn eskeine Gelegenheit hat eine so sichere Bindung zu erleben in den Beziehungen,dann wird sagen wir die Gehirnstruktur, die Persönlichkeitsstruktur auch nichtausgebildet. Und das sind am Ende die Menschen, die strukturell verunsichertbleiben. Wir nennen sie Frühstörung, wir kennen es dann als Borderline oder alsnarzisstische oder als schizoide Persönlichkeitsstrukturen. Also eineStrukturschwäche in der Persönlichkeit, deshalb auch dann eine spätereBindungsschwierigkeit oder Identitätsschwierigkeit, oder eine Trennung zwischender Selbstwahrnehmung und der Fremdwahrnehmung. Also eine grundlegende Störungin der Persönlichkeitsentwicklung, die in den ersten drei Lebensjahrenentscheidend geprägt wird.

JENS LEHRICH: HerrHüter, Sie rutschen nervös hin und her.

MICHAEL HÜTER: Ja, also ich würde vorallem Herr Lerrich bitten, dass wir bei dem Punkt, weil zum Thema Schulekönnten wir ja eigentlich eine eigene Sendung machen, dass wir bei der These,bei dem Punkt vielleicht noch bisschen länger verharren, weil letztendlich istdas das große Problem unserer modernen Gesellschaft. Zu diesem Zitat in demKontext, keine Mutter kann einem Kind das bieten was die Krippe bietet, daskommt auch in meinem Buch vor beziehungsweise in meinem (?Fin), kindheit6.7.Das ist von einer Staatssekretärin und es war natürlich ein Wahlkampf Slogan,SPD Politikerin glaube ich.

JENS LEHRICH: VeraReis.

MICHAEL HÜTER:Möglicherweise, aber es ist letztendlich unbedeutend, weil Aussagen derart gibtes in den letzten 20 Jahren durch alle politischen Richtungen und wir sind imMoment in einem sehr deutschen Diskurs, muss man auch dazu sagen. Aber woraufich jetzt einmal hinaus will, ich will das in einen größeren Zusammenhangsetzen. Wenn so eine Aussage, das können wir uns heute nur nicht vorstellen,ein Kaiser oder König oder Fürst in den letzten Jahrhunderten bis zum auch noch19. Jahrhundert getätigt hätte, oder bis zu Kaiser August, der hätte politischkeine zwei Tage überlebt. Das können wir uns heute nur nicht mehr vorstellen,dass die Eltern Entwertung zur völligen Normalität geworden ist. In allenKulturen der Menschheitsgeschichte ja, seit es den Homo sapiens gibt, wussteman um den Wert der Familie. Das war das Selbstverständlichste und Normalste,dass die Familie von der gesamten Gemeinschaft unterstützt wurde. MitGemeinschaft meine ich jetzt zuerst die Sippe mit 150 Mitgliedern, oder danndie jeweiligen Kulturen, die sich ausgeprägt haben. Den Kindergarten ja, dengibt es ja noch nicht lange. Historisch betrachtet machen wir das seit einerSekunde. Und seitdem wir das machen, haben wir ja als Menschheit die größtenVerwerfungen überhaupt, Nationalsozialismus, Kommunismus ja, Stalinismus ja,die größten Menschheitsverbrechen entstehen ja ab dem Moment, wo das Kindvollständig einerseits aus der Öffentlichkeit, also öffentlichen Gemeinschaftgetrennt wurde. Gebildet und gelernt hat der Mensch ja immer, der Mensch istlern- und wissbegierig ja. Und vor allem das Kind auch von den Eltern getrenntwurde ja, und vor allem sehr früh ja. Wir haben schon so eine hohe NaturEntfremdung und machen das schon so lange, dass diese Rückerinnerung, außer Elternso wie Sie und Ihre Frau diesen Weg gehen ja, der Weg Bedürfnis orientiertgefällt mir persönlich nicht so gut, obwohl es im Kern trifft. Aber das war jamal selbstverständlich über 100.000 Jahre. Wir sind ein Teil der Natur, wirhaben ein evolutionäres Programm. Und das macht ja kein anderes Säugetier, keinLebewesen, dass Kind von der Mutter zu trennen. Ist ja völlig absurd. Diemeisten Tiere verteidigen ihr Kind, die Mutter mit Zähnen und Klauen, währendhier-, ich habe mal bei eine Symposium in Wien vor ein paar Jahren in der Pausehat mich eine deutsche Kita Pädagogin angesprochen, das ist schon drei, vierJahre her. Und die hat mir gesagt zu ihr, zu ihrer Einrichtung kommen schonschwangere Mütter, die um einen Platz sich bewerben für das Kind, ab dem Momentwo es geht, drei, vier Monate, glaube frühestens drei Monate in Deutschland.Das ist Wahnsinn. Es ist nur zu einer kollektiven Normopathie erwachsen ja,nach dem Motto wenn alle etwas machen ist es normal. Und es finden sich ja auchimmer, so wie es Virologen gibt die sagen für Covid-19 ist es gut Maskentragen, einsperren, Lockdown, während die Mehrheit vor allem weltweit völliganderer Meinung ist, weil das eigentlich inzwischen ja nur noch politisiert istdieses Thema, hat ja mit dem Virus nichts mehr zu tun. Und Sie werden für jedenoch so abgründige Ideologie und Ansicht werden Sie immer einen sogenanntenExperten finden, der den Menschen oder den Müttern in dem Fall erklärt das seigut. Aber wir haben, noch einmal um das einmal kurz zu machen, die Schrift, dieMathematik, wir haben das Rad erfunden, wir haben das Feuer gezähmt, allekulturellen Hochleistungen die die Menschheit hervorgebracht hat und die nochheute nützlich sind, auf die wir immer noch aufbauen, haben wir vor der Massenbeschulungerfunden, oder die Menschheit hervorgebracht ja. Und die Trennung des Kindesvon der-, ich gehe ja noch weiter als die Psychologie, in der Psychologie istdas mehrheitlich auf der ganzen Welt klar, vor dem dritten Lebensjahr hat einKind nicht aus dem familiären Verband herausgerissen zu werden. Und es gibt jaStudien ohne Ende inzwischen, was die negativen Konsequenzen dieser frühenTrennung von den Eltern ist.

JENS LEHRICH: Ichwürde gerne einmal Herrn Lösch fragen, einfach auch für all diejenigen, die mitdem Begriff Bedürfnis orientiert nichts anfangen können. Kita frei, wasbedeutet das für Sie?

FELIX LÖSCH: Darfich erst noch bei Herrn Hüter anknüpfen.

JENS LEHRICH: Naklar.

FELIX LÖSCH: HerrHüter, ich finde das ganz wichtig was Sie sagen, dass Sie das auch so in diesenKontext stellen. Inzwischen ist es ja so, wie Sie es richtig sagen, es ist jadie Normalität geworden. Und das ist eigentlich das, wenn Sie sagen da kommenschwangere Frauen zu einer Pädagogin und sagen ich möchte einen Kitaplatzhaben, mir dreht sich wieder der Magen um. Was ist da passiert? (URSULAWESSELER: Die kommen noch früher manchmal.) Noch früher, ja gut. Aber was istda passiert? Und ich möchte, ich glaube einer der Gründe warum ich hierhergekommen bin Herr Hüter, Sie haben mich unter anderem motiviert hier her zukommen, ist weil ich auch zeigen möchte, dass es anders gehen kann. Wir sindjetzt, wir haben jetzt viel darüber gesprochen was schief läuft und ich stimmeganz vielem davon zu. Meine Frau und ich, ich erzähle einfach mal ein bisschendavon, meine Frau und ich hatten das Glück bevor wir schwanger geworden sindeinen Arzt zu treffen, einen Gynäkologen, einen Geburtshelfer, der zum ThemaSchwangerschaft, zum Thema Kinder kriegen und zum Thema Begleitung unserer Kinderdanach eine sehr andere, eine radikal andere Haltung hatte. Eine ähnlicheHaltung die auch Herr Hüter in seinem Buch beschreibt, das ist der Doktor MehdiDjalali, der praktiziert in Düsseldorf, hat dort eine Klinik. Und der begleitetPaare. Ich komme von dem Begriff Bedürfnis orientiert auch wieder weg. Derbegleitet Paare mit dieser Haltung, dass er sagt, wenn es den Eltern gelingt indiesen Prozess der Entstehung eines Kindes zu vertrauen, und wenn ich jetztsage vertrauen, dann klingt das vielleicht ja vertrauen, klar vertraue ich inmein Kind, das wächst dann in meinem Bauch, aber was ich meine mit vertrauenist ich vertraue wirklich, ich gebe es in die Hand des Kindes, ob es in diesemBauch der Frau wachsen möchte, ob es sich entscheidet zur Welt zu kommen. Wennich ein derartiges Vertrauen zum Kind aufbauen kann, wenn mir das gelingt, dannkann ich schon sehr früh anfangen, dem Kind auch die Entscheidungskompetenz,die es sehr, sehr früh auch schon hat, nämlich das Kind kann ab der Einnistungin der Gebärmutter kann das entscheiden bleibe ich oder bleibe ich nicht. Dashat da schon Empfindungen und kann sagen ist das ein Umfeld wo ich michwohlfühle oder ist das ein Umfeld wo ich mich nicht wohlfühle. In dem Momentkann das Kind schon selber entscheiden. Und diese Entscheidungsfähigkeit beimKind anzuerkennen und dieser Entscheidungsfähigkeit auch zu vertrauen, darüberrede ich. Wenn das gelänge, oder wenn das mehr Eltern gelänge, dann fällt esglaube ich auch nicht so schwer, die Kinder nach der Geburt anders zubegleiten. Ich glaube, das fängt eben wie ich es anfänglich gesagt habe mit derZeit der Schwangerschaft schon an. Und der Doktor Djalali der ist zum Beispieleiner der Ärzte der sagt, er macht einmal einen Ultraschall und dann niewieder. Weil er möchte die Frauen dazu befähigen, dass die wieder in Kontaktmit ihren Kindern kommen. Heutzutage gehen die Frauen in der Schwangerschaftzum Frauenarzt und lassen sich vom Arzt sagen wie es ihrem Kind geht. (MICHAELHÜTER: Weil sie auch vielfach müssen durch den Mutter Kind Pass.) Natürlich.Aber ich sage einfach mal die Frauen gehen zum Arzt um sich vom Arzt sagen zulassen, wie es ihrem Kind geht. Das ist eigentlich schon verrückt in sichselbst. Die Frauen haben eine, ich will jetzt auch nicht arrogant sein und alsMann sagen was den Frauen möglich ist und was denen nicht möglich ist, aber derDoktor Djalali sagt immer die Frauen haben eigentlich eine natürliche Fähigkeitsehr wohl zu spüren, wie es um ihr Kind bestellt ist und wie es ihrem Kind geht.Und wenn es gelingt, den Frauen diese Fähigkeit wieder zurückzugeben. Und derDoktor Djalali arbeitet da mit einer Methode der Haptonomie, das ist einBegriff der relativ schwer zu erklären ist, ist auch ein Begriff, eineWissenschaft die ist noch nicht sehr bekannt. Es ist aber eine HumanWissenschaft, es ist die Lehre der affektiven Seins Bestärkung, also es hatganz viel mit Emotionen zu tun. (MICHAEL HÜTER: Haptonomie ja.) Es hat auch mitBerührungen zu tun und es hat damit zu tun über die Berührung eine affektiveSeins Bestärkung dem Kind zukommen zu lassen. Ich kann das ganz schlecht inWorte fassen, weil man muss das eigentlich erleben. Der Doktor Djalali sagtselbst immer, das kann man in Worten nicht erklären, das muss man mal erleben.Und er macht das mit den Paaren im Laufe der neun Monate der Schwangerschaftkann man da Haptonomie Sitzungen bei ihm machen. Und da bringt er die Eltern,und das ist eigentlich der Grund warum ich hier auch als Vater überhaupt sitzenkann, eigentlich müsste meine Frau hier sitzen, aber ich habe es als Vater istes möglich geworden, schon in der Schwangerschaft einen realen Kontakt zumeinem Kind aufzubauen, durch diese haptonomische Begleitung. Das heißt ichhabe mein Kind wirklich wahrgenommen, ich habe es gespürt, ich habe gespürt eshat eine Entscheidungsfähigkeit, es kann sich einlassen auf meine Berührungenoder es kann das nicht tun, das liegt bei ihm. Und das baut genau wie Sie sagenHerr Maaz diese Bindung schon in der Zeit der Schwangerschaft auf. Und als unsereerste Tochter Hanna, dieses schöne Mädchen hier, als das aus dem Leib derMutter herauskam, waren wir schon eine ganz vertraute Einheit. Wir hatten dasGefühl, wir kennen uns schon ewig. Und wir kannten die Charaktereigenschaftenvon Hanna schon sehr gut, die hatte eine sehr starke Persönlichkeit, die warsehr entscheidungsfähig wirklich auch. Und das war wie eine Begegnung fastzwischen alten Bekannten. Wir wussten nicht ob das ein Junge oder ein Mädchenist, das war uns zum Beispiel auch völlig egal, weil wir sie so annehmenwollten, weil wir einfach in ihre Fähigkeiten vertraut haben sie ist so wie siesein wird. Und irgendwann haben wir, ich glaube das hat sogar zwei Stundengedauert, bis wir überhaupt mal geschaut haben was es denn ist, ob es ein Jungeoder ein Mädchen ist. Aber es hat so keine Rolle gespielt, weil wir sie alsKind angenommen haben so wie sie war. Und dieses Vertrauen in dieses Wesen, waseben von Anfang an schon sehr kompetent ist, das finde ich ist so wichtig, daswert zu schätzen und da die Menschen wieder zu befähigen, das auch zu lernen.Deshalb plädiere ich so für diesen Arzt, weil wir mit dem, wir haben dann nocheine zweite Tochter gekriegt und die ist auch von ihm begleitet worden. Und ichplädiere so dafür, weil das wirklich aus meiner Sicht ein praktischer Weg istaus dieser Misere irgendwie herauszukommen. Es ist ein Weg, ich will auch nichtsagen das ist der ultimative Weg, aber es ist ein Weg, wie man das wirklichschaffen kann. Und das finde ich so beeindruckend.

JENS LEHRICH: FrauWesseler, da müsste Ihnen das Herz aufgehen oder? Wie erleben Sie das heute,also wie viele Eltern gibt es wenn die zu Ihnen kommen die so denken?

URSULA WESSELER: Esgibt Eltern die in der Schwangerschaft, also es gibt viele Eltern die sichunwahrscheinlich freuen dass ein Kind geboren wird, weil es natürlich jetztauch sehr viele Frauen gibt die später Kinder bekommen, weil erst der Beruf imVordergrund steht. Und wenn dann ein Kind unterwegs ist, ist die Freudeunglaublich groß. Und umso erschütterter bin ich immer, wenn gerade dieseMütter dann ihre Kinder besonders früh wieder abgeben. Ich verstehe dasmanchmal nicht mehr, weil ich denke immer, das ist eine Trennung die so ineinem durch läuft. Wenn alles da ist, gesetzt dem Fall es ist alles da, ichsage immer Kindheit ist keine Insel, die komplette Verfügbarkeit über dieArbeitskraft der Frau ist extrem wichtig für diese Wirtschaft. Und die desMannes sowieso. Und da komme ich gleich nochmal zu, erst noch diesen Gedankenzu Ende. Also wenn alles da ist was man braucht materiell, und wenn der Wunschso groß ist ein Kind zu bekommen, und wenn dieser Wunsch erfüllt wird, es gibtja nichts Größeres, dann zu sagen wir haben schon einen Platz, wenn er einhalbes Jahr ist geht er da hin und dann kann ich auch wieder voll arbeiten. Ichkomme da manchmal nicht mehr mit. Natürlich geht mir das Herz auf, auch alsGroßmutter, das ist fantastisch.

FELIX LÖSCH: FrauWesseler ganz kurz bloß, eine Sache, mit einer solchen Begleitung wäre dasnicht möglich, es wäre meiner Frau unmöglich gewesen, Hanna irgendwo fremdbetreuen zu lassen. Sie würde das einfach emotional nicht übers Herz bringen,die Bindung ist bereits so tief und so innig, dass sie das Kind nicht hätteweggeben können.

JENS LEHRICH:Entschuldigung, nun würden Kritiker aber wahrscheinlich sagen, das muss mansich auch leisten können.

FELIX LÖSCH:Super, tolles Argument. Ja muss man sich leisten können. Jetzt haben Sie gehörtich komme aus der Schweiz, ich lebe in der Schweiz, wir leben für SchweizerStandards ein sehr sehr bescheidenes Leben. Wir sind auch keine Übereltern, wirsind nicht übermäßig reich. Wir haben oft gesagt, das ist eine Sache derPriorität. Wir sind oft von Zürich nach Düsseldorf gefahren oder geflogen, umdiese Arztbesuche machen zu können. Wir haben aber sehr schnell gesagt, nachdem zweiten Besuch, wenn der Doktor Djalali in Tokio wäre, wir würden auch dorthinfliegen, weil es uns so wichtig geworden ist diese Begleitung, unserem Kinddiese Art der Zuwendung geben zu können. Und ich mache den Satz bloß nochfertig, und dieses Argument das muss man sich leisten können, ja natürlich. ImMoment kenne ich nur diesen einen Arzt in Düsseldorf, der das anbietet. Abereigentlich geht es ja darum, Sie haben das gesagt Herr Hüter, wieder zu diesemNatürlichen, zu diesem Ursprünglichen zurückzufinden. Und er ist einer der dasin dieser Zeit macht, der die Eltern dazu befähigt. Vielleicht gibt es auchandere Leute die das können, das würde mich sehr freuen. Ich kenne einfach ihn.Aber darum geht es ja eigentlich. Und ich glaube nicht, dass das eine Sache vomGeld ist, sondern das ist eine Sache der Priorität.

JENS LEHRICH: HerrHüter.

MICHAEL HÜTER: Ja,also ich muss da jetzt was dazu sagen. Mir ist das natürlich auch sehrvertraut. Ich weiß jetzt nicht mehr wie der Arzt heißt ja, aber was der machtso viel ich weiß ist das Haptonomie, und es gibt inzwischen eine ganze Menge-.Ich glaube ursprünglich kommt er ja aus Amsterdam. (FELIX LÖSCH: Aus Iran.) Erist ein Perser, aber glaube ich in Holland groß geworden. (FELIX LÖSCH: Nein inDeutschland.) Aber es gibt jede Menge Hebammen schon lange Zeit in Deutschlandwie Österreich, die bei ihm ausgebildet wurden in der Haptonomie. Und dasgehört sage ich jetzt mal zur Geburtsbegleitung einer natürlichen einerHebamme.

HANS-JOACHIM MAAZ:Erklären Sie mal etwas genauer, damit man versteht.

MICHAEL HÜTER: WasHaptonomie ist? (HANS-JOACHIM MAAZ: Ja.)

JENS LEHRICH: Dasist eine gute Idee Herr Doktor Maaz.

MICHAEL HÜTER: Daswürde ich lieber meiner Frau überlassen das zu erklären, weil mein Sohn istauch mein jüngster von einer Hebamme-, also meine Frau ist in derSchwangerschaft mit meinem Jüngsten auch von einer Hebamme begleitet worden,die in Haptonomie ausgebildet wurde. Und meine Frau und die Hebamme haben, dawar ich nicht dabei, einige Sitzungen gehabt. Und mein Sohn ist auch alsHausgeburt, ich glaube bei Ihnen ja auch, auf die Welt gekommen. Aber ich kennedas, ich habe zum Beispiel auch mit meinem Jüngsten, ich glaube Sie haben ihnglaube ich mal kennengelernt, auch ich habe schon, das können sich nur so vielenicht vorstellen, auch ich habe in der Schwangerschaft meinen Kopf auf denBauch gelegt und habe mit meinem Sohn kommuniziert und er hat geantwortet inForm von Fußtritten. Manchmal ziemlich heftig ja. Und diese Verbindung kann manfrüh herstellen, die sollte man herstellen ja. Aber Sie haben ein Schlüsselwortgesagt, es geht um Vertrauen, es geht um Vertrauen in den Menschen. Und da gibtes viele Wege und viele Möglichkeiten ja, es geht um Vertrauen. Und es geht vorallem darum, dass wir mal begreifen müssen oder wieder sollten, uns inErinnerung rufen, dass Kindheit sowieso mal erstens mal eine Fiktion ist, einKonstrukt, es geht um den Menschen, da drin ist ein Mensch. Und wie wir dasKind, also den Menschen behandeln, und zwar von Schwangerschaft an und dann dieEltern weiter, so ist dann einfach die Menschheit. Es ist so simpel. Ich glaubeHerr Maaz, Sie werden mir wahrscheinlich oder auch nicht zustimmen.

HANS-JOACHIM MAAZ: Ichhabe nur mal nachgefragt, weil ich selbst habe keine Erfahrung damit und ichglaube viele Menschen nicht, aber mir ist das sofort verständlich, weil wir ausunserer therapeutischen Erfahrung wissen, dass das Schicksal des Kindes sehrdavon abhängt, welche innere Einstellung, innere Einstellung, nicht pädagogischangelernte, sondern innere Einstellung die Eltern zu dem Kind haben, schon wennes noch im Mutterleib ist. Meine Frau ist auch Kollegin hat mal eine Arbeitbegonnen, sie hat jeden Patienten gefragt was glauben Sie was Ihre Muttergedacht hat als sie zum ersten Mal gehört hat, dass sie schwanger ist? Und wasdann gesagt wurde konnte man ableiten ist Schicksalshaft für dieses Kindgewesen, also für die Persönlichkeitsentwicklung dieses Kindes.

JENS LEHRICH: Dasheißt schon so früh.

URSULA WESSELER: Diewussten das, die wussten das.

HANS-JOACHIM MAAZ: Dasist ein energetisches Phänomen mit den Energien, das ist glaube ich wissenschaftlichnoch nicht so gesichert. (FELIX LÖSCH: Ich weiß gar nicht.) Aber der Austauschschon im Mutterleib, der energetische Austausch zwischen Eltern und Kind, dabin ich auch überzeugt und das beweist die Praxis auch. (FELIX LÖSCH: Ichwürde-.)

JENS LEHRICH: Dannaber Frau Wesseler. Gut Herr Lösch.

FELIX LÖSCH: Ichwürde es nicht, also-. Und das kann ich einfach aus meiner Erfahrung sagen,energetisch klingt manchmal so ein bisschen esoterisch. Es ist, die Haptonomieist von einem Holländer, von dem Franz Feldmann entdeckt und erfunden worden.Und der Doktor Djalali in Düsseldorf der ist einfach vom Franz Feldmannausgebildet worden und setzt das um. Ich könnte das jetzt beschreiben, daswürde aber ein bisschen zu lange führen. Aber wo ich Ihnen zustimmen will HerrMaaz. Es ist eigentlich eine Haltung: Es ist eine Form des Daseins, in die manhineinwächst – das ist die Haptonomie – und es ist eine bejahende Form demLeben gegenüber, bejahend und bestärkend.

MICHAELHÜTER: Dazu muss man auch einmal seine eigenen mitgebrachtenPakete mal loswerden.

HANS-JOACHIMMAAZ: Ja, genau – das geschieht in unserer Arbeit. Also wenn wirfragen Eltern, “Wie ist denn Ihre Haltung/Ihre Einstellung zum Kind”, dannkommen alle Störungen der Eltern. Und dort müssen wir ansetzen zu arbeiten,damit das Kind eine Chance hat, eine andere, ehrlichere, echtere Einstellungder Eltern zu erfahren – um zu gesunden, wenn das Kind im Konflikt ist.

JENSLEHRICH: Frau Wesseler, die letzten Minuten dieser zweiten Thesegehören Ihnen (lacht).

URSULAWESSELER: Ja. Ich sage mal, ich habe zwei Kinder bekommen zu einemZeitpunkt, wo diese Dinge selbstverständlich waren, zu einem Zeitpunkt, als dieHebammen die Frauen sehr gut begleitet haben. Und ich hatte ja auch eineHausgeburt – das war ein wunder-, wunderschönes Erlebnis. Und es war einkleines Zeitfenster genau wie diese Schulgeschichte: Es war ein kleinesZeitfenster, wo Hebammenkreißsaale entstanden, wo Hausgeburten eigentlich immernoch genauso selbstverständlich waren wie dann schon die Krankenhausgeburten,aber wo zum Beispiel auch die Chefärzte in den Krankenhäusern das sogarunterstützt haben – das habe ich selber erfahren. Und danach hat sich daswieder geschlossen, aber es gab noch so Überreste: Hebammenkreißsaal zumBeispiel war immer noch chic eine Zeit lang. Die werden gerade ganz alle wiedereinkassiert – alle, überall. Also wir sind da verbunden mit Hebammen teilweiseauch: Wir haben ja sehr viele Verbindungen zu ganz vielen Menschen, die mit Kindernarbeiten, die Kinder zu uns bringen – und Therapeuten vor allen Dingen auch.Und wir sehen, dass es einen kompletten, ganz massiven Trend gibt, wo das alleswieder zurückgeholt wird und wo der Kaiserschnitt zum Standard wird – dieKaiserschnittrate schnellt gerade nach oben. Und das alles ist politischgewollt – und das alles ist politisch zumindest unterstützt, weil es gewolltist, weil es die Wirtschaftlichkeit von Krankenhäusern und und und-, all dieseAspekte spielen ja eine wichtige Rolle. Aber das ist für mich als Großmuttereine furchtbare Erfahrung, mit anzusehen, wie das, wofür wir gekämpft haben alsjunge Frauen – und was gut möglich war, so als Hippie-Mutter da im Krankenhausaufzutauchen, mit Wollsocken entbinden zu dürfen – das war revolutionär – unddas Kind sofort nach der Geburt mit nach Hause nehmen zu dürfen. Und derChefarzt hat gesagt: “Wie toll ist das denn – endlich macht es mal einer. Undsollen wir das Licht ausmachen – wir haben schon mal etwas von (?octroyer)gehört?” So etwas ist damals gelaufen – da waren wir mutige Frauen, wir wurdenaber auch als mutig angesehen. Und heute ist das so eine Nische für so ein paarKindergartenverweigerer und so ein paar Esoteriker oder so und die Norm istanders. Und zu der Geschichte der Traumabewältigung der Mutter: Es gibt Mütter,die kommen zu uns und die sagen: “Ihr könnte das als wir – ich bin soungeduldig, mir fällt immer meine Kindheit auf die Füße.” Also die benennen ihrTrauma – ihre eigene Kindheit – und benutzen das als Argument, ihr Kind nochfrüher abzugeben, weil die Erzieherin ist da ja unbelastet, dann hat es ja eineChance. Das ist eine Pervertierung dieses Bindungsgedankens – das ist kaumauszuhalten, muss ich da wirklich sagen. (allgemeines Lachen)

JENSLEHRICH: Okay, ja, ja – ich entspreche dem Wunsch von Herrn Hüter:Wir verlängern diese These und holen das dann bei der dritten wieder auf. (URSULAWESSELER: Der brennt da voll, ja, ja.)

MICHAELHÜTER: Ich glaube, das ist wirklich immer notwendig, weil das einThema ist, das nie angesprochen wird. Und das Leben beginnt nicht in der Kitaoder in der Schule – es beginnt mit der Schwangerschaft und mit der Geburt. (FELIXLÖSCH: Ab der Konzeption.)

HANS-JOACHIMMAAZ: Ich will zum Kaiserschnitt noch etwas sagen, weil dastatsächlich auch nach meiner Vorstellung/meinem Wissen eine politisch gewollteSache ist – aber nicht nur wirtschaftlich für das Krankenhaus, sondern auch vorallen Dingen psychisch: Von Anfang an wird das Kind passiv ins Leben geholt –also es wird ins Leben gerissen sozusagen: Ihm wird verweigert die erstewichtige Auseinandersetzung, die Zusammenarbeit mit der Mutter, die erstewichtige Bindung – wie komme ich zur Welt, ja? Und jedes Kind, das durchKaiserschnitt geboren wird, wenn das nicht medizinisch notwendig ist – das mussman mal sagen – (FELIX LÖSCH: Ja, sehr gute Einschränkung.) erleidet eine früheTraumatisierung: Es wird ihm sozusagen schon von Anfang an die Individualität,die Aktivität das eigene Leben zu gestalten, geraubt – und das ist also ganzschrecklich, diese Tendenz.

FELIXLÖSCH: Und Herr Maaz, diese Traumatisierung, die würde ich alshöher bewerten als viele andere Traumatisierungen, weil die ist so essentiell –wir sind in dieser Zeit einfach noch so formbar. Wenn man sich überlegt, diesesKind entsteht innerhalb dieser neun Monate: Am Anfang ist es eigentlich-, daist es nicht viel, da ist es ein bisschen Masse. Und dann entwickelt sichdaraus ein Mensch – der ist ja so formbar. Und genauso wie der Körper formbarist, sind natürlich auch die Gefühle, die Emotionen formbar. Und wenn das dieganze Zeit von einer Mutter oder von Eltern begleitet wird, die so eineablehnende Haltung haben – das formt das Kind ungemein. Und wenn dieseGeburtserfahrung dann, wie Sie es gerade beschrieben haben sehr schön – wenn esein Herausreißen aus dem Mutterleib ist, das ist eine Traumatisierung. Ichglaube, dieses Ausmaß, das wird heute noch viel zu viel unterschätzt.

MICHAELHÜTER: Weil Sie sagen, “Nur ein paar so Esoteriker machen halt sonatürliche Geburten-.” ((URSULA WESSELER: Spinner) lacht)

JENSLEHRICH: Ja, Moment – da muss ich aber ganz kurz sagen: Ich glaube,das ist auch ganz wichtig, dass wir uns für Esoterik nicht rechtfertigensollen, weil Esoterik heißt nichts Anderes als die Suche nach uns selbst – dasist Esoterik. Also auch dieser Begriff wird immer aus meiner Sicht falschgebraucht. (URSULA WESSELER: Als Kampfbegriff, ja, ja.)

MICHAELHÜTER: Ja, aber trotzdem: Also ich bin fassungslos – das muss ichjetzt einmal loswerden, was in Deutschland passiert seit Monaten. Also dasläuft so nur in Deutschland, dass man alle Personen, alle Menschen, die nichtgerade das wiedergeben, was Merkel, die Politik – Opposition gibt es sowiesonicht – und Spiegel, ARD und ZDF von sich geben an Unsinn-, dass alle anderenMenschen, die das infragestellen, entweder Rechte sind, Esoteriker oder sonstirgendetwas. Das ist Wahnsinn, ((JENS LEHRICH: Verschwörungstheoretiker,Covidioten.) URSULA WESSELER: Covidiot, Antisemit und alles.) das ist Irrsinn:Wie tief sinkt da ein Land? (URSULA WESSELER: Da ist Österreich besser.) Damuss ich ausnahmsweise mal emotional werden, ja? Und das läuft so nur in ganzEuropa in der Radikalität derzeit in Deutschland. (URSULA WESSELER: Und sogründlich.) Und ich bin wirklich zutiefst besorgt und zutiefst erschüttert. Undwenn Deutschland so weiter macht, dann landet Deutschland im Bürgerkrieg – undzwar wird das von oben nach unten geschürt, ja? Und ich finde es einfachfurchtbar. Und was nämlich heute eine paar “Spinner” – nennen wir sie mal –machen, das war 100.000 Jahre Selbstverständlichkeit: Das, was Sie machen undIhre Frau oder auch meine Frau oder wir – und so wenige Eltern sind das imÜbrigen inzwischen gar nicht, (FELIX LÖSCH: Nein, das stimmt – es werden immermehr.) das werden immer mehr – das ist einfach nur ein Rückerinnern an dasMenschsein. (URSULA WESSELER: Genau, ein Erinnern – Ermutigen und Erinnern.)Nur das Problem ist, die Kinder, die so aufwachsen, mit denen können Sie haltspäter nicht alles machen. Und weil wir von Traumatisierung gesprochen haben:Der traumatisierte Mensch – niemandem mehr können Sie Angst machen als einemtraumatisierten Menschen. Und wir sind eine traumatisierte Kultur und einetraumatisierte Gesellschaft, in der es vom Kaiserschnitt angefangen-, dann kommtdie Trennung von der Mutter, dann kommt die Krippe (URSULA WESSELER: UndVorsorgeuntersuchungen.) und dann kommt jetzt auch noch Corona drauf, derMaskenzwang – mir graut ehrlich gesagt, ja? Ich bin normalerweise – es gibtschon so viele Sendungen mit mir – sehr, sehr vorsichtig mit dem, was ich sage,ja? Aber ich muss das einmal sagen: Also mir graut wirklich, wenn wir es jetztnur ein Jahr mit den Kindern, diesen Corona-Irrsinn, durchspielen zu denanderen Dingen, die wir ja besprechen – die bleiben ja, es bleibt ja die Kita,die Krippe, der Kaiserschnitt – und jetzt kommt das auch noch drauf-, mir grautin 10/15 Jahren: Wenn die wenigen Kinder, die wir noch haben – darüber solltenwir nämlich auch mal reden, dass wir ja so wenige Kindergeburten haben seit20/30 Jahren wie noch nie in der Menschheitsgeschichte – wenn die dann alle ander Macht sind – puh. Es ist völlig Wurst, welchen ideologischen Überbau siedann als Auslöser nehmen, aber das kann nur in einer normopathischen,totalitaristischen Gesellschaft enden – es geht nicht anders.

JENSLEHRICH: Ganz kurz noch, weil sonst könnten wir sagen, das ist dieerste Sendung, wo zwei Thesen ausgereicht haben (lacht), Frau Wesseler.

URSULAWESSELER: Ja, das stimmt auch wieder, nicht? Na ja. Wir haben einmaleine Dienstbesprechung gemacht in unserer Kita und haben gesagt: Wir gucken unsjetzt mal 20 Kinder einer Gruppe an und stellen mal fest, welches Kind die Normerfüllt. Die Norm – also wo man sagen würde: Dieses Kind ist so, wie dieSchule, wie die Eltern, wie alle sich das so vorstellen würden – dieses Kindwird keine Probleme haben, weil es hat die richtige Größe, das richtigeGewicht, es hat die richtige Sprache, es hat Konfliktfähigkeit – alles, was manso in diesen tollen Bildungsvereinbarungen/Bildungszielen liest. Das wird jaalles so segmentiert und dann geht es auf eine Kompetenzerweiterung – das kenntman aus der Wirtschaft. Und dann haben wir dieses Kind gesucht, das bei derSchuluntersuchung die Untersuchenden in Entzücken versetzen würde, weil sienichts finden würden: Wir haben immer – das haben wir mehrfach gemacht – proGruppe ein Kind gefunden – immer ein einziges Kind – wo wir gesagt haben: Wirsagen jetzt vorher, dieses Kind geht völlig geschmeidig, absolut angepasst,ohne Ecken und Kanten, ganz intelligent, immer freundlich, immer Gesund durchdas System durch – ein Kind pro Gruppe, eines von 20.

HANS-JOACHIMMAAZ: Aber mit 40/50 wird es eine schwere Depression haben (URSULAWESSELER: Davon gehe ich aus.) oder eine Psychosomatik.

URSULAWESSELER: Ja, aber es hat uns nochmal vor Augen gestellt, (JENSLEHRICH: Und Krebs vor allem.) wie irrsinnig dieses In-diese-Norm-Bringen ist,wie irrsinnig das ist, das immer auf Leistung zu beziehen, und was wir fürBilder schon in den Köpfen haben, welche Kriterien wir an die Kinder anlegen,wie wir die Defizite suchen – das war eigentlich für uns nochmal eine wichtigeReflektion zu sagen: Wir könnten das einfach komplett sein lassen, komplettsein lassen – es ist totaler Blödsinn, es nützt keinem Kind.

JENSLEHRICH: Aber sehen Sie das alle hier so am Tisch, dass espolitisch gewollt ist?

MICHAELHÜTER: Natürlich.

URSULAWESSELER: Ich sehe das so mittlerweile, ja.

JENSLEHRICH: Herr Lösch? Oder hat sich das einfach verselbstständigt?

FELIXLÖSCH: Herr Maaz, Sie wollten anstimmen.

HANS-JOACHIMMAAZ: Ich wollte Herrn Hüter nicht alleine lassen in seinerEmpörung, als Deutscher antworten. Also was mich am meisten irritiert undempört und verunsichert, ist, dass, nachdem Deutschland schon in den letztenJahrzehnten zwei schwerwiegende psychopathologische Gesellschaftsformationenhatte im Nationalsozialismus und DDR-Sozialismus und in der Öffentlichkeit eingroßer Wert darauf gelegt wird, dass nie wieder und so weiter-. Und meineErfahrung ist, man hat aus der Geschichte wirklich nichts gelernt, nämlich wasdie Psychodynamik anbetrifft: Also was sind das für Menschen? Wie sind diegeworden, dass sie Mitläufer und Mittäter in normopathischen, totalitärenSystemen sind? Und da das nicht verstanden ist-, und wir reden jetzt vonKaiserschnitt, also Geburtsregime, von Schule, von Kita: Dort wird im Grundegenommen die hochpathologische Psychodynamik der Persönlichkeitsstörungangerichtet, um am Ende wieder Menschen zu haben, die einzuschüchtern sind, dieangstvoll sind, die in der Anpassung sind und erneut in Gefahr sind, eintotalitäres System auszugestalten. Und das erleben wir gerade im Moment – dasmacht mich wahnsinnig, wenn ich denke, ich verstehe etwas davon, wie Menschensind. Und man kann es offensichtlich nicht aufhalten, diesen Prozess wieder inirgendeine wirkliche Katastrophe hineinzusteuern. Und das, was wir tun müssten,darüber reden wir gerade: Wir müssten die Geburten verbessern, wir müssten dieFrühbetreuung der Kinder verbessern, wir müssten die Eltern besser finanziell,aber auch psychologisch ausstatten, dass sie zu ihren Kindern stehen können,wir müssten die Bildung, die Schulen verändern – nur dort hätten wir eineChance, nicht in ein neues totalitäres Elend hineinzusteuern. (URSULA WESSELER:Ja, das sehe ich auch so.)

MICHAELHÜTER: Bei Deutschland verstehe ich es sowieso nicht: Da redetman, immer hängt man groß an die Glocke, behauptet man, eine führendeWirtschaftsnation zu sein. So, wie Deutschland mit den Kindern umgehtaugenblicklich – na, das ist kollektiver Suizid, was da gerade stattfindet.

JENSLEHRICH: Aber wie mit den Kindern umgegangen wird, das passt jetzttatsächlich zu unserer dritten These und dann-. ((alle lachen) URSULA WESSELER:Ah, endlich hat es geklappt.) Ja, ich habe es geschafft: Ich habe es geschafft,die dritte These zu erreichen. (URSULA WESSELER: Guter Moderator.)

MICHAELHÜTER: Aber ich kann ja trotzdem nochmal zurückkommen.

JENSLEHRICH: Aber Sie dürfen da natürlich nochmal gleich daraufeingehen. Und hier ist die dritte These: Die Familie ist die natürlichKernzelle der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft undStaat – das ist der Artikel 23.1 der UN-Menschenrechtskonvention. Das passt janun wiederum gar nicht zu dem, worüber wir gerade gesprochen haben – oderandersherum gefragt, ich gebe das jetzt mal offen in die Runde: Wie passt daszusammen?

MICHAELHÜTER: Ja, dass im Westen ja Kinderrechte, UNO-Menschenrechtskonventionjetzt zunehmend ja alles nur noch Papier ist – so sollte es sein. Und dieserPassus kommt ja nicht ohne Grund in die UNO-Menschenrechtskonvention: Der stehtja an allervorderster Stelle – und das war ja auch einmal-, noch einmal: Das100.000 Jahre lang Selbstverständlichkeit, worüber wir diskutieren müssen, ja?Ich mache es einmal ganz schnell, ich mache jetzt so Geschichte-to-go wirklichjetzt, auch wenn es extrem verkürzt ist – wer es genau wissen will, hat 380Seiten, soll er es nachlesen: Die sogenannte Industrielle Revolution in Europaist einer der oder wahrscheinlich überhaupt die fundamentalste Umbruchszeit inder Menschheitsgeschichte, ja? Und sie hat zuerst die Großfamilie gesprengt,dann nach dem Zweiten Weltkrieg die Kleinfamilie: Sie hat das Kind vollständig,endgültig aus der Öffentlichkeit hinausgeführt, indem das Kind ja sozusagengetrennt nicht nur von der Familie, sondern von der Öffentlichkeit sozialisiertwird, ja? Und in diesem Prozess, um das zu ermöglichen, wurde die Familie stückweiseentwertet, bis es den ganz großen tiefen Fall gegeben hat in Europa – nämlichdas Ende des Zweiten Weltkriegs. Und dass all diese Dinge da-, dieUNO-Menschenrechtskonvention, alle diese Artikel, die sind ja nach dem ZweitenWeltkrieg in den 50er-Jahren bis Mitte der 60er-Jahre hineingekommen – das hatja einen Grund gehabt: Damals waren ja noch-, da gab es auch nochIntellektuelle, da gab es auch noch kluge Menschen, da war ja noch nicht eineGesellschaft durch 30 Jahre Hyperkonsum völlig taub, ja? Man hat ja gesehen,was das für Auswirkungen hat und wie wichtig das ist. Und es ist ja eigentlichtraurig-, der Westen musste ja die Menschenrechte und die Kinderrechteerfinden, weil er ja als erstes sie mit Füßen getreten hat, wie das ja keineandere Kultur zuvor gemacht hat, ja? Und bedauerlicherweise – wie Sie sagen –Deutschland hat einmal gesagt, “Nie wieder Krieg”, das ist ja Vergangenheit:Deutschland gibt inzwischen mit entweder diesem Jahr oder nächstes Jahrinzwischen mehr Geld für Rüstung als wie für Bildung aus – Faktum – was die USAschon seit 15 Jahren-, die USA gibt seit 15 Jahren mehr Geld in Bildung ausals-, (alle anderen: In Rüstung.) in Rüstung aus als in Bildung, ja? Jetzt mussman sich mal vorstellen: Jetzt haben wir – historisches Faktum – so wenigeKinder wie noch nie und jetzt werden Milliarden in Rüstung gesteckt. DieCorona-Maßnahmen auf der anderen Seite – das sind ja unvorstellbare Summen, diedas ja auch kostet, während in Familie, in Bildung, (HANS-JOACHIM MAAZ:Kindheit.) Kindheit kein einziger Cent mehr hineinfließt – sogar weniger. Inkünstliche Intelligenz laufen in den USA schon länger – auch in Europa – auchmit Steuergeldern Milliarden – Milliarden. In Kindheitsforschung wird keineinziger Cent mehr investiert – das ist mit einem Wort kollektiver Suizid: Wennwir den Menschen selbst nicht mehr – und seine Art, wie er heranwächst, nichtmehr wertschätzen, dann sagt ja eine Kultur damit, dass sie im Grunde genommennicht mehr überleben will – jetzt auf Metaebene, psychohistorisch – da könntenSie dann wahrscheinlich auch etwas dazu sagen.

JENSLEHRICH: Ich würde einmal gerne von Frau Wesseler erfahren – Siehaben ja mal einen Blog geschrieben, der heißt Bertelsmann, der Kindergartenund ich – beantwortet der Blog-Name schon, wer auch unter anderemdahintersteckt?

URSULAWESSELER: Auf jeden Fall: Also der Aufmarsch derBertelsmann-Stiftung in Sachen Schulpolitik, der ist bekannt – alles, wasdanach gekommen ist, der Prozess von Bologna, dann dieses ganze PISA-Zeug. Waskaum bekannt ist, ist, dass Bertelsmann sich irgendwann explizit denVorschulbereich vorgeknöpft hat und dass die ein Pilotprojekt gemacht haben –eines war in Paderborn und eines war in Chemnitz – wo die geguckt haben, wiedie da reinkommen, ob das schaffen, da reinzukommen. Und ich habe in meinemBlog das beschrieben – das war der Auftakt für diesen Blog, weil das war einsogenannter historischer Moment: Da wurden alle Leitungen der Stadt eingeladenins Rathaus der Stadt. Es gab einen Beamer, der funktionierte – bei uns habenBeamer nie funktioniert, Erzieherinnenfortbildungen sind unterirdisch – und derBeamer funktionierte und gut gekleidete Herrschaften kamen nach vorne. DerBürgermeister begrüßte persönlich Referenten auf einer Leiterinnenkonferenz –hat es auch noch nie gegeben. Und was es noch nie gegeben hatte, dasskirchliche Leitung, freie Träger, so wie wir, und städtische Leitung zusammenin diesem großen Saal waren. Und dann wurde uns vorgestellt, wie wir in Zukunftdie Bildung zu dokumentieren hätten – ich drücke es jetzt mal so aus: Wirwurden damit geködert, dass gesagt wurde, wenn wir jetzt mitmachen bei diesemSystem der kindlichen Überwachung – ich nenne es jetzt mal so – das nennt sichBildungs- und Lerngeschichten-, ist einfach absolut unterirdisch, nimmtunheimlich viel Zeit weg und führt dazu, Kinder immer mehr als zu beobachtendeObjekte zu sehen: Man hat überhaupt keine Zeit mehr, sich um die Kinder zukümmern, wenn man das eins zu eins umsetzt – das ist das, was gewollt ist.

JENSLEHRICH: Also man bewertet das Verhalten.

URSULAWESSELER: Man schreibt ständig irgendwelche Szenen auf, die mangesehen hat, und leitet daraus eine Entwicklungsaufgabe ab – und die muss mandann unten begründen, wie man vorhat, dieses Kind an der Stelle zu entwickeln –fördern: Fördern und Fordern, klar? Und es wurde dann gesagt, Leitungen, die damitmachen und die sich da fortbilden lassen in dem Bereich, dürfen dann späterals Moderatorinnen arbeiten und dürfen andere Kinder auf Linie ziehen und diekriegen gut Geld dafür – wurde explizit gesagt: Da konnte man locker bis 3.000Euro dazu verdienen. Und es kam dann ein Kindergartenleiter, der das mal sovorgestellt hat, die haben dann so Portfolios gemacht, und dass man ja auch imGruppenraum einen Laptop haben könnte, wo man dann solche Szenen aufschreibt –also Kind A geht zu Kind B und sagt: “Gib mir das.” “Nein, ich gebe dir dasnicht.” Das schreibt man dann auf und unten drunter schreibt man dann:Konfliktfähigkeit des Kindes blablabla – müssen wir daran arbeiten, hast dunicht gesehen – und dazu aber auch definitiv immer, was ich als Erzieherinjetzt gedenke zu tun, wie ich das diesem Kind jetzt beibiege, dass es sichanders zu verhalten hat. Das wird dokumentiert, das soll den Elternausgehändigt und das soll auch den Lehrern ausgehändigt werden. Also derÜbergang Kindergarten-Schule war das zweite Projekt der Bertelsmann-Stiftung –eine Enge Verzahnung von Schule und Kita: In jeder Stadt wurde ein Büroeingerichtet für diese Verzahnung – sogenannte Bildungsbüros, die plötzlichZugriff hatten auf uns und die uns ständig irgendwelche Fortbildungen angebotenhaben, die immer sehr fragwürdig waren. Und die Konferenzen, die wir mit denGrundschullehrerinnen abzuhalten haben, sind auch verbindlich: Wir müssen uns mitSchulleitungen treffen, weil ja diese enge Verzahnung ganz wichtig ist. Und dasführt dazu, dass die Schule uns versucht, immer zu diktieren, was wir zu tunhätten – es ist wirklich wahr: Die rufen bei uns an und sagen: “So, wir habenjetzt das Kind gesehen, das ist uns vorgestellt worden – in dem und demBereich, da müssten Sie noch ein bisschen nachbessern, Sie haben ja noch einhalbes Jahr Zeit.” Die geben uns so Mängellisten durch von Kindern. Und jedesMal freue ich mich, wenn ich so einen Lehrer an der Strippe habe – da freue ichmich, werde ich meinen ganzen Frust los von einem Jahr – die rufen dann meistauch nicht nochmal an. Ich springe da jedes Mal aus der Jacke: Die gebenMängellisten durch. Ich habe zu einem mal gesagt: “Ich gebe jetzt Ihnen mal dieMängelliste Ihrer Schule durch, es wird mir jetzt ein Vergnügen sein –schreiben Sie bitte mit.” Das ist das, was passiert ist nach diesem Prozess,den Bertelsmann eingeleitet hat in der Gesetzgebung – also das Gesetz in NRWwurde umgewandelt: Komplett andere Finanzierung, komplett andere Vorgaben, ganzweite Vorgaben im pädagogischen Bereich, war das, was die Bertelsmann-Stiftungsich ausgedacht hat – teilweise war der Text eins zu eins vorher schoneinsehbar bei der Stiftung. Die haben das geschafft, die haben das bundesweitgeschafft: Bei uns wurde eine Pro-Kopf-Pauschale eingerichtet für die Kinderüber die Finanzierung. Das heißt, je mehr Kinder wir in die Gruppe stopfen,desto mehr Geld kriegen wir. Wir sind auch nicht mehr auskömmlich, wenn wirnicht die Gruppen über zehn und und und, nicht? Also finanzielle Anreize dafürschaffen, die Kinder abzufertigen.

MICHAELHÜTER: Aber das geht in allen Bereich so, (URSULA WESSELER: Inallen Bereichen.) ja. Zum Beispiel weiß ich von meiner Hebamme, also vonunserer Hebamme, dass dieser Prozess auch schon länger in den Krankenhäusern,in den Geburtskliniken-, ja? (URSULA WESSELER: Ja, natürlich.) DieKaiserschnittraten, die sind ja seit 20-30 Jahren jetzt hier in Europa konstantzwischen 30 und 35 Prozent, ja? Und zwar muss dort auch die Hebamme gegenüberfrüheren Zeiten-, also die Krankenhaus-Hebamme muss dort jeden Schritt, den siemacht während der Geburtsbegleitung dokumentieren auch in irgendeinem Computerin dem System – das wäre mal spannend, wenn Sie mal eine reine Geburtssendungmachen – was dann dazu führt, dass sie ihre eigentliche Aufgabe (URSULAWESSELER: Nicht mehr nachkommen können – ist bei uns auch so.) nicht mehrnachkommen kann, ja? Also das ist dieser Dataismus oder wie auch immer man das nennt:Diese ganze westliche Welt leidet an einer Krankheit, an einer Pathologie –dieses Alles-Dokumentieren, alles aufzeichnen zu müssen – es wird ja dadurchnichts besser. Ein altes afrikanisches Sprichwort sagt: Das Gras wächst nichtschneller, wenn man daran zieht – und es ist einfach so.

JENSLEHRICH: Da sind wir wieder bei diesem Thema: Wir sind nicht imVertrauen.

URSULAWESSELER: Nein, wir testen stattdessen – wir testen die Kinder.

MICHAELHÜTER: Und das Verrückte ist: Seitdem man diese Dokumentation anden Geburtskliniken macht, steigen die Kaiserschnittraten natürlich jalogischerweise noch weiter an. (Ursula Wesseler. Ja, klar – immer mehr Geld.)Und der Kaiserschnitt kostet gegenüber einer normalen, spontanen Geburt ja auchdem Steuerzahler wesentlich mehr Geld: Eine Kaiserschnittgeburt wird mit,glaube, 1.800 Euro verrechnet dem Steuerzahler – eine natürliche Geburt, eineproblemfreie, die kostet im Grunde genommen gar nichts – außer die Hebamme, diegezahlt werden muss. Und mit dem Kaiserschnitt kommen ja dann die ganzenFolgen, die Nachbehandlungen – da steigen ja die Kosten dann in der Folge ja:Da haben wir das traumatisierte Kind et cetera. Also wir haben den Blickvollständig verloren auf das: Was braucht der Mensch zum aufwachsen?

JENSLEHRICH: Ganz kurz: Herr Lösch wollte ganz kurz etwas sagen.

FELIXLÖSCH: Ich will Sie nicht in Ihrem Eifer unterbrechen, FrauWesseler, (URSULA WESSELER: Ich bin sehr eifrig manchmal, ja.) wenn Siemöchten. Ich wollte eigentlich zurückkommen: Es ging ja eigentlich um denSchutz der Familie – das war ja eigentlich die These. Ich habe so das Gefühl,wir sind so ein bisschen woanders hingekommen, was ja auch zum Thema passt.Aber der Schutz der Familie – ich finde es interessant nachzufragen: Was wirddenn unter Schutz verstanden in diesem-, wie wird denn der Schutz definiert?Also das stelle ich einfach in die Runde – ich weiß die Antwort darauf auchnicht. Wie wird denn Schutz der Familie-? Herr Hüter, ich glaube, irgendwiehängt die These mit Ihnen zusammen: Also in der Grundverfassung – wie ist dader Schutz definiert? Das würde mich als erstes interessieren, um überhaupteine Aussage machen zu können: Erfüllt denn der Staat diese Pflicht, dieFamilie wirklich zu schützen? Weil vielleicht sagt der Staat: “Ja, natürlichtun wir das – wir tun das so, wie wir das interpretieren, wir tun das so, wiewir das für richtig halten.”

URSULAWESSELER: Sie schützen die Familie, dadurch dass sie Vereinbarkeitvon Schulen und Kindern propagieren – das ist ihr Schutz: Frauen müssen vollarbeiten gehen und sollen viele Kinder kriegen – das ist der Schutz.

JENSLEHRICH: Aber man lässt außer Acht, was das eben für den Menschenbedeutet, Herr Doktor Maaz. (FELIX LÖSCH: Richtig, richtig.)

HANS-JOACHIMMAAZ: Also diese These – da kann man nichts dagegen sagen, dieist hervorragend. Aber wie wird sie erfüllt? (JENS LEHRICH: Genau, wie wird sieumgesetzt?) Wie wird sie erfüllt, ja? Und für mich ist Familie natürlichMutter, Vater, Kind und das darf man schon kaum noch sagen heutzutage – danngibt es dann Eltern 1 und Eltern 2, um allen gerecht zu werden, die halt auchKinder haben wollen. Also aus meiner Sicht aber, wenn ich das herunterbreche,jetzt mal von der Geschlechterfrage wegnehme, braucht das Kind mütterliche undväterliche Beziehungsangebote – das ist nicht reduzierbar, das sindgrundlegende Beziehungsqualitäten, die auch unterschiedlich sind: DasMütterliche ist natürlich annehmen, gewähren, bestätigen, versorgen, ernähren,bestätigen im besten-, also empathische Bestätigung – und das Väterliche istdann mehr fördern und fordern, in die Welt hinausführen, letztlich von dermütterlichen Dyade weg in die Weltgestaltung, in die Praxis des Lebens und soweiter. Also das sind Beziehungsangebote, die jedes Kind braucht. Und das nenneich – und das kann man natürlich so nennen – das sind mütterliche undväterliche Beziehungsangebote: Da muss man nicht mehr streiten, von wem dasMütterliche und Väterliche kommt – es gibt väterliche Mütter und mütterlicheVäter und so, ja? Aber man kann das, was Kinder brauchen, nicht reduzieren: Dasmuss sein. Und das verstehe ich unter Schutz der Familie, dass man begreift,dass Kinder eine ganz bestimmte Beziehungsqualität brauchen, um sich gesundentwickeln zu können – die nenne ich eben mütterlich und väterlich, weil diesegrundlegenden auch beziehungsdynamischen und biologischen Eigenschaften ebenvon Mutter und Vater da sind, die das Leben schaffen, also die, dass ein Menschwieder ins Leben kommen kann, ermöglichen. Und diese beiden Personen, die dafürin erster Linie verantwortlich sind, die bekommen eine so große Bedeutung fürdas Kind emotional gesehen – das kann man nicht zeitig austauschen oderbeseitigen oder das Kind von Anfang an in eine andere kollektive Beziehunggeben: Je früher das Kind getrennt wird von seinen Eltern, von seiner Mutter,desto größer ist die seelische Traumatisierung – das ist so. Und für mich inder psychotherapeutischen Arbeit sogar: Ich habe ja sehr viel mit auchschwierigen Eltern zu tun, mit bösen Eltern, die ihr Kind nicht gut behandeln –und da staune ich immer wieder, wie wenig Kinder am Anfang das Böse wahrnehmen,sondern immer in der Bedürftigkeit, die Eltern zu lieben, Gutes zu erfahren-.Also das ist in späteren Jahren in der Therapie oft sehr, sehr schwierig, dassdie erst mal verstehen, dass die Eltern ihnen Schlechtes angetan haben, weilsie ein ganz anderes inneres Bindungsbedürfnis hatten auch, ja? Und das wärefür mich die politische Aufgabe, die ökonomische Aufgabe, dafür zu sorgen, dassVäter und Mütter so ausgestattet sind – und da meine ich immerfinanziell/ökonomisch – dass sie wirklich für ihre Kinder da sein können in derZeit, wo Kinder das brauchen – und natürlich psychologisch: Also ich sprechenicht mehr von Elternschule, weil das so ein bisschen einen schlechten Begriffhat, aber wir nennen das jetzt Eltern-Workshops – also Eltern zu helfen undnicht pädagogische Ratgeber zu sein, sondern dass sie reflektieren können: Wiegeht es mir denn mit meinem Kind oder mit meinen Kindern? Da gibt es Unterschiede.Wann bin ich zu meinem Kind positiv undwann negativ. Das reflektieren viele Eltern gar nicht. Aber das ist für michdie wesentliche Hilfe für Eltern, dass sie verstehen, wie sie innerlichempfinden zu dem Kind. Das entscheidet über die Entwicklungschancen des Kindes.Das wäre für mich die politische Aufgabe.

FELIXLÖSCH: Das wäre toll.

URSULAWESSELER: Das wäre schön, ja.

JENSLEHRICH: Aber ganz kurz noch.Wie oft haben sich bei Ihnen in den letzten Jahren Politiker, Politikerinnengemeldet, (HANS-JOACHIM MAAZ: Null.) um davon zu erfahren?

HANS-JOACHIMMAAZ: Null. Null. Ich musseher fürchten, wenn ich so was sage, oder ich schreibe es auch in meinenBüchern, dass ich dann auch (JENS LEHRICH: Denunziert.), ja, denunziert werde,in eine Ecke gestellt werde.

URSULAWESSELER: Hoffnungslos veraltet.Herr (?Wielan).

HANS-JOACHIMMAAZ: Ja.

JENSLEHRICH: Herr Hüter, Sie hattensich gemeldet.

MICHAELHÜTER: Warum die Familieschutzbedürftig ist, warum kommt dieser Passus, warum ist Aufgabe auch desStaates oder einer Gesellschaft. Wir reden immer nur vom Staat. Ja? Es gibt janoch die Gesellschaft. Wir könnten ja alles eigentlich selber auch in die Handnehmen. Wir brauchen-. Wieso brauchen wir Politiker? Das wird noch nicht malhinterfragt.

JENSLEHRICH: Das heißt, dass wir indie Eigenverantwortung gehen?

MICHAELHÜTER: Dass wir in dieEigenverantwortung kommen, ja.

FELIXLÖSCH: Wie könnten wir dasmachen?

MICHAELHÜTER: Warum-.

FELIXLÖSCH: Wie könnten wir dasmachen? Das finde ich einen interessanten-.

MICHAELHÜTER: Ja, ich-. Können wirmal eine Zukunftssendung machen?

JENSLEHRICH: Ja, das könnten wirauch natürlich, aber da machen wir nur eine These. (Alle lachen)

HANS-JOACHIMMAAZ: Dass wir durchkommen.

MICHAELHÜTER: Aber wie kommt das hin?Warum ist das so wichtig? Wenn man-. Ich habe mir mal die Mühe gemacht. Wennman schaut, allein in den letzten 200 Jahren, aber auch schon länger, ja? 80Prozent aller positiv berühmten Persönlichkeiten Europas, ich rede jetzt malvon Europa, die Herausragendes in Kunst, aber auch Wirtschaft, Ökonomiegeleistet haben, ja, waren lange familial sozialisiert. Karl Marx, ja, nur alsein Beispiel, kam mit zwölf Jahren in die Schule, hatte kompetente Eltern, ja.Mahatma Ghandi, Goethe ist überhaupt und der Schulz, die Humboldts et cetera etcetera. Bis hin zu Elon Musk, ja, der dann mit zehn oder elf, wie die Elternauseinander gegangen ist, wie er in seiner Biographie beschreibt, ja, wiefurchtbar das für ihn war, ja. Oder Eduard Snowden zum Beispiel, ja. Wenn Siezum Beispiel auch bei Leuten, also, bei Biographien von Persönlichkeiten, nichtnur aus der Vergangenheit, sondern der letzten 20 Jahre noch schauen, die einerfolgreiches Leben gehabt haben, ja. Dann ist doch letztendlich eine dertiefgehendsten Fragen, der wichtigsten immer, hatte ich eine glücklicheKindheit, oder nicht.

FELIXLÖSCH: Genau. Und für michstellt sich jetzt wirklich die Frage, wie könnten wir das denn machen? Wenn wirsagen von der Politik können wir uns jetzt keine Hilfe erhoffen, wie könntenwir das als verantwortungsvolle Gesellschaft leisten?

JENSLEHRICH: Dann würde ich an derStelle ganz schnell die vierte These dazwischen knallen sozusagen, weil daspasst dann ganz gut genau zu dem. Die heißt nämlich-. Und wir haben jetzt soviel auch gesprochen, was alles nicht läuft. Die heißt nämlich, Kinder brauchenklare Grenzen und daraus ergibt sich für mich die Frage, was wäre dennkonstruktiv gesehen der richtige Weg? Also, wie wollen wir denn quasi inZukunft unseren Nachwuchs begleiten?

FELIXLÖSCH: Ich als Vater, ichbenutze jetzt mal das Wort. Ich als Vater beantworte die Frage nicht von dergesellschaftlichen Perspektive, sondern ich beantworte sie als Vater. Als Vatervon meinen beiden Töchtern. Ich finde, ich habe Mühe damit zu sagen, ich zeigemeinen Kindern Grenzen auf. Ich finde, ich kann meinen Kindern die Grenzen vonanderen Menschen und meine eigenen Grenzen zeigen. Und sie darauf aufmerksam zumachen, möglichst wieder auf Augenhöhe, dass sie gerade die Grenzen von jemandanderem überschreiten. Und dann zu schauen, okay, wie finden wir dafür eineLösung. Biete ich dir dafür etwas anderes an, oder gehe ich in Erklärung, odermache ich noch etwas anderes. Da kann ich ja dann meine ganze Palette irgendwieauspacken. Aber was sich für mich oft bewährt hat, ist wenn ich meiner großenTochter etwas anbiete und einfach etwas anderes mit ihr mache. Aber ich findees ganz wichtig zu sagen, oder da zu differenzieren. Ich weiß nicht, ob es klugist, Kindern so pauschal Grenzen zu zeigen, oder Grenzen aufzuzeigen, wie dasoft formuliert wird. Ich finde, es ist wichtig, da zu differenzieren und zusagen, anderer Leute Grenzen. Ihnen die zu erklären, die zu erkennen und dasssie die respektieren lernen.

HANS-JOACHIMMAAZ: Ja, es gibt natürlicham Anfang der Entwicklung immer Dinge, die ein Kind noch nicht kennt und da musses gewarnt werden, oder begrenzt werden und so, ja. Das andere, das haben Siejetzt aber auch schon deutlich gemacht, ist, das Kind muss die Erfahrung machenkönnen, dass es auch andere Menschen gibt mit anderen Bedürfnissen und dass mandem Kind dann sagt, zum Beispiel auch als Eltern, das geht jetzt für michnicht, ich kann jetzt nicht. Ich habe jetzt das und das zu tun. Das ist ganznotwendig, weil es Lebensrealität ist, dass alle unsere Möglichkeiten undBedürfnisse begrenzt sind. Und da setzt eine Problematik ein, die ich in denletzten Jahren auch beobachtet habe, dass viele Eltern es nicht mehr wagen, demKind zu sagen, du, ich kann jetzt nicht, oder ich bin jetzt mit anderen Dingenbeschäftigt, das musst du jetzt mal sehen, oder akzeptieren. Weil sie von ihrenKindern-. Also, weil sie selbst bedürftig geblieben sind (FELIX LÖSCH: Richtig,richtig.) und dann die Kinder so behandeln, dass sie von ihren Kindernsozusagen (FELIX LÖSCH: Richtig.) gemocht werden (FELIX LÖSCH: Genau.) und dannwird noch das zugesagt, das zu machen. Das heißt, da kämpfen die Eltern fürihre eigene Bedürftigkeit und übersehen, was für das Kind noch passend ist,oder nicht, ja. Und so entstehen das, was wir nordische Bedürfnisse beiKindern, die dann weiß ich was, (URSULA WESSELER: Weit verbreitet.) sichhinschmeißen und brüllen, wenn sie nicht mehr genug Süßigkeiten kriegen, ja. Dageht es aber schon längst nicht mehr um Süßigkeiten, sondern da ist in derBeziehung schon was gestört und das Kind hat gelernt, die Situation so zunutzen, um eigentlich ein Beziehungsbedürfnis zum Ausdruck zu bringen.

JENSLEHRICH: Darf ich einmal ganzkurz, weil ich würde gerne mal nur aus der Praxis von Ihnen hören, Frau Wesseler,wie das mit den Grenzen ausschaut.

URSULAWESSELER: Das ist die Normalität.Das ist die Normalität, dass die Kinder so kommen. Also ich würde sagen, mehrals dreiviertel der Kinder, die zu uns kommen, und die kommen so knapp vor demdritten Geburtstag zu uns, bringen das mit, das was Sie beschrieben haben. Unddas ist der Beweis für die Eltern, dass die Erzieherinnen das besser können alssie und legitimiert dann eben auch, wie gesagt auch über über langeBetreuungszeiten, über-. Also, dass man wirklich das Gefühl hat, Hauptsacheweg, weil das dann natürlich auch sehr anstrengend wird. Das ist einTeufelskreis, da wird sich nicht mehr auseinander gesetzt mit dem-. Natürlichmachen die das bei uns nicht. Es geht gar nicht. Da sind ganz viele Dinge, diegemeinsam gemacht werden und alle helfen mit, den Tisch zu decken und und und.Und dann machen die das auch, da haben die überhaupt kein Problem mit. Aber dasmit den Grenzen nochmal ganz kurz. Ich glaube, das ist das eine, das ist so aufder sehr psychologischen Ebene. Auf der anderen ist es so, dass viele Elternsehr wohl spüren, dass  ihren Kindernetwas ganz ganz wichtiges fehlt. Wenn die die jeden Morgen um sechs Uhr weckenmüssen und es gibt Kinder, die schlafen gern bis zehn und das ist schon beiBabys so. Da gibt es eklatante Unterschiede, es gibt Babys, die sind Eulen undes gibt Babys, die schlafen um zehn nochmal von zehn bis zwölf. Und dasherauszufinden und sein Kind wirklich kennenzulernen ist ja die vornehmsteAufgabe überhaupt betreuende Eltern zu sein, wie tickt das. Und wenn man malvier Kinder hat, dann weiß man, jedes tickt total anders. Eins schläft durch,das ist ein Sechser im Lotto für sämtliche Nerven und andere sind alle zweiStunden und müssen halt lange in den Morgen schlafen, um wieder zu Kräften zukommen. Nein, die werden alle um sechs Uhr geweckt, weil die müssen um siebenim Auto sitzen und dann müssen die spätestens um halb acht in der Kita sein.Und das perverse oben drauf, jetzt kleine Anekdote, ein Kindergarten sagt, ihrdürft nicht bis neun die Kinder bringen, sondern ihr müsst jetzt schon um achtda sein, sonst kriegen wir unser Bildungsprogramm nicht durch. ZweijährigeKinder, also, um mal diese-.

HANS-JOACHIMMAAZ: Und Eltern, die sohandeln müssen, haben ein schlechtes Gewissen (URSULA WESSELER: Richtig.) undversuchen dann, es irgendwie-.

URSULAWESSELER: Durch noch mehr-. Ganzgenau. Das heißt, die Kinder haben keine Freiheit mehr von der ich am Anfangsprach. Die haben keinen wilden Garten mehr, Oma und Opa sitzen da nicht mehr,die sammeln keine Äpfel mehr, die dürfen nicht im Fluss spielen. Die müsseneinfach komplett in der Spur und im Haus bleiben, Hausbetreuung im Haus, dieganze Kindheit im Haus verbringen. Bei schlechtem Wetter geht man eh nicht mehrraus. Dann haben die einen Schnupfen und dann können sie ja nicht in die Kita.Und jetzt schon mal lange nicht mehr, kleinen Schnupfen und Feierabend. Dannmüssen die abgeholt werden. Das ist ja, schon sehr rigide wird das geradegehandhabt.

JENSLEHRICH: Das wird jetzt einspannender Winter.

URSULAWESSELER: Das wird ein sehrspannender Winter. Und deshalb ist es sehr schwierig zu sagen, Kindern Grenzenzu setzen. Weil, was sie eigentlich brauchen kriegen sie nicht und alle rufendanach, dass Kinder Grenzen brauchen, weil sie sich daneben benehmen. Diebenehmen sich aber oft nicht daneben, sondern die wollen sich nur bewegen. Diewollen auf die Bäume.

HANS-JOACHIMMAAZ: Und wenn die Beziehungstimmt und (URSULA WESSELER: Dann weiß man das.) die Grundbedürfnisse, dannwerden Kinder nicht nörgelnd und nervig. Dann ist es für die auch genug, wennes genug ist, ja. Und die lernen da genau, dass Anspannung, Entspannung-.

URSULAWESSELER: Um fünf Uhr ist nochmaleine kritische Phase, wenn sie müde werden, dann muss man immer mal einbisschen gucken, aber ansonsten läuft es halt. Stimmt so, fünf Uhr? (lacht)

HANS-JOACHIMMAAZ: Wenn wir jetzt eineZeitreise machen würden, ja. Unseren Diskussionstisch da jetzt  500000 Jahre, oder 5000 Jahre zurückversetzen würden, egal, welche Kultur. Und wir würden diese Frage stellen,wäre-. (URSULA WESSELER: Wir hätten nichts zu besprechen.) Die würden fragen,von was redet ihr jetzt eigentlich, ja. Das Problem ist, das sind die-. DasKind wurde in Europa-. Also, es wurde ja nicht nur die Familie in kleinen Dosenzerstört, ja, sondern-, im Prozess von 150 Jahren, sondern das Kind wurde zumObjekt. Zuerst in der Schule und dann ging es nach unten. (URSULA WESSELER:Genau das.) Kindergarten, Krippe und im Prinzip schon-, ist es auch in derSchwangerschaft, im medizinischen Betrieb wird das Kind auch zum Objekt gemacht.

URSULAWESSELER: Nicht im Prinzip. Eswird zum Objekt.

JENSLEHRICH: Es wird zum Objekt,weil es auch schon Objekt ist, so das Kind. Also, es wäre eigentlich einkleiner Mensch.

FELIXLÖSCH: Wir müssen diese-,also, wenn wir uns diese Begriffe anschauen. Embryo. Was ist denn ein Embryo?Das ist ein lebendes Wesen da drin. Embryo ist eigentlich ein so abwertender,das Embryo ist noch nicht in der Lage Gefühle zu empfinden, Emotionen zu habenund all das-. Also, früher hat man das gedacht, heute weiß man, es ist anders.Aber schon dieser Begriff alleine. Warum sagt man nicht, das ist einfach einMensch da drin?

MICHAELHÜTER: Fast alleVerhaltensauffälligkeiten von Kindern und Probleme, ja, kommen ja deshalb, weilwir von Anfang an die Kinder falsch aufwachsen. In einem falschen Leben vonAnfang an kann nichts Gutes entstehen, ja. Und diese ganze-. Pro Wocheerscheint glaube ich in Deutschland ein Erziehungsratgeber. Das ist ja einZeichen dafür, wie-. (FELIX LÖSCH: Nur einer?) Vielleicht sind es auch mehr.Und das schon seit 20 Jahren, ja? Das ist schon so verkopft, schon so zerredet,so ideologisiert, so entfremdet, ja und wenn wir das noch zehn oder 20 Jahreweiter so machen, dann befürchte ich, dass da eine Spezies nachfolgend ist, dieeigentlich wahrscheinlich nicht mehr fähig ist, noch einen auch mental gesundeMenschen überhaupt noch hervorzubringen.

JENSLEHRICH: Sie hatten letztendlichgesagt, dass wir es selber in die Hand nehmen müssen. Und ich würde gernenochmal, also, dass wir vielleicht die Politik gar nicht mehr brauchen.

MICHAELHÜTER: Nein, wir brauchen imGrunde können wir auch keine Politiker-, wir brauchen keine pädagogisierteKindheit, keine psychologisierte Kindheit, sondern wir müssen uns, wir braucheneinfach einmal einen Reinigungs- und Entschlackungsprozess. Wir müssen uns vonall diesen Mythen und Irrtümern der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte wiedermal befreien. Und uns gewahr werden, dass wir einfach Menschen sind, ja. Dasses um die Menschlichkeit geht. Und was bringen wir vor allem ohnehin vonalleine mit in unserer-. Ich habe ja einen Vortrag mal in der Leopoldinagehalten, der heißt Evolution durch Liebe. Unserer Evolution des Homo sapiensist ja um-, über die 100000 Jahre unglaublich viel Liebe und Intelligenzeingespeist, ja. Wir tun ja so immer wieder, als müssten wir das Rad neuerfinden. Wir brauchen nur das, was wächst, ja. Also, was entsteht in Respekt,Würde und Liebe wachsen lassen.

HANS-JOACHIMMAAZ: Immer wieder, ja. Sehrgut gesprochen, aber ja, da bin ich wieder-. Da müssen wir alle auf die Couchlegen. Also, um das, was ich auch für notwendig und richtig halte, kommt jadeshalb nicht zustande, wir kommen nicht in die Selbstverantwortung, weil wir zuentfremdet sind, weil wir zu eingeschüchtert sind, weil wir zu gehorsam sind,weil wir am Ende kollektiv zu gestört sind in Norm-, also, Teil einerNormopathie sind.

MICHAELHÜTER: Aber es gibt ja Eltern,die schaffen das.

HANS-JOACHIMMAAZ: Ja, gut. Aber diewerden diffamiert. Also, es ist immer die Frage in Deutschland-.

MICHAELHÜTER: Deutschland ist nichtdie Welt.

JENSLEHRICH: Ja, wie schaffen wir-.

HANS-JOACHIMMAAZ: Wie schaffen wir es inder Gesellschaft? Wie würden wir das schaffen?

JENSLEHRICH: Wie kriegen wir dasmachen.

URSULAWESSELER: Du hast auch nocheinen-.

HANS-JOACHIMMAAZ: Noch einen Satz dazu,noch einen Satz. Also, es ist mir immer vorgeworfen worden, man kann nicht dasganze Volk auf die Couch legen. Kann man nicht, obwohl es sein müsste. Wenn ichpolitische Macht hätte, würde ich unbedingt anfangen, die Frühbetreuung vonKindern zu verbessern. Also, wir haben gesprochen von der Geburt, von derFrühbetreuung. Weil dort werden die Störungen für die Zukunft gelegt. Und wennman für die Zukunft etwas ändern wollte, müsste man die Qualität derFrühbetreuung verbessern, dass weniger Entfremdung, weniger Störungen, wenigerNarzissmus angerichtet wird. Das wäre meine politische Agenda, wüsste aberauch, dass sehr viele Menschen sich wehren würden dagegen, weil sie ja ihreeigene Verstörung gespiegelt bekämen.

JENSLEHRICH: Und das gar nichtertragen können.

HANS-JOACHIMMAAZ: Und das nicht ertragen.Würden dann operieren gegen diese These.

MICHAELHÜTER: Ich möchte einfach dazunochmal. Zu Ihnen kommen zu, nehme ich mal an, wenn wir ja dann nachher nochreden, wie es eigentlich, wie einfach unter Anführungszeichen ist der andereWeg ausschaut. Aber davor einmal. Das mache ich jetzt im Stakkato, ja. Wieverheerend eigentlich der Befund von Kindheit und Familie inzwischen der ganzenwestlichen Welt, zunehmend weltweit, ist. Seit mindestens 15 Jahren hat jedeszweite Kind in der (?Oper) mindestens eine chronische Krankheit. Jedes vierteKind braucht eine Therapie. 200000 Kinder jährlich, Schüler in den USAversuchen, vor Corona, jetzt wird es noch mehr, begehen Suizid, ja. DieDrogenrate in den USA, teilweise auch in Europa, hat sich in den letzten drei,vier Jahren um 108-. Also, die unter Jugendlichen, die Todesrate, ja, unterjugendlichen Drogenkonsumenten, oder Süchtigen, hat sich in den USA in denletzten Jahren um 108 Prozent erhöht. Alle Formen von schwerstenVerhaltensauffälligkeiten nehmen vor allem in den Industrienationen massiv zu.Teilweise beklagen Forscher weltweit, dass zunehmend Kompetenzen in-, egal, obsozialer, emotionaler, oder kognitiver Kompetenzen, ja, dass zunehmend wirdbeobachtet weltweit, dass Kinder heranwachsen, die die überhaupt nicht mehrerwerben, die sozusagen im Menschen Jahrtausende von ganz alleine erworben worden,ja. Und und und. Wir haben einen verheerend miserablen Befund, der nur mehroder weniger totgeschwiegen wird. Mein Buch hat ein zweiundneunzigseitigesQuellenverzeichnis, das ist international bekannt. (URSULA WESSELER:Interessiert nur keinen.) Und es passiert nichts. Ja, aber dafür wird das Geldin Rüstung und in alles mögliche investiert, ja. So und jetzt zu dem Punkt, wiekönnte es anderes sein, ja. Und damit möchte ich jetzt zu dem Herr Lösch kommenmal.

FELIXLÖSCH: Ja, also, dankeschönHerr (?Wesel). Ich will eigentlich bei Ihnen anknüpfen. Sie haben gesagt, esginge darum, wieder zu einem natürlichen Weg zurück zu finden. Und ich glaube,das ist richtig. Aber dieser natürliche Weg ist eben, ich glaube in dieserheutigen Gesellschaft, für viele Menschen gar nicht mehr so leicht zu finden.Und ich spreche aus meiner eigenen Erfahrung. Ich weiß, wie oft wir zu diesemDoktor gereist sind, um unsere eigene Haltung, um unsere eigenen Unsicherheitenimmer wieder zu reflektieren und uns immer wieder in unserer Haltung zuhinterfragen und die Haltung, für die wir eigentlich gebrannt haben, die wireigentlich einnehmen wollten, immer wieder durch ihn auch bestärkt bekommenmussten. Das ist also ein Prozess, der ist nicht ganz leicht. Insofern stimmeich Ihnen zu, wenn Sie sagen, alle auf die Couch. In gewisser-.

JENSLEHRICH: Also, das ist einAufbau von Selbstbewusstsein auch.

FELIXLÖSCH: Das ist ein Aufbau vonSelbstbewusstsein, ein Aufbau von einer inneren Haltung. Und wie das praktischaussehen kann, auch das ist längst bekannt. Und meine Frau hat dieses schöneBuch hier geschrieben, wo wir diese ersten vier Jahre (JENS LEHRICH:Glückskinder, ja?) unsere Begleitung mit unserer Tochter Hanna einfachdokumentiert haben. Ich will daraus bloß ein paar Sachen zitieren. Das erste,was wichtig wäre, ist natürlich diese Geburtserfahrung. Wenn das einenatürliche Geburt-, das hatten wir vorhin. (URSULA WESSELER: Hing am Besen.)Das zweite wäre das Stillen. Und wenn ich vom Stillen rede, meine ich dasbedingungslose Stillen. Und das heißt auch, dass ich dem Kind-. Die Mutterbietet dem Kind die Brust an, nicht mit der Erwartung, wenn ich dir jetzt dieBrust gebe, beruhigst du dich, sondern du bietest die Brust an und das Kindkann mit seiner eigenen Entscheidungskompetenz entscheiden, nehme ich das an,oder nehme ich das nicht an. Das wäre das Stillen. Das zweite wäre das Tragen.Der unbedingte Körperkontakt, wenn Sie sagen 5000 Jahre zurück, hat man Kinderimmer dabei gehabt, es war immer am Körper. In dieser haptonomischen Begleitungist auch das ein wichtiger Punkt, dass das Kind getragen wird, immer am Körperder Eltern. Das heißt, wir haben unsere Tochter Hanna die ersten drei Jahreeigentlich immer getragen.

JENSLEHRICH: Also, gar nicht imKinderwagen gelegt, sozusagen?

FELIXLÖSCH: Nein, wir haben garkeinen Kinderwagen gehabt. Das ist wirklich die ersten sechs Wochen, da sinddie Babys so leicht, da kann man die einfach mit der Hand so tragen und dannhat man so einen Tragegurt. Ganz wichtig ist, dass das Kind nach vorne schaut.Das heißt, das Kind sieht die Welt, genauso wie die Erwachsenen und ist hintenaber über den Körperkontakt zum Elternteil gesichert. Das heißt, das hat eineBasissicherheit. Und damit ist auch-, oft haben wir dann manchmal gehört, ja wirdeure Tochter nicht völlig reizüberflutet. Die Hanna hat in der Tragegeschlafen. Wenn die keine Lust mehr hatte, ich bin mit der Joggen gegangen, daist die eingeschlafen. Also, es war-. Sie konnte selber entscheiden, wann wirdmir das zu viel und wann kann ich weiter aufnehmen. Das dritte wäre dasgemeinsame Schlafen. (URSULA WESSELER: Familienbett? Familienbett.) Heutzutageist es ganz natürlich, dass die Kinder in ein entweder ein separates Bett, oderin ein separates Kinderzimmer kommen. Das ist eine Trennung, ich glaube keinKind dieser Welt will vielleicht die ersten, ich sage mal vorsichtig, dieersten zwei Jahre will das getrennt sein von seinen Eltern. Das braucht jadiese Nähe, das braucht ja diesen Kontakt. Und wenn das mit dieser Trennung geschieht,dass das Kind ins Kinderbett, oder sogar ins Kinderzimmer kommt, dem Kindbleibt nichts anderes übrig, als eigentlich zu resignieren. Das kann ja seineBedürfnisse nicht erfüllen und dem Kind bleibt eigentlich nichts anderes übrig,als zu resignieren. Genau. Und das Vierte, der vierte Punkt, den ich auch nocherwähnen möchte, ist dieser Übergang vom Stillen, von der Muttermilch zu derfesten Nahrung. Wir haben unserer Tochter nie etwas zu essen angeboten. Die wareinfach bei den Mahlzeiten immer dabei, hat bei uns gesessen und hat dannirgendwann angefangen, so mit anderthalb, ein Interesse für feste Nahrung zuentwickeln. Und hat dann irgendwann mal ein Stückchen genommen, hat dann maldaran geschnuppert. Hat das aber auch ganz vorsichtig nur in den Mund genommen.Bis die was geschluckt hat, ist die glaube ich fast zwei gewesen. Also, das istein ganz langsamer, auch ein sehr, sehr sensibler Prozess und wenn man indiesen Prozess-. Deshalb hab ich vorhin dieses Vertrauen so betont. Wenn mandas Vertrauen aufbringt, diesen natürlichen Entwicklungsprozess des Kindes, ichsage jetzt ein komisches Wort, aber artgerecht, eigentlich kindgerechtgeschehen zu lassen, zu begleiten, dann erwachsen daraus wirklich starke,selbstbewusste, friedliche Kinder. Also, das ist wirklich ganz beeindruckend zusehen, wie die dann sich entwickeln.

JENSLEHRICH: Sind das auchangstfreie Kinder?

FELIXLÖSCH: Das ist ein guterPunkt. Angstfrei finde ich ist-, unsere Tochter wird oft als vorsichtigwahrgenommen. Das heißt, wenn die irgendwo hinkommt, schaut die, schaut die zu,wie da sich die Sachen passieren. (URSULA WESSELER: Erstmal checken.) Waspassiert. Und wenn sie dann einen Überblick hat, geht die rein, ohne, dass maneine Spur von Angst in ihr sieht. Und wenn wir über Angstfreiheit reden, daswäre eigentlich, deshalb versuche ich das als einen der möglichen Wege, odereigentlich, wenn es nicht die haptonomische Begleitung ist, dann ist es-, dannbenennen wir es einfach als den natürlichen, menschlichen Weg, den es seit Jahrtausendenvon Jahren gegeben hat, von dem wir aber inzwischen weggekommen sind. (HANS-JOACHIMMAAZ: Entfremdet sind.) Und deshalb müssen wir den wieder irgendwie lernen. Unddieser Doktor bietet eben eine Möglichkeit an, das zu lernen, ja.

MICHAELHÜTER: Aber dann kommen ebenangstfreie und demokratiefähige Menschen auf die Welt. (FELIX LÖSCH: Ja, diekommen da raus.) Weil so viel über die Demokratie gesprochen wird, die da denKeller hinunter geschoben wird weltweit, na ja, damit eine Gesellschaft-. Damitwir eine demokratische Gesellschaftsordnung haben, brauchen wir ja zuersteinmal demokratiefähige Menschen.

JENSLEHRICH: Und da würde ich an derStelle-.

MICHAELHÜTER: Demokratie kann mannicht verorten haben Sie glaube ich mal in irgendeinem Ihrer Büchergeschrieben, oder?

JENSLEHRICH: Und da würde ich gernean der Stelle zu unserer fünften These kommen, weil die gut passt. Und dieheißt nämlich gesellschaftliche Anpassung ist Grundlage eines friedlichenMiteinanders.

MICHAELHÜTER: Eben genau das Gegenteil.Aber ich möchte da jetzt zurückkommen kurz auf den Herrn-. (JENS LEHRICH:Lösch.) Herrn Lösch. Alle diese Punkt, die Sie da aufgezählt haben. Die Nähezur Mutter, ja, das Stillen. Man weiß jetzt auch bis so die Erziehung ist aucheine Erfindung Europas. Es gibt in nichts krankhaftes, das nicht der Westenzuerst in die Welt gebracht hat. Das ist einfach so.

JENSLEHRICH: Aber da sind wir ja beider gesellschaftlichen Anpassung.

MICHAELHÜTER: Der spanische Dichterzum Beispiel, (?Lope di Vega), schreibt 1952 glaube ich so in einem Tagebuch,auch so am Rande, jetzt kommt nach Spanien auch plötzlich so ein neuer BegriffErziehung. Jetzt fangen da auch alle an, davon zu reden. Also von Mitteleuropadann runter nach Spanien, was ist denn das jetzt für eine neue Modeerscheinung.Ja. Und seitdem die Erziehung erfunden wurde, ja, kommen eigentlich dieseganzen extremen neuropathischen Gesellschaften hervor und Ideologien vor allem.Ja. Weil wenn man nämlich Kinder so aufwachsen lässt, wie Sie das und Ihre Fraumachen, und das ist mir ja vertraut, aber ich will nicht über mich, oder wiewir, aber unser Sohn ist auch als Hausgeburt auf die Welt gekommen, drei Jahrelang gestillt worden von meiner Frau, kitafrei aufgewachsen. Und bis jetzt auchunbeschult, aber nicht programmatisch, ja, oder drogmatisch, weil wir gesagthaben, dass das Schulsystem so schlecht ist, sondern wenn man diesen Weg weitergeht, auf die Bedürfnisorientierung, oder den Menschen respektiert, das kennenwir ja gar nicht mehr. Weil der Westen hat ja das Kind deshalb getrennt und denBegriff Kindheit erfunden und den abgegrenzt von der Erwachsenenwelt, weil dannkann ich ja mit dem Kind-. Wir machen ja-, wir überlegen ja gar nicht mehrnach. Wir machen ja mit Kindern etwas, was wir mit Erwachsenen niemals tunwürden.

JENSLEHRICH: Ich möchte nochmal ganzkurz, Herr Hölter, ganz kurz nur für die Zuschauerinnen und Zuschauer, weil ichdas wichtig finde mit dem Begriff Normopathie. Das ist ja auch ihr Fachbegriff,auch ihr Fachgebiet. Ich habe das so, Normopathie ist der ungesunde Wunsch, wiedie anderen zu sein. Kann man das so zusammenfassen?

HANS-JOACHIMMAAZ: Na ja, jetzt von demWortstamm wird das Pathische, das Gestörte für normal erklärt, Normopathie. Unddas geschieht dann leicht, wenn eine Mehrheit in einer Richtung marschiert.Also, denkt, fühlt und handelt, wie die meisten, dann hat man den Eindruck,aha, da ist ja normal, weil es die Mehrheit macht.

JENSLEHRICH: Also, das wäre diegesellschaftliche Anpassung?

HANS-JOACHIMMAAZ: Das wäre diegesellschaftliche Anpassung. Und bei der These, die ist natürlich für michfurchtbar, weil-. Also, Anpassung ist eine hervorragende und notwendigeFähigkeit des Menschen, aber ebenso Widerstand. Also, das ist ja die Frage, wopasst man sich an und wo muss man Widerstand leisten. Im Moment sind wir da ineiner Gesellschaftssituation, wo Widerstand leisten zwingend notwendig ist. UndAnpassung ins Unglück führt. Und Herr Hüter hat ja nochmal auch erwähnt, dassdas eines auch meiner zentralen Themen ist, zu unterscheiden zwischen äußererund innerer Demokratie. Also, äußere Demokratie ist das, was wir eben noch einpaar Jahre hatten. Das Zusammenspiel von pluralen Kräften, die sichwechselseitig auch in der Waage halten, auch wenn sie mitunter völlig verrücktsind, ganz falsch, schlecht sind. Und dagegen setze ich, was ich innerseelischeDemokratie nenne und meine, dass jeder Mensch so viel von sich verstanden habenmuss und wissen muss, dass er auch die für ihn selbst die unangenehmen, dieschlechten Seiten, das Peinliche, die Lügen, die Fehler weiß und damit umgehenkann. Also, gelernt hat, zu regulieren, denn wenn nicht, sind all dieseelischen Minderheiten, die man in sich trägt und nicht wahrhaben will, derAnlass, dass sie bei anderen gesehen und dort bekämpft werden müssen. Das istdie Grundlage von Projektion, von Feindbilddenken und so weiter, ja. Und wennwir in einer gesellschaftlichen Situation sind, wie der jetzigen, wo im Grundegenommen die bisherige plurale Anpassung und der Ausgleich der verschiedenstenauch Kräfte und auch Verrücktheiten nicht mehr funktioniert, dann werden dieMenschen wieder konfrontiert mit ihrer demokratischen Unfähigkeit. Und dasführt zu dem, was wir beobachten, jetzt fängt jeder an, Seins irgendwie rettenzu wollen und dann muss der andere irgendwie dagegen sein, der Feind sein. Dasist die Grundlage der Spaltung der Gesellschaft.

JENSLEHRICH: Also, quasi denSchuldigen im Außen zu suchen?

HANS-JOACHIMMAAZ: Den Schuldigen im Außenzu suchen und dem alles anzulasten, was man bei sich selbst nicht wahrhabenwill. Und zur inneren Demokratie würde eben zählen, dass man das auch kennt,das eigene Böse, das Schlechte. Also, es gibt nicht nur gute Menschen, es gibtauch nicht nur böse Menschen, ja. Also, das zu wissen, was ist-, was passt zumir, was ist authentisch, also, was sind gute Seiten, was sind gute Fähigkeitenund was nicht, wäre die Voraussetzung, um wirklich Demokrat zu sein. Und das imMeinungsaustausch dann mit anderen Menschen immer wieder einen Ausgleich zufinden, Kompromisse zu finden, Ergänzungen, Entwicklungen zu ermöglichen. Undgenau diese Situation haben wir im Moment nicht. Wir sind erneut in einergesellschaftlichen Normopathie.

URSULAWESSELER: Es war eben nochmal,auch im Hinblick auf die Frage, wie man konstruktiv da raus gehen kann, auchaus dem. Ich setze darauf, weil das hat Corona jetzt auch gezeigt, dass es überdie neuen Netzwerke geht. Dass es darum geht, Menschen zu finden, die ich sageimmer schon aufgeploppt sind. Also, die gemerkt haben, es muss sich grundlegendwas ändern. Meine Erfahrung jetzt zur Zeit ist, auch in Bezug auf die Kinder,es sind einige auf einmal zack wach. Und das ging ganz schnell. Corona ist auchein Beschleuniger, was das angeht. Und die kann man auch nicht mehr umwerfen.Und wenn man diese Menschen zusammen bringt und diese Netzwerke auch gerade mitdiesen Aspekten von Kindheit, die du genannt hast, die gibt es ja längst. Daläuft ganz viel gegenseitige Ermutigung, da läuft ganz viel so Anregung.Versuche es doch vielleicht erst mal mit ein paar Apfelstückchen, oder bietedoch gar nichts an, vielleicht kommt es dann von selber darauf. Achte nurdarauf, dass es auch auf den Tisch kommt, sonst kommt es an die Sachen nichtdran. Und die dürfen nicht zu heiß sein, weil dann zuckt es-. So ganz einfacheSachen, gerade bei dieser Essensmethode, die mich sehr interessiert, weil eskommen immer mehr Kinder, auch in unsere Kita, die diese Erfahrung gemacht haben.Und das sind erstaunliche Kinder. Es sind erstaunliche Kinder. Das sind sowitzige, das sind so lebensfrohe, das sind so wilde Kinder, wir haben so vielSpaß mit Kindern, da macht der Beruf wieder richtig viel Spaß. Und die ziehenauch andere Kinder wieder mit. Und das hat auch wieder einen Effekt auf dieanderen Eltern. Die Kinder sind ja auch nochmal verabredet am Nachmittag,spielen zusammen. Und das ist das, worauf ich setze. Jede andere Art vonNetzwerken-.

JENSLEHRICH: Also, das heißt, das,was die Politik eigentlich möchte, kommt da nicht an?

URSULAWESSELER: Nein, das müssen wirselber machen.

HANS-JOACHIMMAAZ: Was in Berlin passiertjetzt zwei Mal, ist genau das unter Erwachsenen, ja. Und deshalb wird das sodiffamiert. Da sind das also die ganz schlimmen Nazis und Extremisten undPopulisten und (JENS LEHRICH: Coronaleugner.) Covidioten. (JENS LEHRICH: Wobeidas ja nicht leugnet wirklich.) Ja. Nein, es geht genau um diesen Aspekt, dassdie Leute wieder munter geworden sind. Was ist denn hier los, da stimmt dochirgendwas nicht.

URSULAWESSELER: Also, die ploppen nichtwieder zurück, die gehen nicht mehr zurück in die Angst, sind standhaft, sonstwären nicht bei der zweiten Demo mehr Leute gekommen.

HANS-JOACHIMMAAZ: Das, weil das soungewünscht ist für eine normopathische Gesellschaft wird das so heftigbekämpft und diffamiert.

URSULAWESSELER: Wir sind auf dem richtigenWeg.

HANS-JOACHIMMAAZ: Ja.

JENSLEHRICH: Das ist fast einschönes Schluswort, aber Herr Hüter.

MICHAELHÜTER: Jeder Mensch ist einIndividuum und die Evolution in ihrem langen, langen Weg wird sich was dabeiüberlegt haben. Jeder Mensch kommt einzigartig mit einer einzigen, einemeinzigartigen Programm an Fähigkeiten und Begabungen und unterschiedlichen zurWelt. Und wir schauen ja auch jeder nach wie vor anders aus. Ja. Das ist einriesengroßes Wunder. Und wenn Sie bis zum fünften, sechsten Lebensjahr, bevorKinder in unserer, oder auch anderen Kulturen im Prinzip gleichgemacht,misshandelt, traumatisiert werden, können sie auf der ganzen-. Wir sind frühermit unserem Sohn, meine Frau und dann auch mit unserem Sohn auch viel gereist.Sie können bis zu dem Alter fünf, sechs, wenn da keine großen Schäden kommen,können Sie alle Kinder auf dieser Welt, die brauchen nicht einmal die Sprachekönnen, können Sie die-, spielen die miteinander, machen die irgendwas, auchwenn sie die Sprache nicht können. Was haben wir 18 Jahre lang später.Rassisten, Drogensüchtige, durchwegs ja auch, weil wenn wir schonDiskriminierung, diese ganze Doppelmoral in der westlichen Kultur. Einerseitsgeht man-, in Deutschland ist man gegen Diskriminierung, aber was ist es anderes,wenn Journalisten in (?pauschtem) Bogen die ganze Bevölkerung beschimpft undsagen, das sind Rechtsextreme, oder so, das ist ja auch eine Form vonDiskriminierung. Und was für mich spannend ist, aber das sind ja alle, dieschleppen auch alle hier ihre Traumen, ihre Kindheitspakete, ihreKindheitstraumen, ihre Schultraumen, eine ganze Menge Sachen mit sich. Und wasaber ist, wenn wir eben von Anfang an mit dem Menschen anders umgehen. Dannbekommen wir eben gesunde Menschen, mental und physisch gesunde. DerKapitalismus ist aber nun mal eine Ideologie, die ja vor allem mit dem krankenMenschen Geschäft macht. Und hier würden gesunde und starke Persönlichkeitenkommen, aber im Grunde genommen starke Persönlichkeiten kann ich aber nicht somachen (schnipst) und alle machen es. Und eines noch, ich bin gleich fertig,Herr Lehrreich. Wenn man nämlich so, wie Sie ihre Kinder aufwachsen lassen undIhre Frau. Ich glaube, Ihre älteste Tochter Hanna ist jetzt fünf, Sie werdendann merken, Sie stehen ja früher oder später dann auch vor der Schulfrage. Jaund das wird ja dann immer schwieriger, wenn man den Weg dann weiter geht, gibtes ja fast, außer Sie finden eine sehr gute private freie oder auch einestaatliche Schule, weil das muss man schon dazu sagen, es gibt ein paar wenigegute Schulen. Aber es sind eben nur ein paar wenige, ja. Und für mich war ganzspannend. Meine zwei ältesten Kinder aus erster Ehe haben das Schulsystemvollständig durchlaufen, die sind schon 18, 19 bald und bald 18. Und die habendas Schulsystem vollständig oder (?vorrecht) durchlaufen, mein jüngster, Maxim,… #02:05:19# und dadurch bin ich in verschiedenen Teilen der Welt immer wiederauch mit anderen Eltern mit unbeschulten Kindern zusammen gekommen, ja. Und fürmich war ganz spannend, diese Kinder sind wirklich anders. Diese Art vonSozialisation, die seit 100, oder vor allem seit 40 Jahren so massiv zurkulturellen Norm gemacht wird, die richtet so unglaublich viel Schaden an. Ineinem Wort, sie entmenschlicht eigentlich, ja. Ich bezeichne es in meinem Buchdie Domineszierung des Menschen. Wenn wir die letzten 500 Jahre schauen, wiehat die Menschheit-. Zuerst einmal mit den Tieren sind wir angefangen, ja. Inallen Kulturen hatte man zuerst einmal Respekt vor den Tieren. Tief in den verschiedenstenReligionen, Kulturen war das Tier sogar heilig, ja. Und ich mache das jetzt imSchnellverfahren zur industriellen-. Wir haben kaum mehr Wildtiere, weil wirsie zerstören. Und die Tiere, die-. Oder wir sperren sie ein als Haustiere.Oder von den Nutztieren, (?Hahari) hat da mal gesagt, dass die armseligste,diese industriellen Nutztiere sind die armseligste Kreatur, die die Menschenjemals hervorgebracht haben. Und im-, wenn ich das jetzt im Schnellraffer überdie letzten Jahrhunderte mache, machen sie ihren besten Weg eigentlich mit demMenschen selber. Mit Kindern genau das gleiche zu machen.

JENSLEHRICH: Herr Lösch, von Ihnenwürde ich gerne noch wissen, Frau Wesseler war da eher optimistisch, sehen Siedas auch so? Haben wir eine Chance, da noch raus zu kommen, oder muss esextremer werden? Damit noch mehr Leute quasi aufwachen.

FELIXLÖSCH: Je extremer es wird,desto mehr Leute wachen wahrscheinlich auf. Ich denke, Frau Wesseler Sie habendas gut gesagt, es ploppen Leute auf und die gehen auch nicht mehr zurück. Dasfinde ich schön, die Netzwerke bilden sich. Das beobachte ich auch bei uns inder Schweiz, es gibt immer mehr Vernetzungen, auch von Leuten, dieunkonventionelle, esoterische Wege gehen. Aber das ist, das kommt immer mehr.Also, ich denke, das ist, ja, ich-. Mir bleibt nichts anderes übrig, als das zuhoffen. Ich meine, ich bin Vater in der Situation und wenn ich jetzt sage, ichsehe keine Chance, dann weiß ich nicht, was ich dann machen würde, aber-. Also,insofern, ich kann einfach nur Meines dazu tun, meinen Beitrag dazu leisten,dass es passiert. Die Gesellschaft, die besteht ja, die kleinstegesellschaftliche Einheit ist ja die Familie und da kann ich wirken, da kannich meinen Teil dazu tun und ja. ich würde ganz gerne ein kurzes Zitatvorlesen. Geht das? Es ist wirklich nicht lang, aber es beschreibt das sehrschön von dem, wovon ich versucht habe, zu reden. Das Zitat ist von diesemDoktor (?Chaladi) und der schreibt: „Im Laufe unseres Lebens werden wirtiefgreifende Trennungserfahrungen machen müssen. Die erste Trennung ist dasVerlassen der Mutter aus einer fast hundertprozentigen körperlichen Einheit mitihr, die Geburt. Die zweite Trennung ist das Verlassen der Mutter aus derintensiven, emotionalen Geborgenheit zu ihr, um autonom und unabhängig leben zukönnen, das Abstillen. Die dritte Trennung ist das Ablegen sämtlicherBindungen, der Tod. Ich glaube, je selbstbestimmter, nach unserem Tempo undunseren Bedürfnissen gerichteter die ersten zwei Trennungen stattfinden, das heißt,wenn wir uns selbst gebären und uns selbst abstillen dürfen, umso bejahendersind wir unserem Leben und dem Leben anderer gegenüber. Und umso mehr sind wirin der Lage, unsere letzte Trennung angstfrei zu bewältigen. Das Verlassendieser Welt.“

JENS LEHRICH: Vielen Dank, Herr Lösch, Herr Doktor Matz.Zum Schluss vielleicht noch ganz kurz Ihre Analyse für die Zukunft.

HANS-JOACHIMMAAZ: Na ja, als Medizinerweiß ich ja, die meisten Menschen wissen oder ahnen es die meiste Zeit, dasssie nicht gut leben, falsch leben, ungesund leben und können es nicht ändern.Das wissen wir ja. Deswegen kommen sie ja zu uns, wenn sie was verändern wollenund zwar warten wir, bis sie krank werden. Gott sei Dank werden Menschen krank,bis sie eine Krise bekommen, dort eröffnet sich eine Chance, dem Menschen zuhelfen, jetzt zu verstehen, worin das-, sein falsches Leben bestanden hat.Also, wir müssen auf die Krise, auf die Katastrophe, ist jetzt schon ein Wort,das man kaum noch über die Lippen bringt, warten, bis Menschen anfangen,wirklich zu sagen, Moment, jetzt wird es ernst, jetzt muss ich aufwachen, jetztmuss ich überlegen, wie es anders weitergehen könnte. Ich glaube, wir sind ineiner solchen Entwicklung drin. Dass Menschen aufwachen, dass es auf eine Krisehinsteuert. Und natürlich ist die Frage, wie geht diese Krise aus, ja. Wieschlimm, wie böse wird es. Wird es krebsig, oder wird es nur eine depressiveVerstimmung, ja. Aber ich denke, wir sind daran und viele andere mit uns auch,darüber zu reflektieren, kritische Gedanken-. Und ich habe jetzt geradeüberlegt, wenn-, wer uns zuhört. Da wird es sicher viele geben, die dasinteressant finden und es wird andere geben, die sonderbar und wieder malEsoteriker und Verschwörungstheoretiker zusammen, denen sage ich, ich binstolz, ein Verschwörungstheoretiker zu sein, oder ein Esoteriker zu sein. Ichmeine, ich weiß doch, was ich bin und wer ich bin und es ist doch wurscht, wieman mich beschimpft, ja. Ich-. Man muss auf zunehmend auf dieVerschwörungstheoretiker hören, um zu wissen, was wirklich Wahrheit ist, wasSache ist, ja.

JENSLEHRICH: Zumal, es geht auchletztendlich nicht darum, es geht nicht um schwarz oder weiß, es geht nichtdarum, ob wir hier komplett Recht haben. Und das haben wir sicherlich auchnicht. Also-.

HANS-JOACHIMMAAZ: Wir müssen anregen, wirmüssen zum Nachdenken anregen, wir müssen andere Gedankenwege eröffnen.

JENSLEHRICH: Genau. Und das ist auchSinn dieses Projektes hier. Herr Hüter noch kurz.

MICHAELHÜTER: Also, ich würde inDeutschland allen empfehlen, aus dieser Rechtfertigungshaltung heraus zukommen. Nur weil der Spiegel, der ARD, ZDF, wer auch immer, sind doch nicht derliebe Gott, oder sonst irgendwas, ja. Es ist traurig, was ab-, es ist wirklichtraurig. Also, ich muss langsam so-. Es-. Jetzt, da frage ich mich wirklich,was will man jetzt langsam, wo soll es hinführen. Will man Krieg? Will manBürgerkrieg? Also, wie kann ein Land, und auch die Presse und die Politikdurchwegs durch alle Parteien so tief sinken? Man mag mich verurteilen, fürdas, was ich-. Aber das ist ein kultureller Verfall in Schallgeschwindigkeit,der (HANS-JOACHIM MAAZ: Ja, total.) im Moment stattfindet. Und ich glaube, undmir ist egal wie, weil das, was wir jetzt da alles besprechen, ist nichtwirklich neu, ja. In den siebziger Jahren zum Beispiel, glaube ich hat schon(?Liliov) den Weltbestseller in-, auf der Suche nach dem verlorenen Glückgeschrieben. Das schon mal als-, da gab es ja schon einmal eine große Welle,dass wir uns immer zurückerinnern, wie sozialisieren wir Kinder. Also, imPrinzip geht es doch nur einfach darum, den Menschen wieder Mensch sein zulassen, um das jetzt mal runter zu brechen die zwei Stunden. Ich weiß nicht,wie lange wir jetzt schon reden. Es geht darum, den Menschen Mensch sein zu lassen.Und was hat der Homo sapiens in diesem langen Weg alles an kulturellenHochleistungen hervorgebracht, ja. Und was bringen wir eigentlich noch hervor?Gar nichts mehr. Außer Streit, Konsum, (URSULA WESSELER: Und KI.) Zerstörung. (FELIXLÖSCH: Und künstliche Intelligenz.) Wir zerstören ja nicht nur diesen Planetenkollektiv, sondern wir gehen ja zueinander schon in ein Zerstörungsverhältnis,ja. Und ich glaube, dass wir von den Politikern nichts zu erwarten haben. Jadas muss vom Volk aus kommen. Alle großen Errungenschaften, die nochselbstverständlich sind an Freiheiten, sind nie von oben gekommen. Das habensich in den letzten Jahrhunderten die Menschen selber erkämpfen müssen, ja. Undich glaube sowieso nur, dass die-, ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir-,dass das das letzte Jahrhundert ist, ja. Entweder kommen wir da raus und danngeht es für lange Zeit gut weiter und am Ende dieses Jahrhunderts war es dasmit den Homo sapiens. Und die Zukunft-. (JENS LEHRICH: Noch ganz-.)Entschuldigung. Und die Zukunft wird nur zu retten sein, ja, dieses Buch habeich auch geschrieben, um Eltern intellektuell aufzurüsten, ich glaubeeigentlich, dass es mit den-, die Welt nur noch mit den Eltern und den Familienvon heute und von morgen zu retten ist. Nur von unten her, indem wir einenRahmen schaffen und Eltern einen Rahmen schaffen, dass wieder gesunde, mentalund physisch gesunde Menschen heranwachsen. Und dann kommt oben alles anderevon alleine.

JENSLEHRICH: Frau Wesseler.

URSULAWESSELER: Mein Schlusswort knüpftan das Eingangsstatement „Kindheit ist keine Insel, aber wir können Inseln fürKinder schaffen.“ So eine Familie ist eine Insel. Ich versuche das in unsererKita. Das ist ja auch so etwas wie eine Insel (JENS LEHRICH: Genau. Fair Talkist auch eine Insel.) Ist auch eine Insel. Und wenn das miteinander verbundenwird, wird es ein großes Land. Das ist meine Idee. Ich habe immer eine Insel imKopf in der letzten Zeit. Und die muss man auch ein bisschen beschützen undmanchmal muss man auch ein bisschen zumachen, damit es ein bisschen wachsenkann. Und dann kommen wieder neue dazu. Und wie gesagt, die Vernetzung ist ganzwichtig. (HANS-JOACHIM MAAZ: Ein Verkehr hergestellt werden zwischen denInseln.) Ja. Der Fernverkehr. Der Fernverkehr ist auch schön. Ja und das wird.

JENSLEHRICH: Frau Wesseler, ichdanke Ihnen ganz, ganz herzlich, dass Sie hier bei uns waren heute. Ich dankeganz herzlich Felix Lösch, ebenso Michael Hüter und Doktor Hans-Joachim Matz,für diese spannende Runde und ja, für die vielen Anregungen. Ich denke, es istein großer Umdenkprozess erforderlich. Wobei, wie gesagt, das ist uns hier andieser Stelle nochmal ganz wichtig, es geht einfach nur darum, Anregungen zuschaffen. Anregungen, aus denen ihr wieder profitieren könnt. Das Ganze ist jaein konstruktiver Dialog mit euch, von daher freue ich mich auch auf eurekonstruktiven Kommentare unter diesem Video. Und natürlich sind wir auchweiterhin auf eure Unterstützung angewiesen, damit wir solche Inseln hier auchin Zukunft erhalten können.  In diesemSinne gute Nacht, alles Gute, danke an die Runde und bis ganz bald.

Unser Shop